FLUGHAFEN: Neuer Dreh beim BER
Der Aufsichtsrat bestätigt: Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg am 27. Oktober 2013 und Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro. Germanwatch fordert: Lasst die Nutzer zahlen!
„Es war einfach nur mangelhaft. Ich bin anderes gewohnt“. Horst Amann bemühte sich am Freitagabend nicht, seine Meinung über die Zustände auf der Flughafenbaustelle zu verstecken. Seit Amann am 1. August seinen neuen Job als technischer Geschäftsführer der Flughafengesellschaft in Schönefeld angetreten hatte, spielte niemand im Flughafen-Umfeld dessen Rolle hinunter. „Herr Amanns Auftrag war es, absolut kritisch und schonungslos zu prüfen“, sagte dann auch Berlins Regierender Bürgermeister und Aufsichtsratschef Klaus Wowereit.
Das hat Amann anscheinend getan. Und einen neuen Eröffnungstermin ausgegeben. „Der dicke Terminplaner hat den 27. Oktober 2013 ausgespuckt“, so Amann nach dem Ende der rund siebenstündigen Aufsichtsratssitzung am Freitagabend. Bis dahin sollen vor allem die Probleme bei der Entrauchungsanlage beseitigt sein und auch noch genug Zeit für einen fünfmonatigen Probebetrieb sein. Er persönlich könne zum neuen Termin stehen, versicherte Amann, nachdem er zuvor zahlreiche Mängel des Flughafensprojektes aufgelistet hatte.
Es habe keine valide Planung gegeben, so Amanns Analyse. Das gesamte Berichtswesen sei verloren gegangen, besonders nach oben: „Da mangelt es an Transparenz.“ In der Geschäftsführung wurden nun zwei neue Stabsfunktionen bei der BER-Geschäftsführung eingerichtet: eine für ein Kosten-Controlling und eine weitere als direkter Ansprechpartner für das Bauamt im Kreis Dahme-Spreewald. Dieses ist unter anderem für die Abnahme der Brandschutzanlage zuständig.
Finanzierung weiterhin unklar
Unklar blieb auch nach der Aufsichtsratssitzung, wie genau die Mehrkosten finanziert werden sollen. Flughafengeschäftsführer Rainer Schwarz sagte, dass die Zusatzkosten von 1,17 Milliarden Euro nicht überstiegen würden. „Die Gesellschafterstruktur ist ja klar“, ergänzte Wowereit, „die Finanzierung wird sich nach den Anteilen richten“. Berlins Anteil werde 444 Millionen Euro betragen, bereits am kommenden Dienstag soll der Senat dafür einen Nachtragshaushalt verabschieden, kündigte der Regierende Bürgermeister an.
Weil die klamme Flughafengesellschaft so oder so Gelder der öffentlichen Hand braucht, ist jedoch eine Zustimmung der EU-Kommission nötig. Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, sagte, man sehe der Genehmigung von Beihilfen durch die EU optimistisch entgegen: „Wir waren vor zwei Tagen zur Notifizierung in Brüssel, und die Kollegen dort haben uns Mut gemacht. Der Beihilfekoeffizient ist in Berlin sehr niedrig.“
Einen neuen Vorschlag, wie die horrenden Extrasummen aufgebracht werden sollen, brachte die Nichtregierungsorganisation Germanwatch ins Spiel. Sie forderte am Freitag, die zusätzlichen Summen nicht von den Steuerzahlern, sondern von den künftigen Nutzern des Airports zahlen zu lassen. Das sei nicht nur eine ökologisch, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvolle Gegenfinanzierung.
„Zum einen sollen die Flughafengebühren angehoben werden, um Mehreinnahmen zu generieren, wovon Bund und Länder profitieren“, schlug Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, vor. „Zum anderen ist es dringend erforderlich, den Subventionsabbau im Flugsektor weiter voranzutreiben.“ Jährlich fließen nach Angaben von Germanwatch 11,5 Milliarden Euro öffentliche Zuschüsse in den klimaschädlichen Luftverkehr. Germanwatch fordert zudem, die Luftverkehrssteuer zu erhöhen.
Unterstützung von den Grünen
Unterstützung für den Vorschlag von Germanwatch kam am Freitag von Andreas Otto, dem baupolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion: „Wir sind grundsätzlich für das Verursacherprinzip“, so Otto zur taz. „Eine stärkere Beteiligung der künftigen Nutzer wäre eine Möglichkeit, einen Teil der BER-Mehrkosten zu finanzieren.“ Gleichzeitig warnte er vor einer zu starken Anhebung der Gebühren: „Das könnte die künftigen Reisenden vergraulen.“ Otto ging am Freitag jedoch davon aus, dass es eine Mischung von öffentlichen Krediten und Bürgschaften geben werde, um das Flughafenprojekt zu Ende zu bringen.
Völlig anders bewertet Pirat Martin Delius den Vorschlag von Germanwatch. „Die schon geschädigten Airlines jetzt noch weiter zu belasten, halte ich für blödsinnig“, sagte Delius der taz. „Die Verantwortung liegt bei den Anteilseignern. Die Finanzierung auf die Unternehmen abzuwälzen, wäre eine Frechheit“, so der designierte Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses. Möglicherweise ließe sich aber über eine Beteiligung der Airlines an der Refinanzierung der Darlehen nachdenken, wenn der Flughafen erst einmal in Betrieb sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik an der taz
Wer ist mal links gestartet und heute bürgerlich?
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball