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Kolumne Luft und LiebeSofort aufs Maul

Wie man als Feministin auf blöde Sprüche reagieren sollte. Und wann die beste Pointe nonverbal ist.

Gleich aufs Maul oder doch mal anders reagieren? Bild: froodmat / photocase.com

A m liebsten würde ich jede Kolumne mit dem Wort „Ich“ anfangen, mit einem schönen, fetten Ich, damit alle gleich wissen, um wen es geht. Ich darf aber nicht. Nicht weil die Redaktion meine Egomanie ausbremsen möchte oder weil in einer seriösen Zeitung einfach nicht so oft „Ich“ stehen sollte, sondern weil es scheiße aussieht. Angeblich. Es sieht scheiße aus, wenn der Text mit einem großen I anfängt, hat der Ressortleiter gesagt, deswegen darf ich nicht mit „Ich“ anfangen. (Schlechtes Argument übrigens. Breivik sah auch scheiße aus und es gab ständig Fotos von ihm in der Zeitung.)

Ist aber vielleicht auch ganz gut so, wenn ich persönlich nicht ganz so im Mittelpunkt stehe. Neulich erzählte ich meiner Freundin L., wie mein Nachbar reagierte, nachdem er ein paar Kolumnen von mir gelesen hatte. „Toll“, sagte er, „ich finde das ja spannend, wenn so eine junge Frau Feministin ist. Man kennt ja sonst nur Alice Schwarzer.“

„Äh, na ja“, sagte ich, „je nachdem, wie viel man sich damit beschäftigt, kennt man manchmal auch noch mehr.“ „Und?“, fragte er mich. „Shaved, trimmed, or natural?“ Ich verstand ihn erst gar nicht: „Bitte?“ – „Bist du rasiert?“ – „Was soll die Scheißfrage?“ sagte ich. „Aber, okay, weil du es bist: Jetzt im Winter mach ich nur den Bauch und die Brüste. Den Rücken lasse ich so, wegen der Wärme.“ Und dann lächelte ich so süß ich konnte und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

privat
MARGARETE STOKOWSKI

ist Autorin der taz.

Er entschuldigte sich ein paar Tage später für seine Frage bei mir. „Sorry. Ich sehe ein, dass das unhöflich war, irgendwie“, sagte er. „Verbal übergriffig nennt man das“, sagte ich, „und pervers noch dazu.“ „Ist aber auch kompliziert, da nicht ins Fettnäpfchen zu treten, weißt du? Ich meine, Feminismus ist für Männer schon anstrengend.“ „Glaub mir“, antwortete ich, „für Frauen auch.“

„Und wenn er fragt, warum, dann gleich nochmal“

Jedenfalls erzählte ich also diese Geschichte meiner Freundin L. Sie war entsetzt. „Was? Viel zu soft reagiert. Wer so was fragt, der kriegt sofort aufs Maul!“, rief sie. „Und wenn er fragt, warum, dann gleich noch mal!“

„Meine liebe L.“, sagte ich, „du glaubst nicht wirklich, dass ich jahrelang Philosophie, Soziologie und Politik studiert habe und dazu einen Haufen Sprach- und Rhetorik- und was weiß ich für Kurse besucht hab, um Leuten, die etwas Blödes sagen, dann einfach auf die Fresse zu geben?“ „Nö“, sagte L., „aber ich habe Literaturwissenschaft studiert, um dir sagen zu können, dass die besten Geschichten so enden.“

„Wie, so?“, fragte ich. „Mit Gewalt?“ „Nein“, sagte L., „Quatsch. Mit etwas Unerwartetem.“ „Ich kannte mal eine“, sagte ich zu L., „also eine Exfreundin von mir, die hat Kickboxen gemacht, und wenn ihr einer blöd kam, dann hat die dem schon mal eine runtergehauen, zack.“ „Nee“, sagte L., „das ist ja wieder langweilig. Eine Kickboxerin, die zuschlägt – keine gute Pointe.“

Vermutlich hat L. recht. Ich reagiere zu verbal. Beispiel Nazijägerin Beate Klarsfeld: Über die kenne ich nur wenige Anekdoten über Gespräche. Aber die Geschichte mit der Ohrfeige für Kurt Georg Kiesinger kennen alle. Schon cool. Aber auch nicht ungefährlich. Kiesinger ist 20 Jahre später gestorben. Das wünscht man dann doch keinem.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
Margarete Stokowski
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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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12 Kommentare

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  • JM
    Jan Moewes

    An "Stil": Daran, dass du alles verstanden hast, sieht man doch, dass es wohl eins ist.

