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Kommentar Abitur nach dreizehn JahrenBummeln ist auch keine Lösung

Bernd Kramer
Kommentar von Bernd Kramer

Die Rückkehr vieler Bundesländer zum Abitur nach 13 Jahren ist lässt die Geburtsfehler der Schulzeitverkürzung unbehandelt – und pampert die Privilegiertenkinder.

W ie schön es doch war, früher. Als man als Schüler noch Muße hatte, eine unbeschwerte Kindheit, die wahre Bildung. Und heute? Trimmen Bildungsreformer die Schulen gnadenlos auf Effizienz, werden in Klassenräumen Kinderseelen verheizt, und statt echter wahrer Herzensbildung gibt es nur noch das knallharte Turbo-Abi.

So ähnlich ist der kitschig-verklärte Unterton, wenn hierzulande über die Verkürzung der Zeit bis zum Abitur von 13 auf 12 Schuljahre gestritten wird. Es ist übrigens die gleiche Begleitmusik, die auch die Einführung der verkürzten und verschulteren Bachelor-Studiengänge begleitete. Als ob das Bummelstudium alter Tage nicht viel zu oft zu einem gefrusteten Abbruch geführt hätte.

Ein solches Maß an Verklärung können sich nur die Privilegierten erlauben, die ihre Freiräume im Bildungssystem ohnehin seit jeher besser nutzen konnten. Welches Arbeiterkind klagt darüber, dass es vor lauter vollgepackter Stundenpläne am Nachmittag keine Zeit mehr für Klavierstunden hat? Welcher Schüler, der als Erster in seiner Familie Abitur anstrebt, macht sich ernsthaft Gedanken darüber, ob ihm die Oberstufe genug Raum für ein teures Auslandsjahr bieten sollte?

Der Autor

Bernd Kramer ist Bildungsredakteur der taz.

Und doch rudern die meisten Bundesländer nun zurück. Vor der Landtagswahl in Bayern fürchtet vor allem Horst Seehofer das wortgewaltige Bildungsbürgertum und kündigt ruckzuck eine Reform der Reform an: Künftig sollen Gymnasiasten gewissermaßen freiwillig sitzenbleiben können, wenn ihnen das verkürzte Gymnasium zu stressig wird. Die eigentlichen Geburtsfehler der Reform bleiben bei solchen, dem Wahlkampf geschuldeten Sofortprogrammen unbehandelt – in Bayern wie anderswo.

Mit einer Wahloption zwischen Kurz- und Lang-Abi ist es nicht getan. Wer die Schulzeit verkürzt, muss seine Schulen konsequent auf Ganztagsbetrieb umstellen, von dem dann gerade die Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern profitieren könnten – auch wenn der Professorentochter dann eben weniger Zeit für Klavierstunden bleibt.

Hauruckartig haben die Kultusminister ihre Reform umgesetzt und dabei kopflos den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht. Erst braucht es ein kluges Ganztagskonzept, bei dem sich über den Tag Lern- und Freizeitphasen abwechseln. Dann lässt sich vielleicht ein Jahr sparen.

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Bernd Kramer
Inlandsredakteur
Jahrgang 1984, hat VWL, Politik und Soziologie studiert und die Kölner Journalistenschule besucht. Seit 2012 bei der taz im Inlandsressort und dort zuständig für Schul- und Hochschulthemen.
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27 Kommentare

 / 
  • IM
    Irgendetwas muss

    Ich bin seit jeher Befürworter der Bologna-Reformen und der Verkürzung der Zeit bis zum Abitur.

     

    Warum?

     

    Weil es nicht angehen kann dass Leute so leben wie ich.

     

    Die Schule war sowas von lau, da gab es Effizienzpotentiale ohne Ende, von 90 Minuten pädagogisch wertvoller Gruppenarbeit wurden 80 Minuten gechillt.

    Hausaufgaben wurden nicht erledigt weil man sich bei den altlinken wohlwollenden Pädagogen sowieso aus der Affäre ziehen konnte. Nur 2 Beispiele um kurz zu skizzieren dass ich Schüler grundsätzlich für eine faule Bande halte die man treiben muss, Schülervertreter die behaupten Belastungen, Lernklima u.s.w. wären schlecht geben ein verzerrtes Bild wieder da es sich um die kleine Gruppe der Engagementstreber handelt.

     

    Im Studium ging es weiter, die Krönung das Hauptstudium. 5 Hausarbeiten, 5 Prüfungen und eine Diplomarbeit in 3 Jahren, das System ausgenutzt und nur die geforderten Pflichtveranstaltungen besucht, morgens um 6 ins Bett, davor noch den Busfahrervater gegrüßt der sein Zechenhaus verließ um zur Arbeit zu gehen.

    Schön unter dickem Baföghöchstsatzbezug, mein Vater sagte immer "Euch gehts heute zu gut, uns hat damals keiner gefordert".

     

    Das Bafög wurde sowieso versoffen, verkifft und für sonstige universitätsferne Dinge ausgegeben.

     

    Nein, das muss aufhören, jetzt wo ich im Berufsleben stehe finde ich niemand sollte so lau leben wie ich es tat, das ist ein Schlag ins Gesicht der ehrbaren arbeitenden Bevölkerung.

     

    Und mir soll keiner erzählen die können nicht mehr.

  • NJ
    Nikkei Janssen

    Moment, Sie SIND Bernd Kramer! Sie müssen doch nun zugeben, dass sich Ihre innerhalb eines Zeitrahmens von fünf Tagen veröffentlichten themenähnlichen Artikel inhaltlich etwas im Wege stehen. Das Heraufschießen der Abbrecherquote muss Sie überrascht haben.

  • NJ
    Nikkei Janssen

    Zitat: "Es ist übrigens die gleiche Begleitmusik, die auch die Einführung der verkürzten und verschulteren Bachelor-Studiengänge begleitete. Als ob das Bummelstudium alter Tage nicht viel zu oft zu einem gefrusteten Abbruch geführt hätte." Zu Ihrer Information: nicht einmal fünf Tage nach Veröffentlichung Ihres Artikels befasste sich Ihr Kollege Bernd Kramer mit einer Studie, aus der hervorgeht, dass die Zahl der Studienabbrecher seit der Bologna-Reform in besorgniserregendem Maße zugenommen hat. (nachzulesen http://taz.de/Abbruchquoten-an-Unis-und-FHs/!98832/) Ich als Zweitsemester erlebe dies in meinem unmittelbaren Umfeld hauptsächlich in der Form, dass sich die Handtuchwerfenden als mittelmäßig bezahlte sog. "Animateure" über den Sommer von TUI anwerben lassen, um zB auf Malta Touristen zu bespaßen. Eine Maßnahme, die den Abbrechern nach dem Frust erstmal schnelles Geld verspricht und den Reisekonzernen ermöglicht, das hohe Qualitätsniveau zu halten, welches sie Calmund im Fernseh versprechen lassen. Also doch eher ne traurige Entwicklung mit dem Turbostudium. Nun zum eigentlichen Thema, das Turbo-Abi. Nachdem sich für mich in der zehnten Klasse die stressige Entwicklung abzuzeichnen begann, habe ich in der einzig vernünftigen Form reagiert: Klebenbleiben! Das zusätzliche Jahr ermöglichte mir einen tieferen persönlichen Reifeprozess, der an meinen wirklich hart unter Druck stehenden Mitschülern scheinbar vorbeigegangen ist. Wurde mir sowohl von Autoritäten als auch von Mitschülern bestätigt. Das ist nun auch meine Theorie warum mittlerweile so viele abbrechen. Nachdem die erst zwei Jahre in Leistungskursen durch den Wolf gedreht worden waren, hatten sie nahtlos im Anschluss (siehe Wegfall Wehrpflicht/Zivildienst) die auch unter den Profs konfuse Bologna-Situation zu bewältigen. Aufgeben zugunsten von billiger Arbeit auf äquatornahen Urlaubsinseln scheint da verlockend. Wenn Bildung zu anstrengend wird, hat der Kapitalismus immer einen easy way out. Nur führt dieser in eine "Karriere" am untersten Rand der Dienstleistungsgesellschaft! Überdenken Sie, bitte

  • J
    Jau!

    Wenn Kitakinder einen 8h-Tag (ohne Weg) haben und Arbeitnehmer wegen der unbezahlten Pausen sogar mindestens einen 8,5h-Tag (ohne Weg) haben, dann darf es dazwischen keinesfalls eine Phase geben, durch die Leute auf die Idee kommen könnten, dass es nicht aufgrund von unveränderlichen Naturgesetzen so geregelt ist, dass einfach jeder mindestens einen 8h-Tag hat.

     

    Zeit zum Nachdenken zu haben, das gilt es auf jeden Fall zu unterbinden! in jeder Lebensphase!

  • GL
    Gerda Luise H.s.

    Wie hat Regine Hildebrandt mal so schön gesagt: " Warum brauchen die Wessis 13 Jahre für das Abitur und wir nur 12? Bei den Wessis ist noch ein Jahr Schauspielunterricht dabei" (Der Ossi ist schlau und stellt sich dumm, beim Wessi ist es andersrum :-))

  • T
    Thorben

    Input braucht auch Output.

    Von unseren (Stadt) um die 800 Elftklässleren, waren um die 150 Wiederholer. Fast alle freiwillig. Für den Output. Find ich o.k.

  • NU
    na und

    Dass unter null Freizeit nur Leute leiden, die genügend Kohle haben, um in Ihrer Freizeit welche zu verballern, ist doch nicht Ihr Ernst.

    Wie krank vor Neid muss man sein, um auf einen solchen Gedanken zu kommen?

     

    Weniger Priviligierte finden es genau so zum Kotzen, wenn der Tag durch Pflichten so ausgefüllt ist, dass keine Luft zum Atmen bleibt. Vermutlich werden sie in Ihrer Freizeit nicht jeden Tag ins Kino und zum Tennistraining oder auch nur zur Nachhilfe gehen, aber ihnen wird ja wohl was Anderes einfallen.

     

    Oder hält der Autor die weniger Priviligierten schlicht für viel zu blöd, um auf eigene sinnvolle Ideen zu kommen, wenn man ihnen nicht jede Minute des Tages sagt, was sie zu tun haben?

     

    Vielleicht freuen die sich ja über Zeit für einen Nebenjob, ohne dass die Schule drunter leiden muss? Vielleicht freuen die sich ja über Zeit, in Ruhe Lernstoff zu wiederholen, auch wenn es nicht superdringend für die nächste Klausur ist? Vielleicht haben sie ja ein weniger teures Hobby? Vielleicht haben sie ja gerne mal Zeit für Familie und Freunde? Oder für die berühmte Muße?

    Ach neee, bestimmt nicht.. sind ja nur Minderpriviligierte..

     

    Freiwillig sitzen bleiben konnte und kann man übrigens natürlich schon immer. Man muss es nur konsequent drauf anlegen und wer das will, der macht es auch. Ich wage mal zu vermuten, dass Seehofers Segen so ziemlich das Letzte ist, was ein Schüler dafür braucht..

  • A
    Apfelsaft

    a) Das zwölfjährige Gymnasium wird wunderbar gefolgt vom Bachelor-Master-System. Freiraum für Entfaltung bleibt dort wenig. Meines Erachtens wird man hier wirklich zur Maske der Marktwirtschaft, wie ein Vorredner schrieb.

    Ich selbst hatte 13 Jahre Gymnasium und einen Diplomstudiengang. Ich habe sowohl neben der Schule als auch neben dem Studium noch viele Freizeitaktivitäten durchführen können und wünsche jedem Schüler/Studenten, daß er dies ebenso kann.

