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„Verkapptes Sparprogramm“

Ein Erziehungshilfe-Träger verklagt die Stadt

Michael Kolle

■ 44, ist Sozialpädagoge und Geschäftsführer der Miko Kinder- und Jugendhilfe, die Hilfen zur Erziehung leistet

taz: Herr Kolle, die Stadt Hamburg bietet seit einem Jahr neue Sozialräumliche Hilfen und Angebote an. Warum klagen Sie dagegen?

Michael Kolle: Weil diese Hilfen nur ein verkapptes Sparprogramm sind. Der Senat will die Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung reduzieren – in einer Situation, in der die Bedarfe wachsen, weil es steigende Armut und mehr Überforderung der Familien gibt. Unter dem Vorwand, man wolle Prävention ausbauen, werden hier Projekte geschaffen, die Hilfen zur Erziehung durch billigere Angebote ersetzen. Dabei haben Familien einen Rechtsanspruch auf Einzelfallhilfe.

Sie bieten selber Hilfen zur Erziehung an und klagen wegen der Einschränkung Ihrer Berufsfreiheit. Geht es Ihnen schlicht um Ihren Verdienst?

Es geht auch um die Existenz meines Unternehmens und die Sicherung von Arbeitsplätzen, natürlich. Die wird durch die Berufsfreiheit des Grundgesetzes geschützt, das klage ich ein. Mir wäre es übrigens lieber, wenn das Grundgesetz das Sozialstaatsgebot so schützen würde, dass jeder Bürger gegen Vorhaben wie die Hamburger Reform effektiv klagen könnte. Dies ist leider nicht der Fall.

Was passiert heute vor Gericht?

Es gibt die erste Anhörung. Wir sagen, dass der Sozialbehörde die rechtliche Grundlage für diese Art der Spar-Reform fehlt und haben dafür ein Gutachten des Rechtsprofessors Knut Hinrichs eingeholt. Der Senat wird seine Sicht darstellen. Wie bald es eine Entscheidung gibt, ist offen.

Wenn Sie gewinnen, müssen dann Projekte für Sozialräumliche Hilfen ihre Arbeit beenden?

Nein, sie könnten weiterhin ihre Beratungs- und Projektarbeit durchführen, aber nicht mehr die Einzelfallhilfen. Die blieben Aufgabe der Träger von Hilfen zur Erziehung.  Interview: KAJ

Verhandlung: 8.45 Uhr, Verwaltungsgericht, Lübecker Tordamm 4, Saal 3.01., 3 OG

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