    An Margarete: Warum lerne ich dich erst heute kennen? Ich war ja schon immer für Feminismus, aber den von vor einer Generation fand ich eher ein Unglück. Und den sehe ich bei dir gar nicht. Selbstbewusstsein allein ist doch noch keine Kriegserklärung! Ich les´ jetzt noch drei, und dann bis nächste Woche. Danke.

  • V
    vic

    Margarete, Perlen vor die Säue...

  • T
    tazitus

    Immerhin liest der Nachbar taz. Oder gibt es "Luft und Liebe" noch woanders?

  • S
    Stil

    "Scheiße" ist kein Adjektiv.

  • B
    Blaubarschbube

    „Nö“, sagte L., „aber ich habe Literaturwissenschaft studiert, um dir sagen zu können, dass die besten Geschichten so enden.“

    „Wie, so?“, fragte ich. „Mit Gewalt?“ „Nein“, sagte L., „Quatsch. Mit etwas Unerwartetem.“

     

    Was bitte ist denn am Ende von "Shades of Gray" unerwartet? Zumal es dort die ganze Zeit ordentlich "aufs Maul" gibt.

  • H
    hwester

    Jahrelang studiert und leider nichts gelernt. Was hier konstruiert wird ist eine weitere Genehmigung für Gewaltanwendung nur weil sich das eigene Argument, die eigene Weltkonstruktion partout nicht durchsetzen will. Neu ist der Irrtum nicht, die Parole "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht" soll aber jetzt schon für den als unangemessen empfundenen Smaltalk im Treppenhaus ein ekörperliche Gewaltanwendung legitimieren. Offensichtlich gibt es im Leben der Autorin tatsächlich ein paar "Ich" zuviel.

  • R
    ReVolte

    "Ich meine, Feminismus ist für Männer schon anstrengend.“ „Glaub mir“, antwortete ich, „für Frauen auch.“

     

    Ach nee, Girlsday zu anstrengend? Wo es doch wie gewöhnlich - um nicht stereotyp zu sagen - nur für Germanistik und Soziologie reicht. Mir kommen die Tränen. Zumal, welche Anstrengung ist denn für Frau mit der Quotensänfte ins Büro verbunden? Oder mit in die Bundeswehr dürfen nicht müssen? Oder mit "positiver Diskriminierung" vom Vater Staat, da wo es den Ladies genehm ist?

    Oder oder oder...

  • A
    alex

    Also die impertinente Frage von dem Herrn Nachbarn würde ich jetzt nicht mit "15Jahre den Faschismus unterstützen" gleichsetzen... Also entweder der Nachbar hat keine Backpfeife verdient oder Kiesinger ist zu gut davongekommen. Mich würde übrigens interessieren, ob der Fragende zur Sommer- und/oder Winterzeit auch Intimrasuren an sich selbst vornimmt, vielleicht wollte er nur einen Rat bezüglich Hautirritationen.

  • E
    Ezek

    Die Frage "Shaved, trimmed, or natural?" ist vielleicht dreist, unangebracht, von gerimgem Feingefühl. Aber irgendwie doch Geschlechtsneutral. Man kann doch nicht Leuten wegen schlechtem Geschmack auf die fresse hauen. Alleine darüber nachzudenken ist doch krank!

  • H
    Hans

    Also irgendwie fehlt mir in diesem wischi-waschi Beitrag die Aussage. Die Autorin ist also Feministin und ein böser Teil von Ihr würd den misogynen Jungs gern mal eins in die Fresse haun. Aha. Irgendwie folgen viele online Artikel dem Motto: "Schreib mal was, aber schnell, muss auch nicht fundiert sind".

  • C
    cyctologie

    Ich hoffe, Ich habe die kolumne nicht verstanden.

  • F
    Frank

    Ach ja, wenn ein dummer Mann einen dummen Spruch macht, ist es "übergriffig".

     

    Bei einer Frau wäre es vermutlich nur ein dummer Spruch, wenn nicht sogar ein Ausdruck von Stärke.

     

    So etwa wie es ein Ausdruck von allerallerprimitivstem Sexismus wäre, wenn Männer einen großen Pimmel auf eine Zeitungsseite drucken würden - aber ein Ausdruck von Feminismus, wenn Frauen das Gleiche in der taz mit einer Vulva tun.

     

    Schön, dass man bei diesem Selbstverständnis ganz ungeniert darüber lamentieren kann, ob man einem Mann für einen dummen Spruch mal einfach so in die Fresse hauen könnte.

     

    Haben Sie mal drüber nachgedacht, was hier los wäre, wenn ein Zeitungskolumnist schrieb, er würde künftig allen Frauen, die dumme Sprüche mache (Ja, Frau Stokowski - es gibt solche Frauen) eine ins Maul hauen?