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Kaum Chancen für die zweite Generation

Kinder von Zuwanderern finden in Deutschland schwerer einen Job als in jedem anderen europäischen Land außer Österreich. OECD-Experten machen das deutsche Schulsystem dafür verantwortlich: Sprache des Elternhauses entscheidet über den Erfolg

AUS BERLIN JAN PFAFF

Einwanderer kommen meist mit der Hoffnung, dass ihre Kinder es einmal besser haben werden. Aber gerade für die zweite Generation ist es hierzulande besonders schwer, einen Job zu finden. Im europäischen Vergleich gibt es nur in Österreich schlechtere Berufschancen für Zuwandererkinder. Sogar Frankreich schneidet besser ab, am allerbesten gelingt die Integration in Schweden. Das zeigt eine Studie, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gestern vorstellte.

Als Erklärung nannte OECD-Referent Thomas Liebig vor allem das deutsche Bildungssystem. „Pisa hat gezeigt, dass deutsche Schulen sozial besonders ungerecht sind“, sagte Liebig. „In keinem anderen Land hat die Sprache des Elternhauses einen größeren Einfluss auf die Schulleistungen.“ So verlassen dreimal mehr Jugendliche mit Migrationshintergund die Schule ohne Abschluss als bei den deutschen Altersgenossen. „Der niedrige Bildungshintergrund könnte aber für Arbeitgeber auch als Schleier dienen, um dahinter diskriminierende Einstellungen zu verbergen“, warnte Liebig.

Mit gezielter Sprachförderung bereits im Kindergarten will die neue Ausländerbeauftragte Maria Böhmer (CDU) die Integration verbessern. Mit fünf Jahren sollen die Kinder einen Sprachtest absolvieren, um bei Defiziten möglichst früh eine Förderung zu bekommen.

„Die Kleinen müssen ab dem ersten Schultag so gut Deutsch können, dass sie dem Unterricht folgen können“, sagte Böhmer. „Sonst haben sie keine Chance.“ Zudem sollen die Möglichkeiten zur Nachqualifikation für Migrantenkinder verbessert werden, die die Schule ohne Abschluss verlassen.

Insgesamt landet Deutschland bei der Integrationvon Zuwanderern auf dem Arbeitsmarkt im OECD-Mittelfeld. Aber die Arbeitsmarktlage hat sich für Zuwanderer seit Anfang der Neunzigerjahre zunehmend verschlechtert. Die anhaltende Wirtschaftskrise trifft Migranten härter als Deutsche.

Besonders auffällig ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den Spätaussiedlern. So ist die Erwerbsquote bei den männlichen Spätaussiedlern seit 1992 um knapp 20 Prozentpunkte gesunken. „Schuld daran ist zum einen die wirtschaftliche Lage, die zu einem immer geringeren Bedarf an niedrig qualifizierten Kräften führt“, sagte Liebich.

Die OECD-Studie zeige aber auch, dass die Integrationsmaßnahmen bisher nicht besonders effizient seien. „Statt in langen Sprachkursen Zuwanderern Deutsch grundlegend beizubringen, wäre es besser, berufsbezogene Sprachkurse anzubieten“, sagte Liebich.

In Schweden habe man mit berufsvorbereitenden Kursen und einer möglichst frühen Integration in den Arbeitsmarkt gute Erfahrungen gemacht. „Das ist wichtiger als ausgiebige Sprachkurse.“ Deutschland müsse dringend seine einzelnen Integrationsmaßnahmen evaluieren und besser miteinander vernetzen, rät die OECD.

Auch bei den türkischen Migranten ist seit 1992 die Zahl der Erwerbslosen stark angestiegen. Laut OECD-Studie liegt das daran, dass von den zugewanderten Türken viele in Berufen arbeiteten, die besonders stark vom Strukturwandel betroffen sind.

Die OECD fordert, dass Deutschland seine Statistiken umstellen muss, da Migranten bisher ausschließlich anhand der nichtdeutschen Nationalität definiert werden. „Das wird der Wirklichkeit aber längst nicht mehr gerecht“, sagte Liebig. „Wir wissen deshalb fast nichts über die Integrationsprobleme einer wachsenden Zahl von Migranten mit deutscher Staatsbürgerschaft.“ Schließlich sei ein deutscher Pass noch lange keine Garantie für Integration.

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