     

    Gern wird in dieser Debatte angeführt, daß das zwölfjährige Gymnasium in den neuen Bundesländern schon lange durchgeführt werde und die Schüler damit keine Probleme hätten.

     

    Ich selbst habe in Rheinland-Pfalz das Gymnasium besucht und habe in meiner Abiturphase Abituraufgaben im Fach Französisch aus RLP und Thüringen verglichen (Im Jahr 2002). Es handelte sich jeweils um einen Leistungskurs.

    In RLP sah damals die Aufgabe wie folgt aus: Es war ein Aufsatz zu schreiben mit 3000 Wörtern Inhalt. Dazu musste aus 3 Lektürebüchern der Inhalt detailiert wiedergegeben und interpretiert werden können.

    In Thüringen war ein Aufsatz von 1000 Wörtern gefragt. Die nötigen Lektürebücher durften sämtlich in die Prüfung mitgenommen werden.

     

    Dies empfand ich als Schüler als schlechten Witz.

    Es festigt heute meine Meinung, daß vor dem Anstellen von Vergleichen zwischen Bundesländern bzw. zwischen neuen und alten Bundesländern zunächst ein Zentralabitur eingeführt werden müsste. Dies würde eine bessere Grundlage schaffen zur Überlegung, ob zwölf oder 13 Jahre sinnvoll sind.

  • G
    golm

    Da lässt sich wohl nichts machen, westdeutsche Kinder sind halt dümmer als französische oder ostdeutsche und brauchen deshalb ein Jahr länger fürs Abitur.

  • BE
    Björn Eriksson

    Bummeln ist auch keine Lösung? Meine Erfahrung: beim Bummeln entfaltet sich der Geist, beim Pauken der Wiederkäuer.

     

    Es wäre daher schon viel geholfen, wenn den deutschen Pädagogen die Befugnis zur Einmischung in einen Lehrbetrieb entzogen, und wieder den Lehrern erteilt werden würde. Mit Lehrer meine ich nicht dieses Gros an Vollzugsbeamten, welche Kinder abrichtet, sondern jene, an die man sich auch noch nach Jahrzehnten als Erwachsener zurückerinnert, und sie mit Namen als Beleg für die Behauptung anführt, dass Lehren möglich ist, welcher Unfug den Kultusministerialen und Schulbuchautoren auch immer einfallen möge.

     

    Wenn die Mehrzahl jener Lehrer, welche meine Kinder unterrichten, auch nur die geringste Ahnung hätten, dass der Vater da, in der Elternsprechstunde, den Lehrkörper von der Picke an zwölf Jahre studiert hatte, und – gäbe es darin eine Dissertation – diese sicher summa cum laude abschließe, würden diese erkennen, dass ihr Gehabe, welches sie auch noch in fünf Minuten zu pressen haben, mehr über sie selbst erzählt, als ihnen lieb sein sollte.

  • L
    LKS

    Nur Priviligierte? Warum sollten Arbeiterkinder Freiräume nicht nutzen können? Und sind sie so dankbar, aufs Gymnasium zu dürfen, dass sie eh schon garkeine Freizeit mehr erwarten (dürfen) oder wie?

    (Selbst in der im Artikel vermittelten Klisscheewelt, in der Professorentöchter am Klavier sitzen, spielt das Arbeiterkind doch bestimmt wenigsten Fußball...)

     

    Außerdem kriegen gerade "Bildungsbürger"-Kindern doch intensivere Unterstützung beim Turbo-Abi als die, die als Erstes in ihrer Familie Abi machen.

  • MJ
    margret johannsen

    "Hauruckartig haben die Kultusminister..." - hauruckartig schreibt auch und vor allem bernd kramer. ich zitiere: "auch wenn der professorentochter dann eben weniger zeit für klavierstunden bleibt." das nenne ich ressentimentgeladen, frauenfeindlich und amusisch. aber vielleicht stimmt das letztere nicht. könnte ja sein, das der autor schlagzeug spielt. trommeln lernen die meisten nämlich ohne lehrer/in. sein/e deutschlehre/in scheint zudem versagt zu haben. "...braucht es ein kluges Ganztagskonzept..." wer schreibt denn sowas? ES braucht... es regnet, herr kramer, aber wer was warum braucht, ließe sich schreiben, ohne sina et studio bzw. schaum vor'm mund.

