Der UN-Inspekteur irrt: In China wird weiter systematisch gequält: Kniefall vor den Folterern
Für den UN-Folterinspekteur war der China-Besuch von Anfang an eine Gratwanderung. Doch an ihrem Ende ist der hoch angesehene Wiener Rechtsprofessor Manfred Novak, der sich zuvor in vielen UN-Missionen bewährte, in Peking hoffnungslos abgestürzt. Folter in China als nicht systemimmanent zu bezeichnen, so wie es Novak gestern tat, gleicht einem Kniefall vor den Folterern.
Novak hat sich vom Pekinger Reformeifer blenden lassen. Natürlich versucht Chinas Regierung heute, willkürliche Folter ihrer Gesetzeshüter dort, wo sie dem Regime nichts nützt, zu bekämpfen. Es gibt ernst gemeinte Aufklärungskampagnen für Polizisten, die nahe legen, dass nicht jeder Beschuldigte auf der Wache verprügelt werden darf. Mehr Transparenz und Rechtssicherheit im gewöhnlichen Strafrechtsprozess – dieses Anliegen kann man Peking nicht absprechen. Es richtet sich gegen eine tief verwurzelte Tradition der chinesischen Rechtspflege, die von der erst seit wenigen Jahren gesetzlich garantierten Unschuldsvermutung jahrhundertelang nichts wusste.
Doch gibt es in China zweierlei Justiz: die für gewöhnliche Straftäter und die für Regimegegner. Erst kürzlich haben ehemalige politische Gefangene der chinesischen Polizeipsychatrien in der taz von ihren Folterqualen berichtet: Sie wurden mit Elektro- und Insulinschocktherapien behandelt, mit starken Psychopharmaka ruhig gestellt, in der Haft geschlagen und gedemütigt. Das hat System. Anders als in Gefängnisse dürfen politische Häftlinge in die Psychiatrie auch ohne Anklage eingewiesen werden. Damit erspart sich das Regime politische Prozesse. Manfred Novak aber bedauerte, dass ihm die Zeit gefehlt habe, auch die Polizeipsychiatrien zu besuchen. Wollte er die politischen Gefangenen bewusst umgehen?
Novak ließ sich in China darauf ein, Gefangene zu interviewen, von denen er nicht einmal ein Bild machen durfte. Einige berichteten ihm von Foltervorfällen. Sie begaben sich damit in Lebensgefahr. Wie will er sie wiederfinden, nachprüfen, dass ihnen nichts passiert? So einfach lassen sich Folterer nicht ihr Handwerk legen. GEORG BLUME
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen