piwik no script img

Debatte Konflikt im KongoSpiel mit dem Feuer

Kommentar von Simone Schlindwein

Die Bemühungen zur Befriedung des Kongo konzentrieren sich darauf, Druck auf Ruanda auszuüben. Das ist kontraproduktiv – und gefährlich.

M23-Rebellen kontrollieren den Ostkongo. UN und Regierung sind machtlos. Die Hoffnungen ruhen nun auf Ruanda. Bild: AP

S obald es abends dunkel wird, sieht man an der Grenze zwischen Kongo und Ruanda Feuer aus dem Kegel des Nyiragongo-Vulkans lodern – ein Symbol. Es brodelt in der Region, und die derzeitige Krise im Osten der Demokratischen Republik Kongo könnte ganz schnell in einen brutalen Krieg münden.

Eine UN-Expertengruppe wirft Ruanda und Uganda vor, hinter der neuen kongolesischen Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) zu stecken, die seit April im Ostkongo unter Führung desertierter Tutsi-Generäle die Regierung herausfordert. Die Beweise sind erdrückend. Doch das trägt nicht zur Konfliktlösung bei.

Den Hebel in Ruanda und Uganda anzusetzen, ist der falsche Weg. Die Intervention der Nachbarländer zugunsten kongolesischer Rebellen ist ein Symptom des Konflikts, nicht die Ursache. Denn solange Kongos Regierungsarmee nicht in der Lage ist, im Osten ihres Landes Stabilität herzustellen, sind eben die Sicherheitsinteressen der Nachbarn gefährdet.

SIMONE SCHLINDWEIN

ist taz-Korrespondentin im Afrika der großen Seen, mit Sitz in Uganda, wo sie seit 2008 lebt. In den letzten Monaten hat sie kontinuierlich über Entstehung und Verlauf des neuen Krieges im Kongo aus der Nähe recherchiert.

Man stelle sich vor, im Elsass würden sich jeden Tag 30 Rebellengruppen die Köpfe einschlagen. 50.000 Flüchtlinge würden sich über den Rhein retten, die Rapsfelder besetzten, den Schwarzwald als Feuerholz abfackeln. Wie würde man in Deutschland reagieren?

Weitere Isolation kontraproduktiv

Es scheint kein Zufall, dass der Entwurf des Abschlussberichts der Gruppe im Oktober ausgerechnet kurz vor der Wahl der neuen nichtständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats in New York „geleaked“ wurde. Wollte jemand verhindern, dass Ruanda ab 2013 Afrika im Sicherheitsrat vertritt? Letztlich ging die Wahl in New York positiv für Ruanda aus – zum Glück. Denn eine weitere Isolation des Kleinstaats wäre kontraproduktiv.

Bereits im Juni hatten die UN-Experten Ruanda beschuldigt, die M23-Rebellen mit Waffen, Munition und Truppen zu unterstützen. Daraufhin strichen die USA einen Teil ihrer Militärhilfe. Mehrere europäische Länder, darunter Deutschland, froren Budgethilfe ein. Noch nie in all den Jahren seit 1996, als zum ersten Mal ruandische Truppen im Kongo eingriffen, stand die Regierung des ruandischen Präsidenten Paul Kagame so unter Druck.

Politisch und vor allem finanziell steht Ruandas Staat jetzt mit dem Rücken zur Wand: Die Wirtschaft sowie das Funktionieren der staatlichen Leistungen hängen am Tropf internationaler Hilfsgelder, die Devisen ins Land spülen. Innerhalb kurzer Zeit wurde in Ruandas Zentralbank das Geld knapp.

Als Alternative legte die Regierung einen Fonds auf, in den jetzt alle Ruander weltweit einzahlen müssen, um ihren Patriotismus zu beweisen. Staatsangestellte haben keine Wahl: Ihre Gehälter wurden automatisch in den Fonds umgeleitet.

Öffentlich würde es niemand zugeben, doch die Ruander sind jetzt sauer. Aber es gibt unter dem autoritären Kagame-Regime kaum Wege, dem Ärger Luft zu machen. Es ist unabsehbar, was geschehen wird, wenn dieser Ärger weiter unter dem Deckel gehalten wird. Kein Wunder, dass sich Ruandas Regierung jetzt als Opfer einer Verschwörung sieht, die weniger ihre Kongopolitik treffen soll als die Stabilität des Regimes.

Ugandas Rolle

Uganda wurde von den UN-Experten ebenfalls beschuldigt, die M23 zu unterstützen. Das löste in Ruanda Jubel aus: Endlich stand man nicht mehr alleine am Pranger. Uganda ist eine militärische Supermacht in der Region und hat mit seinen Truppen Somalia vor radikalen Islamisten bewahrt.

Uganda jetzt ebenfalls anzuklagen ist jedoch ein Spiel mit dem Feuer: Immerhin hat sich Ugandas Präsident Yoweri Museveni – nach 26 Jahren an der Macht sozusagen der Großvater der Region – als Gastgeber mehrerer Kongo-Friedensgipfel der Regionalorganisation ICGLR (Internationale Konferenz der Region der Großen Seen) bemüht, Ruanda, die M23 und Kongos Regierung an einen Verhandlungstisch zu bekommen.

Zwar führte dies bislang nicht zum Erfolg, doch es war ein Versuch – vielleicht der letzte. Denn wenn der politische Ansatz scheitert, werden alle Seiten wieder den militärischen Weg gehen.