  • J
    Jan

    Angesichts des Artikels und der Kommentare hier frage ich mich, wieso aus den Bundesländern, die schon immer vor allem ein 12jähriges Abi angeboten haben (u.a. Sachsen) nicht viel mehr traumatisierte und benachteiligte, um ihre Kindheit beraubte Berufs- und Studienanfänger hervorgegangen sind.

     

    Im Ernst, mir scheint dieser irrationalen Debatte eine weitverbreitete Angst vor Veränderungen zugrundezuliegen. Klar müssen die Lehrpläne ordentlich angepasst werden. Wenn dem aber so ist, dann sehe ich keinen Grund, warum nicht 12 Schuljahre fürs Abitur genug sein sollten.

     

    Und ja, ich habe Kinder.

  • J
    JohnReed

    Eine solche Argumentationskette, sozusagen aus klassenkämpferischer Sicht, für das Turbo-Abitur habe ich jetzt auch noch nie gehört.

    Die 13 Schuljahre sind kein Luxus, sondern ein sinnvoller pädagogischer Zeitverlauf im Reifeprozess der jungen Leute, da die Schule eben nicht nur eine Wissensvermittlungsanstalt darstellt, sondern auch einen Raum zur sozialen Reifung und Konstituierung der Persönlichkeit bietet.

    Das reine Abrichten der jungen Menschen als marktkonforme Funktionsmasken sollte gerade von linker Seite problematisiert und nicht auch noch unterstützt werden.

  • F
    flo.

    das war also die taz....

    wie sind diese icons eigentlich

    nochmal entstanden?

    hat die alle batman erfunden?

  • H
    Holzwurz

    Den eigentlichen Geburtsfehler der Reform sprechen sie nicht an. die Schulzeit wurde bei gleicher Stofffülle verkürzt. Dadurch ist die Belastung in der Sekundarstufe 1 immens gestiegen. Die 2. Fremdsprache kommt schon in Klasse 6. 28 von 30 Kindern bekommen Nachhilfe, sei es durch die Eltern oder durch bezahlte Nachhilfelehrer. In der Grundschule ist feststellbar, dass viele Eltern die sich diese Nachhilfe nicht zutrauen oder sie sich weder zeitlich noch finanziell leisten können, ihre Kinder trotz Gymnasialempfehlung in der Realschule anmelden. Es trifft also nicht die, die noch eine Musik-, Reit-, Tennis- oder sonstige Förderung erhalten können, sondern die Kinder für die der Autor sich vermeintlich mit der Forderung nach einer Ganztagsschule stark macht. Dabei ist noch anzumerken, dass die Ganztagsbetreuung so wie sie jetzt angeboten wird, auch keine Lösung ist.

    Eine saubere intensive Recherche, statt oberflächlicher Meinungsmache, wäre der Taz angemessener.

  • KJ
    kaputte Jugend

    Der erste Absatz in dem Artikel ist es: es wird eine Kindheit/Jugend zerstört. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts in einem 1/2 Jahr, d.h. die deutsche Geschichte von 33-45 in wenigen Unterrichtsstunden. Die Schule von 8:00 bis z.T. 16:00, zusätzliche Projektarbeit wird am Wochenende gemacht.

    Der wesentliche Geburtsfehler des G8 ist das Beibehalten des Lernstoffes von G9 bei Verkürzung eines Jahres. Ein weiterer, daß durch die Verknappung von Studienplätzen (G8+G9+Ausfall Wehrpflicht) der Berufsstart schwierig wird.

    Danke, Bildungspolitiker

  • S
    Schulkind

    Die bisherigen Kommentare sind allesamt erhellender als der Artikel.

