Kolumne Luft und Liebe: Sofort aufs Maul
Wie man als Feministin auf blöde Sprüche reagieren sollte. Und wann die beste Pointe nonverbal ist.
A m liebsten würde ich jede Kolumne mit dem Wort „Ich“ anfangen, mit einem schönen, fetten Ich, damit alle gleich wissen, um wen es geht. Ich darf aber nicht. Nicht weil die Redaktion meine Egomanie ausbremsen möchte oder weil in einer seriösen Zeitung einfach nicht so oft „Ich“ stehen sollte, sondern weil es scheiße aussieht. Angeblich. Es sieht scheiße aus, wenn der Text mit einem großen I anfängt, hat der Ressortleiter gesagt, deswegen darf ich nicht mit „Ich“ anfangen. (Schlechtes Argument übrigens. Breivik sah auch scheiße aus und es gab ständig Fotos von ihm in der Zeitung.)
Ist aber vielleicht auch ganz gut so, wenn ich persönlich nicht ganz so im Mittelpunkt stehe. Neulich erzählte ich meiner Freundin L., wie mein Nachbar reagierte, nachdem er ein paar Kolumnen von mir gelesen hatte. „Toll“, sagte er, „ich finde das ja spannend, wenn so eine junge Frau Feministin ist. Man kennt ja sonst nur Alice Schwarzer.“
„Äh, na ja“, sagte ich, „je nachdem, wie viel man sich damit beschäftigt, kennt man manchmal auch noch mehr.“ „Und?“, fragte er mich. „Shaved, trimmed, or natural?“ Ich verstand ihn erst gar nicht: „Bitte?“ – „Bist du rasiert?“ – „Was soll die Scheißfrage?“ sagte ich. „Aber, okay, weil du es bist: Jetzt im Winter mach ich nur den Bauch und die Brüste. Den Rücken lasse ich so, wegen der Wärme.“ Und dann lächelte ich so süß ich konnte und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
ist Autorin der taz.
Er entschuldigte sich ein paar Tage später für seine Frage bei mir. „Sorry. Ich sehe ein, dass das unhöflich war, irgendwie“, sagte er. „Verbal übergriffig nennt man das“, sagte ich, „und pervers noch dazu.“ „Ist aber auch kompliziert, da nicht ins Fettnäpfchen zu treten, weißt du? Ich meine, Feminismus ist für Männer schon anstrengend.“ „Glaub mir“, antwortete ich, „für Frauen auch.“
„Und wenn er fragt, warum, dann gleich nochmal“
Jedenfalls erzählte ich also diese Geschichte meiner Freundin L. Sie war entsetzt. „Was? Viel zu soft reagiert. Wer so was fragt, der kriegt sofort aufs Maul!“, rief sie. „Und wenn er fragt, warum, dann gleich noch mal!“
„Meine liebe L.“, sagte ich, „du glaubst nicht wirklich, dass ich jahrelang Philosophie, Soziologie und Politik studiert habe und dazu einen Haufen Sprach- und Rhetorik- und was weiß ich für Kurse besucht hab, um Leuten, die etwas Blödes sagen, dann einfach auf die Fresse zu geben?“ „Nö“, sagte L., „aber ich habe Literaturwissenschaft studiert, um dir sagen zu können, dass die besten Geschichten so enden.“
„Wie, so?“, fragte ich. „Mit Gewalt?“ „Nein“, sagte L., „Quatsch. Mit etwas Unerwartetem.“ „Ich kannte mal eine“, sagte ich zu L., „also eine Exfreundin von mir, die hat Kickboxen gemacht, und wenn ihr einer blöd kam, dann hat die dem schon mal eine runtergehauen, zack.“ „Nee“, sagte L., „das ist ja wieder langweilig. Eine Kickboxerin, die zuschlägt – keine gute Pointe.“
Vermutlich hat L. recht. Ich reagiere zu verbal. Beispiel Nazijägerin Beate Klarsfeld: Über die kenne ich nur wenige Anekdoten über Gespräche. Aber die Geschichte mit der Ohrfeige für Kurt Georg Kiesinger kennen alle. Schon cool. Aber auch nicht ungefährlich. Kiesinger ist 20 Jahre später gestorben. Das wünscht man dann doch keinem.
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