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Der FortsetzungsromKapitel 10: Bedingt abwehrbereit

Was bisher geschah: Obwohl es der Supervisor verboten hat, feiern Jenny und die Blipiden zusammen Silvester.

Sie haben wild Silvester gefeiert. Bild: dpa

„Wie kann man einen Hund nur darauf dressieren, Feuerwerksraketen zu apportieren?“ Jenny schüttelte den Kopf, während vor ihr Major Canis über die Wiesen des Viktoria-Parks hopste. Er schnüffelte an einem abgebrannten Knallfrosch.

„Major Canis ist kein Hund, er ist ein Kampfroboter“, sagte Heidi-Oma. „Sein Zufallsgenerator gestattet ihm ein gewisses Maß an Verspieltheit.“

Die Blipiden und Jenny hatten den Jahreswechsel am Schinkel-Denkmal verbracht, umgeben von sektseligen und böllergeilen Kreuzbergern. Jetzt spazierten sie durch fahl erleuchteten Park.

„Wann ist bei euch denn Neujahr?“ Jennys Frage war an Reto gerichtet.

„Uns ist das zirkuläre Zeitverständnis fremd“, erwiderte der Erste Maat. „Unsere Zeiteinheit ist die Sonnenzuckung. Je schneller die Sonne zuckt, desto lebendiger geht es auf unserem Planeten zu. Und das geht immer so weiter. Blip Blip Blip.“

„Und das Leben? Dein Geburtstag?“, fragte Jenny.

„Unser Leben ist ein Set, ein DJ-Set. Wir tanzen bis zum Ende im Puls der Sonne. Deswegen kommen unsere Augen mit den Lichtverhältnissen hier nicht zurecht.“

„Die Helotin darf nichts über unsere Lebensform erfahren“, mischte Professor Median sich ein. Oben beim Denkmal hatte er sein Clipboard keine Sekunde abgesetzt. Jenny sah Blätter, die mit Parabeln und Formeln übersät waren. Der Wissenschaftler sagte: „Dieser primitive Planet tut gut daran, regelmäßige Luftschutzübungen abzuhalten. Jeder könnte hier einfallen und die Marshmallow-Minen plündern.“ Er warf einen Blick auf sein Clipboard: „Bedingt abwehrbereit, bestenfalls.“

„Wo sind die Minen genau?“, fragte Professor Median, der Reste von Feuerwerkskörpern einsammelte. Er sprang zur Seite, als ihm ein Dreijähriger einen Kanonenschlag zwischen die Beine warf und kichernd im Gebüsch verschwand.

„Es gib hier keine Marshmallow-Minen“, sagte Jenny.

„An deiner Stelle würde ich auch lügen, Helotin“, sagte Heidi-Oma.

„Ich heiße Jenny und bin keine Helotin. Und ihr heißt bestimmt nicht Heidi-Oma, Reto, Median und Phäno. Das sind eure beknackten Tarnnamen für euer Röstirestaurant.“

„Fondue“, sagte Reto. Er räusperte sich: „Aber du hast recht. In Wirklichkeit heiße ich C2H5OH.“

Jenny legte den Kopf schief. „Ein Name, der auf der Zunge zergeht.“ Reto blinzelte. Jenny fragte: „Und Heidi-Oma?“

„Ich bin FP Chi.“ Der Anführer der Blipiden nestelte an seinem Dutt herum.

Jenny fragte: „Und ihr Laborkittel? Wer hat euch Phäno und Median aufs Auge gedrückt?“

„Wir heißen wirklich so“, sagte Professor Phäno. „Wir hatten auch Tarnnamen, aber die haben wir vergessen, als du plötzlich aufgetaucht bist.“

Jenny räusperte. „Na ja, Phäno ist jedenfalls phänomenal ausgefallen. Und Median ist beinahe überdurchschnittlich individuell.“

Die beiden Wissenschaftler sahen zu Boden.

Jenny holte Luft: „Professor Phäno, Professor Median. Ganz persönlich als Eingeborene des Planten R-D, ferner im Namen der gesamten Milchstraße möchte ich Sie für diesen flagranten Angriff auf Ihre Integrität als Wissenschaftler und Ihre Menschen-, äh Blipidenwürde um Verzeihung bitten.“

„Entschuldigung akzeptiert, Helo … Jenny“, murmelte Professor Median.

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