Streit im Bündnis: Grüne dissen Tsipras
In Hamburg bleiben die Grünen der Abschlusskundgebung des Aktionstags "Umfairteilen - Reichtum besteuern" fern - aus Protest gegen den Auftritt des griechischen Oppositionsführers Alexis Tsipras.
HAMBURG taz | Für einen Eklat haben die Grünen beim Aktionstag „Umfairteilen – Reichtum besteuern“ in Hamburg gesorgt: Wegen des Auftritts des griechischen Oppositionsführers Alexis Tsipras blieben sie demonstrativ der Kundgebung fern. Tsipras habe in Griechenland im Wahlkampf mit dem Austritt aus der Euro-Zone gedroht, so der Vorwurf. „Die Ansichten widersprechen unseren europapolitischen Überzeugungen“, sagte die Hamburger Grünen-Chefin Katharina Fegebank.
Eingeladen worden war Tsipras von der Linkspartei, die das Verhalten der Grünen scharf kritisierte: „Die Grünen entlarven sich doch selbst“, sagte Beate Reiss, Linke-Sprecherin aus Hamburg-Altona. „Die Grünen haben uns das ja unter Rot-Grün alles eingebrockt“, sagt Reiss und verweist auf die Agenda 2010 und Hartz-IV. Sie findet es „unverschämt“, dass die Grünen bei der Aktion so prominent mitmachten.
Tsipras sagte dann nichts zu einem Austritt aus dem Euro, sondern wies vielmehr auf die europäischen Zusammenhänge hin: „Das Geld, was den Arbeitern in Deutschland genommen wird, kommt nicht bei den Griechen an, sondern landet bei den bankrotten Banken“, sagte er. Die europäische Politik treibe „das griechische Volk in die Armut“. Die Werktätigen müssten für ein soziales und demokratisches Europa kämpfen.
In Hamburg leben prozentual die meisten Reichen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung.
Die 40 Reichsten besitzen 40 Milliarden Euro - etwa das Vierfache des Jahreshaushalts der Stadt.
Allein Familie Otto, die vermögendste Familie der Stadt, besitzt laut Managermagazin 8,5 Milliarden Euro.
In Hamburg gibt es rund 1.240.000 Beschäftigte, davon arbeiten 340.000 in Mini- und Niedriglohn-Jobs oder in Zeitarbeit.
Rund 35.000 HamburgerInnen müssen ihren Lohn durch staatliche Transferleistungen aufstocken, weil das wenige Geld zum Leben nicht reicht.
Wo sitzt das Geld? Mit einem Durchschnittseinkommen von 150.000 Euro ist das zu den Elbvororten zählende Nienstedten der reichste Stadtteil. In armen Vierteln wie Hamm oder Billstedt liegt es dagegen unter 20.000 Euro.
Zuvor hatten mehr als 7.000 Menschen das Hamburger Rathaus, Handelskammer und Börse sowie einige Filialen von Banken und Versicherungen in der City umzingelt und einen finanzpolitischen Wandel gefordert. Mit Jutesäcken wurde symbolisch Geld gegen die Sparpolitik des Hamburger SPD-Senats gesammelt, das Geld soll den von Armut betroffenen Menschen zugute kommen.
Zu der Aktion hatte ein bundesweites Bündnis aus Sozialverbänden, Gewerkschaften und Globalisierungskritikern aufgerufen. Ihr Ziel: Die Wiedereinführung der Vermögensteuer. „Ich bin sicher, dass wir bald eine Vermögensteuer haben werden“, sagte Klaus Wicher vom Dachverband der Sozialverbände.
Hamburg, die Hauptstadt der Reichen in Deutschland, ist das Zentrum des bundesweiten Protestes für die Wiedereinführung der Vermögensteuer und einer Sozialabgabe– 42.000 Millionäre soll es in der Stadt geben. Gleichzeitig nimmt die soziale Spaltung zu: Rund 200.000 Menschen in Hamburg leben von Hartz-IV – und die Zahl der armen Menschen wächst. Während die reichsten zehn Prozent der Hamburger rund 64 Prozent und die Reichsten 20 Prozent sogar 83 Prozent des gesamten Vermögens besitzen, hat die ärmere Hälfte der HamburgerInnen per Saldo gar nichts – da sich dort, wie Wolfgang Rose und Sönke Klages in ihrem Buch „Armes Reiches Hamburg“ zeigen, Vermögen und Verschuldung die Waage halten.
Wie viel mit einer Vermögenssteuer im reichen Hamburg tatsächlich zu holen ist, lässt sich nur schätzen. Denn seit dem Aussetzen der Vermögenssteuer 1997 werden auch die Vermögenswerte nicht mehr erhoben. Rose und Klages zufolge belief sich das private Vermögen Ende 2010 auf 467 Milliarden Euro – ein Pro-Kopf-Vermögen von 263.000 Euro. Schon bei einem sehr geringen Steuersatz von einem Prozent auf hohe Vermögen könnte die Stadt jährlich eine Milliarde Euro einnehmen.
Kritik an dem Aktionstag hatte es im Vorfeld von der Hamburger Gewerkschaftslinken im „Jour Fix“ gegeben. „Umfairteilen geht nicht – fairer Kapitalismus geht erst recht nicht“, so die These. Gegen Finanzkrise, Schuldenbremse und Spardiktate helfe nur die Vergesellschaftung der Banken.
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