  • S
    Sachse

    Ich frage mich bei all der Diskussion. Warum schafft Sachsen ein Abitur innerhalb von 12 Jahren. Ich durfte es absolvieren und habe mich kein eniziges mal über irgendwas sinnvolles beschwert. All diese kleinkarierten Helikoptereltern, sollen sie doch einfach mal ihr Maul halten, wenn sie keine Ahnung haben und das haben sie weiß Gott nicht.

  • HC
    Hermann Cölfen

    13 Jahre bis zum Abitur = Bummeln? Blödsinn! Und ich kann bei den Kritikern der Verkürzung auf 12 Jahre auch keine "Verklärung", sondern durchaus berechtigte Kritik erkennen. Zudem: Eine weitere Beschleunigung der schulischen Ausbildung bei gleichzeitigem ständigem Pulsmessen (Evaluationen aller Art) und Reformen aller Art nach Launen der jeweils Regierenden - darunter leiden vor allem die "Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern". Statt zu differenzieren langweilt Herr Kramer mit Klischees wie Klavierstunden für Reiche und den Segnungen der Ganztagsschule. Ein Kommentar auf Seite 1 der taz sollte doch deutlich geistreicher sein und eher die erschütternde Konzeptlosigkeit von Politikern anprangern, die dilettantisch und hemmungslos an komplexen Systemen wir der Schulausbildung herumschraubt, ohne die Folgen für die Akteure dieser Systeme zu bedenken.

  • TU
    The User

    „Es braucht ein kluges Ganztagskonzept…“

    Es gibt doch nicht einmal ein kluges Halbtagskonzept, was heißt dann Übergang zum Ganztag? Mehr Zwang, mehr Unfreiheit, mehr Beschäftigung mit in großen Teilen unsinnigen Lehrinhalten, mehr unindividueller Unterricht, kurz: Einfach nur mehr von all dem Dreck, den man an der Schule so findet. Und der Klavierunterricht ist allemal mehr wert als so manches Jahr von so manchem Unterrichtsfach in der Schule. Dass sich den viele nicht leisten können, oder in manchen Fällen nur aus bürgerlicher Eitelkeit den Kindern verschrieben wird, sind ganz andere Probleme.

     

    Den Schülern sollen weiter Möglichkeiten genommen werden, sich privat zu bilden, sozial zu engagieren, selbst zu denken etc., wofür Schule in seiner jetzigen, hiesigen Form eben kein passender Ort ist, sodass man nur noch Schüler hat, die nichts anderes als das mitbekommen haben, was auf absurden Lehrplänen steht, und davon aus Frust auch nur einen Bruchteil.

     

    Und wenn die Unsitten der Schule durch haufenweise Pflichtprogramm dann auch noch auf die Universitäten übertragen werden, soll das gut sein? Bummelstudenten gibt es auch nach Bologna genügend, es wird auch im Bachelor/Master-System niemand gezwungen, viele Veranstaltungen im Semester zu belegen. Aber man nimmt mit Verschulung Möglichkeiten, intensiv eigenen Interessen nachzugehen.

  • S
    saalbert

    Die Ankündigung lautet: "Die Rückkehr vieler Bundesländer zum Abitur nach 13 Jahren ist lässt die Geburtsfehler der Schulzeitverkürzung unbehandelt..." – Ein "ist" gehört da nicht wirklich hin.

  • A
    andredeutsch

    Ihr Kommentar zu der Sache geht meiner Meinung nach vollkommen fehl. Ich war der erste in der Familie mit Abitur. Ich hatte eine Menge anderer familiärer Probleme zu bewältigen, als dass ich dann auch noch Klavierstunden hätte nehmen können. Aber vielleicht wäre es sogar gut gewesen, Klavierstunden zu haben, um meinen emotionalen Problemen einen Ausdruck zu verleihen.

    Nein. Ich habe gewaltig Frühlingserwachen gespielt. Und die Zeit zum Pubertieren habe ich wahrlich gebraucht. Und viele meiner Arbeiterfreundekinder auch.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    Wunderbar, wenn junge Frauen und Männer wieder ihr Abitur nach dem 13. Schuljahr machen können; dann hört hoffentlich auch die Unsitte auf, dass Unis und Studentenwohnheime "Elternabende" veranstalten....