Kabilas korrupte Generäle

Was der Kongo dringend braucht, ist eine grundlegende Reform der Armee. Dies ist seit Jahren bekannt. Doch jede Reform wird von mächtigen Generälen blockiert und sabotiert, weil sie dadurch ihre gigantischen Einkünfte im kongolesischen Korruptionssystem verlieren würden. Kongos Präsident Joseph Kabila müsste diesen Milliardären in Uniform den Laufpass geben.

Doch dann droht ihm das, was bereits seinem Vater und Vorgänger zugestoßen ist: eine Kugel im Kopf. Letztlich profitieren vor allem die kongolesischen Offiziere vom Krieg im Osten: Enorme staatliche Ressourcen werden in Militäroperationen gesteckt, und jeder zweigt sich etwas ab.

International wird Ruanda und Uganda vorgeworfen, vom Chaos im Ostkongo zu profitieren – Stichwort Mineralienschmuggel. Die Nachbarn würden aber auch von einem stabilen Ostkongo profitieren. Ruanda bemüht sich um ein positives Investitionsklima.

Das Methangas im Kivu-See an der Grenze zum Kongo könnte, als Energiereserve genutzt, einen Wirtschaftsboom auslösen. Doch solange es rumpelt im Dschungel nebenan, will dort niemand Milliarden investieren. Ähnlich in Uganda, wo entlang der Grenze zum Kongo vielversprechende Ölreserven gefunden wurden.

Pünktlich zum „geleakten“ UN-Bericht haben die Kämpfe im Ostkongo wieder begonnen, und zwar ganz unabhängig von den Nachbarländern. An jeder Ecke haben sich lokale Milizen zur Verteidigung ihrer Ethnien gerüstet. Kinshasa hat die Hoheit über das Gebiet schon lange verloren. Der Ostkongo ist jetzt endgültig unregierbar.

Derweil spukt die Idee von einer unabhängigen Republik Ostkongo herum. Vor Ort werden Tatsachen geschaffen: Die M23 ist dabei, auf ihrem Territorium einen Musterstaat zu errichten. Plakate mit dem Slogan „Wir bekämpfen Korruption“ wurden aufgestellt, Straßen ausgebessert, Bürgersteige angelegt: „Bald wird es hier so aussehen wie in Ruanda“, verspricht die M23-Administration. Weder die UNO noch Kongos Regierung ist in der Lage, diese Entwicklung aufzuhalten. Nur der Dialog mit Ruanda im UN-Sicherheitsrat kann das Ruder noch herumreißen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • M
    magy

    Kabila wird nicht Teile seienr Macht abgeben, er weis genau, das er hintergangen wird, warum sonst wurden seine Generäle Milliardäre.

    Kabila hat doch selbst den Kongo verramscht, besonders wohl an seinen spezieller Freund mit den vielen Diamanten.

    Er läßt seine Generäle wurschteln halten sie ihm doch Unbequeme mit Folter Mord und Totschlag vom Leib siehe Chebeya. Welche Angst muß der Präsident und sein Militärgefolge gehabt haben, das Chebeye bekannt macht was im Kongo so läuft, das er ihn beseitigen ließ bzw. die Mörder Chebeyas nicht verurteilt werden (können).

    Kabila scheint auch kein armer Mann zu sein siehe La fortune de Joseph Kabila évaluée à 15 Milliards de dollars

  • L
    libra12

    Endlich mal ein Kommentar, der die Rolle Ruandas in diesem Konflikt etwas differenzierter betrachtet. Ganz richtig!

     

    Wo ich allerdings nicht so ganz zustimmen kann, ist diese Andeutung, dass Kabila sich fürchten muss vor seinen Generälen und deshalb nicht militärisch durchgreifen kann.

    Denn 1. hätte er doch schon lange die Option gehabt, etwas von seiner Macht und Verantwortung abzugeben und sich damit auch aus der "Gefahrenzone" zu bewegen. Aber schließlich hat er ziemlich viel dazu getan, in dieser Position zu bleiben, die ihm die absolute Macht sichert und ihn abhängig macht von seinen Generälen.

    Zudem ist auch fraglich, ob diese Generäle, die unbedingt an den Fleischtöpfen der Macht bleiben wollen, in diesem Falle so viel gewinnen würden durch einen Mord am Präsidenten. Denn klar, damals war der Sohn da, die Macht zu übernehmen. Wer sagt, dass er nicht selbst diesen Mord an seinem Vater mit initiiert hat? Heute wäre die Situation aber völlig anders. Denn es gibt einen Oppositions-Politiker, der ebenfalls die Macht für sich beansprucht. Und ziemlich sicher ist auch, dass in einem solchen Fall wie dem plötzlichen Tod Kabilas, die internationale Gemeinschaft sich einmischen würde, um zu gewährleisten das nicht das Militär die Macht übernimmt. Die Generäle könnten also heute ganz und gar nicht sicher sein, dass sie vom Tod des Präsidenten profitieren. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass Kabila Angst hat, die Macht zu verlieren, wenn seine Generäle ihn fallen lassen. Denn schließlich sind es immer wieder Uniformierte, die Oppositionelles schikanieren um jeden Widerstand im Keim zu ersticken. So rum wird eher ein Schuh draus. Und letzten Endes ist einfach zu sehen, dass dem Präsidenten die Befindlichkeit der Bürger "seines" Landes herzlich egal ist, solange für ihn die Kasse stimmt und er seine Freunde und Verwandten an den Fleischtöpfen der Macht nähren kann.