Unterbringung im Heim: Strittige Geschäftsgeheimnisse
Senat verweigert Informationen über Kosten der Haasenburg, weil das dem Träger schaden könnte. Landesvorsitzender der Linken beruft sich auf das Transparenzgesetz.
Hamburger Abgeordnete erhalten vom Senat keine Auskunft mehr über Kostensätze oder Personalschlüssel freier Träger. Das kam jetzt über eine Anfrage der Grünen zur Unterbringung von 15 Hamburger Jugendlichen in der brandenburgischen Haasenburg GmbH ans Licht. Begründung: diese Angaben unterlägen als „Geschäftsgeheimnis“ des Trägers dem Sozialdatenschutz.
Das ist neu. Noch im Mai hat der Senat eine Anfrage nach den Kostensätzen der Heimfirma beantwortet, die der FPD-Politiker Finn-Ole Ritter stellte, nachdem das ZDF-Magazin „Frontal 21“ von deren Gewinnen berichtete. Es kam heraus, dass die damaligen Tagessätze von 373 Euro etwa 20 Prozent über denen vergleichbarer Heime liegen, so Ritter.
Geheimniskrämerei
Das ist im Monat weit mehr als die rund 7.000 Euro, die der „Neukirchner Erziehungsverein“ für die Betreuung des elfjährigen Jeremie in einem Zirkusprojekt in Rechnung stellte. Anwalt beider Träger ist Christian Bernzen. Der taz liegt die Kopie eines Schreibens vor, dass dieser am 7. Dezember im Auftrag des Erziehungsvereins an Senatskanzlei-Chef Christoph Krupp schickte. Darin verlangt der Jurist vom Senat, „keine Antwort zu geben, mit denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unserer Mandantschaft mitgeteilt werden“.
Auf Intervention eines Trägers hin habe der Senat die bisherige Antwort-Praxis geprüft, berichtet Sozialbehördensprecherin Nicole Serocka. Künftig zählten die Kosten aller freien Träger als Geschäftsgeheimnis. Ließen sie doch Schlüsse über Umsätze zu und seien geeignet, „die Wettbewerbsposition des Trägers nachteilig zu beeinflussen“.
In der Antwort zur Haasenburg verweist der Senat auf das Sozialgeheimnis gemäß Paragraf 35 des ersten Sozialgesetzbuchs (SGB) und auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus 2009. Erhellend ist diese nicht. In einem Fall ging es um die Kaffeeproduktion, in dem anderen um Subventionen. Beide Male entschieden die Richter für die Informationsfreigabe.
Christiane Blömeke (Grüne) will die Abfuhr nicht hinnehmen und sich an die Bürgerschaftspräsidentin wenden: „Wir brauchen diese Informationen für unsere parlamentarische Kontrollarbeit.“ Und FDP-Mann Ritter nennt es „erstaunlich“, dass der Senat nun die vor Kurzem gegebenen Antworten ablehne.
Auskunft zur Haasenburg verlangt auch der Landesvorsitzender Linken, Bela Rogalla. Ihm liegen Verträge von 2010 vor, die nach Aussagen von Anwälten die mit dem „Familieninterventionsteam“ (FIT) kooperierenden Amtsvormünder mit der Haasenburg abgeschlossen haben. Rogalla beruft sich nun auf das neue Transparenzgesetz und verlangt vom Amt für Familie den aktuellen Betreuungsvertrag.
„Ich will wissen, ob dort nach wie vor das autoritäre Konzept sowie erhebliche Grundrechtseingriffe vereinbart werden“, sagt Rogalla. Amtsleiter Uwe Riez wies den Anspruch zurück und schrieb Rogalla, „dass weder das FIT noch die Amtsvormünder im Zusammenhang mit der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in der Haasenburg Verträge abschließen“.
Anspruch auf Auskunft
Doch auf taz-Nachfrage räumt Sprecherin Serocka ein, dass es privatrechtliche Betreuungsverträge gibt. Nur seien diese „nicht zwingend nötig“. In wie vielen Fällen Amtsvormünder diese unterzeichnet hätten, wäre über die Ferientage nicht zu klären.
Rogalla hat sich mittlerweile beim Datenschutzbeauftragen rückversichert, dass er doch einen Auskunftsanspruch hat. Er verlangt von der Sozialbehörde alle die Haasenburg betreffenden Informationen. Das erst im Oktober verabschiedete Transparenzgesetz kenne kein Geschäftsgeheimnis für freie Träger, sagt Rogalla. Der entsprechende Passus aus dem SGB I „gilt nicht“, heißt es dort in Paragraf 7. „Wollen Parlamentarier etwas wissen, können sie es als Bürger versuchen“, sagte Rogalla.
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