     

    Das 13. Schuljahr diente immer auch der Reifung von jungen Frauen und Männern, sich nach dem Abitur ohne Mama und Papa zu immatrikulieren.

  • H
    hanswurst

    Dass ein solcher Kommentar von der TAZ kommt verwundert doch. Der Autor scheint wohl selbst keine Kinder zu haben die mit dem verkürzten Abitur geplagt sind und sein eigens Abitur wohl noch in "verklärten" Zeiten gemacht zu haben.

    Auch ist der Vorschlag der allheiligmachenden Ganztagsbetreuung im Rahmen einer wirklich freiheitlichen Erziehung äußerts kritisch zu sehen. Eine zum freien Denken befähigende Geisteshaltung wird eben nicht durch den von ihnen der Lächerlichkeit preisgegebenen Musikalität, sondern auch durch eigenverantwortliche Lebens und Freizeitgestaltung erreicht und dazu ist "bummeln" durchaus ein adäquates Mittel. Gerade diese Möglichkeit zur individuellen Entwicklung wird in einem reglementierten Umfeld wie Ganztagsschulen doch nur rudimentär gefördert. Das "Bummeln" keine Lösung ist, nebenbei stellt sich die Frage Lösung wofür, stößt doch arg ins neoliberale Horn der Befürworter von solchen Effizienzkonzepten.

     

    Ich für meinen Teil hoffe das Kinder und Jugendliche wieder genügend Zeit für das Erlernen dieser Fähigkeiten haben, denn ansonsten stirbt der TAZ Leser sicher aus....

  • A
    Arbeiterkind

    Was soll das denn? Gerade Arbeiterkinder profitieren doch oft von einer längeren Schulzeit. Die haben nämlich auch ein Leben neben der Schule. Und wenn da was schief läuft, hilft es, wenn ein bißchen Luft und Zeit da ist, um nach schwierigen Phasen wieder einzuscheren.

     

    Die "Professorentochter" hat viel mehr Unterstützung beim Großprojekt "Leben und Schule gleichzeitig auf die Reihe kriegen", die braucht das Extrajahr viel weniger.

  • EL
    Ernst Lehmann

    Herr Kramer, es geht doch nicht darum, zu "bummeln", um noch die Klavierstunden oder einen Auslands-aufenthalt unterzubringen! Daher macht es überhaupt keinen Sinn, daraus eine Klassenfrage zu stilisieren.

    Vielmehr geht es um drei Dinge:

    1) die verlorene Kindheit

    Kinder und Jugendliche brauchen Freiräume, in denen sie insbeondere nachmittags auch mal unorganisiert spielen, schlafen oder abhängen können.

    2) ineffektives Lernen ohne Pausen

    es ist wissenschaftlich belegt, dass es neben Zeiten des Lernens auch Inaktivitätsphasen geben muss, in denen das Gehirn das Gelernte verarbeitet und dem Langzeitgedächtnis zuführt. Das nachmittägliche Abhängen auf dem Bett und das frühe und ausreichende Schlafen fördert also die Wissensverarbeitung.

    3) ineffektives Gruppenlernen

    Durch die Abschaffung des Frontalunterrichts, der die Schüler sowohl fit in Sachen Konzentrationsfähigkeot gemacht hat, und andererseits durch die Lerndichte Freiräume am Nachmittag geschaffen hat, geraten die Kinder in eine ständige wenn auch niederschwellige Lernsituation, die kaum Freizeit möglich macht, muss doch der halbvergeudete Vormittag durch zusätzliche private oder gemeinsame Lerneinheiten kompensiert werden, die um ein Jahr verkürzte Schulzeit kommt leider da noch obendrauf!

    Erfahrungen in den neuen Bundesländern (mit Frontalunterricht)geben dieser Beobachtung recht.