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Ben Alis Ehefrau erklärt die WeltDie „Königin von Karthago“ packt aus

Die Frau des gestürzten Präsidenten hat ihre Version des Umsturzes zum Besten gegeben. Die Familie habe keine Goldbarren auf der Flucht dabeigehabt. Nur Mineralwasser.

Das Herrscherpaar 2007 – damals war die Welt der „Königsfamilie von Karthago“ noch in bester Ordnung. Bild: dapd

MADRID taz | Tunesien erlebte keine Revolution, sondern „einen Staatsstreich“, hinter dem „geheime Hände“ steckten. So zumindest sieht es Leila Trabelsi, die Ehefrau des gestürzten Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali.

„Die Regentin von Karthago“ – wie das Volk die gelernte Friseurin nennt – gibt in einem 200-seitigen Buch mit dem Titel „Ma vérité“ – „Meine Wahrheit“ – zum Besten, wie sie die Tage rund um den 14. Januar 2011 erlebte. Die 56-Jährige stand von ihrem saudi-arabischen Exil aus dem französischen Journalisten Yves Derai per Skype Rede und Antwort.

„Sicher wussten wir, dass wir einen schwierigen Augenblick durchlebten, aber ich war weit davon entfernt zu glauben, dass die Lage eskalieren könnte oder gar dass wir nur wenige Stunden später abreisen würden“, erklärt Trabelsi, die auf dem Deckblatt mit einem weißen Tuch im traditionellen sahrauischen Stil und einer Sonnenbrille zu sehen ist.

Es war Freitag, der 14. Januar 2011. Seit Dezember breiteten sich die Proteste im ganzen Land aus. Längst hatten sie auch die Hauptstadt Tunis erreicht. Zehntausende demonstrierten an jenem Tag.

Ganz auf sich gestellt versuchte man, die Welt zu verstehen

In einem der Präsidentenpaläste an der Küste hatten sich Ben Ali, dessen Frau Leila und mehrere Angehörige des Clans versammelt. „Mein Mann und ich versuchten – auf uns alleine gestellt – die Lage zu verstehen.“ Es war der Chef der Präsidentengarde, Ali Seriati, der auf die Idee kam, die Familie nach Saudi-Arabien auszufliegen. „Ben Ali gab schließlich nach.“

Es sollte nur für einige Tage sein. Die Familie – so die Idee – sollte offiziell zu einer Pilgerfahrt nach Mekka und Medina reisen. „Wir packten das Nötigste“, erinnert sich Trabelsi. Sie bestreitet strickt, Goldbarren und andere Wertgegenstände mitgenommen zu haben, wie in den Tagen darauf berichtet.

„Die Geschichte, nach der ich mit Dutzenden von Koffern ausgeflogen bin, ist eine pure Erfindung. Ich habe weder meinen Schmuck noch meine Garderobe und Alltagskleidung mitgenommen. Ich trug weder Geld noch einen Reisepass bei mir“, erklärt die Präsidentengattin.

Wasser, Schokoriegel, heulende Hunde

„Wir haben den Palast von Sidi Bou Said verlassen. Die Hunde heulten, als hätten sie das Drama gerochen“, wird Trabelsi prosaisch. Ben Ali stieg schließlich auf Drängen seines Sicherheitschefs mit in den Flieger. Er sollte seinen Familie begleiten und anschließend sofort zurückfliegen.

Mutter Trabelsi beschreibt ihr Leiden: „Die Kinder hatten Hunger, aber es gab nichts an Bord, nur ein paar Flaschen Mineralwasser, die im letzten Moment gebracht wurden. Es war mein Mann, der ihnen schließlich einen Schokoriegel gab.“

In Saudi-Arabien ging der Diktator mit der Familie von Bord. Das Flugzeug startete durch … ohne ihn. „Präsident Ben Ali ist aus Tunesien abgeschoben worden“, beschwert sich Trabelsi. „Der Staatsstreich war lange vor dem 14. Januar geplant“, ist sich Trabelsi sicher. Sie lässt durchblicken, dass sie Paris hinter dem „Komplott“ sieht. Sie spricht verbittert von den guten Beziehungen zur ehemaligen Kolonialmacht und Präsident Nicolas Sarkozy, „der die Produkte unserer Region, die wir ihm zukommen ließen, nie ablehnte“.

Keiner hat Ben Ali so sehr geschadet wie seine eigene Frau

Keiner hat dem Ruf des seit mehr als 23 Jahren mit eiserner Faust regierenden Ben Ali so geschadet wie seine zweite Ehefrau Leila Trabelsi. Die Tochter einer einfachen Familie brachte unzählige Angehörige in wichtige Positionen. Der Clan entwickelte sich zu einer regelrechten Mafia, die sich alles aneignete, was in Tunesien Gewinn versprach.

Leila Trabelsi will freilich von diesen Beschuldigungen nichts wissen. Sie stellt sich als gute Ehefrau und Familienmutter dar, die in ihrem saudi-arabischen Exil „selten ausgeht, kaum Leute trifft und viel betet“.

Über 30 Mitglieder beider Familien wurden nach der Revolution verhaftet. Andere flohen ins Ausland. Ben Ali und Leila Trabelsi wurden in Abwesenheit mehrmals verurteilt. Die höchste Strafe betrug im Juni 2011 35 Jahre. „Sie haben die öffentlichen Gelder als ihr Eigentum betrachtet“, erklärte das Gericht.

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