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Streik der Lehrer in Berlin„Irgendwann kracht es dann“

Rund 1.000 Lehrer haben zwei Tage gestreikt für eine Angleichung der Bezahlung von Angestellten und Beamten. Er fühle sich diskriminiert, so Konrektor Herrera.

Streikende Lehrkräfte vor einer Schule in Mitte am Donnerstag. Bild: dpa
Interview von Susanne Memarnia

taz: Herr Herrera, warum streiken Sie an Ihrer Schule?

Raúl Herrera: Weil wir uns seit 20 Jahren diskriminiert fühlen. Wir sind Europaschullehrer, nicht verbeamtet und verdienen noch weniger als die normalen Angestellten, weil wir woanders studiert haben oder keine Deutschen sind. Ich zum Beispiel bin Konrektor, aber ich bekomme meine Amtszulage nicht, die in dieser Position eigentlich fällig ist, weil ich kein Beamter bin.

Können Sie beziffern, wie viel weniger Sie verdienen?

Im Vergleich zu einem einfachen Beamten verdienen wir zwischen 800 und 1.000 Euro weniger im Monat. Bei einem Beamten in meiner Position ist es noch mehr.

Und im Vergleich zu einem Angestellten?

Raúl Herrera

53, hat in Chile studiert und an der FU promoviert und ist Spanischlehrer an der Joan-Miró-Grundschule in Charlottenburg-Wilmersdorf.

Berliner Lehrer können sich mit kurzen Abstechern in andere Bundesländer künftig keinen Beamtenstatus mehr verschaffen. Ab 2014 behalten Lehrkräfte, die nach Berlin kommen, nur dann ihren Beamtenstatus, wenn sie mindestens fünf Jahre verbeamtet sind, erklärte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag. Bislang wurden Neuzugänge in Berlin auch als Beamte übernommen, wenn sie nur kurz in anderen Bundesländern gearbeitet hatten. Ansonsten werden Lehrer in Berlin nur angestellt.

Aus Protest gegen Letzteres - und damit gegen die ungleiche Bezahlung - hatten rund 1.000 angestellte Lehrer am Mittwoch und Donnerstag zeitweise die Arbeit niedergelegt. Sie wollen erreichen, dass ihre Einkünfte an die der verbeamteten Kollegen angepasst werden. Berlin verbeamtet Lehrer seit 2003 nicht mehr.

Ebenfalls neu geregelt werden soll, dass verbeamtete Lehrer, die wegen Familienzusammenführung nach Berlin wechseln, ab 2014 keine Ausgleichszulage mehr erhalten. Diese Zulage gleicht die Differenz zur höheren Besoldung in anderen Bundesländern aus. Das gelte aber nicht bei dienstlichen Versetzungen. (dapd, dpa)

Ich, der 30 Jahre Berufserfahrung hat und seit 13 Jahren Konrektor ist, verdiene etwa so viel wie ein junger Angestellter.

Wie viele Lehrer an Ihrer Schule sind denn im Streik?

Etwa 25 bis 30. Die Mehrheit ist ja verbeamtet. Hier arbeiten also Menschen zusammen, deren Lohn für die gleiche Arbeit bis zu 1.500 Euro differiert.

Was sagen Ihre verbeamteten KollegInnen dazu? Verstehen die Ihren Streik oder sind sie sauer, weil sie jetzt Mehrarbeit haben?

Es gibt solche und solche. Es ist ja auch ein Problem, dass die Beamten nicht streiken dürfen. Die Kinder werden von den Beamtenlehrern auch dann unterrichtet und betreut, wenn wir Angestellte streiken. Daher gibt es keinen Druck. Die Stadt, die Eltern merken unseren Streik gar nicht. Aber wir arbeiten jeden Tag von Montag bis Freitag und manchmal, wir bei mir, mehr als zehn Stunden am Tag – und bekommen trotzdem weniger als die Beamten. Ich bin damit bis zur Senatorin gegangen.

Und was hat sie gesagt?

Na ja, ein Oberschulrat aus ihrer Verwaltung hat mir geantwortet. Er hat sehr darauf abgehoben, dass ich in Chile studiert habe – kein Wort davon, dass ich hier promoviert habe und hier in Berlin ein voll anerkannter Lehrer bin. Und am Ende des Briefs steht, dass die Eltern und Schüler der Joan-Miró-Grundschule sich bei mir bedanken, weil ich so engagiert bin. So ist eben Berlin! Nur: Die jungen Leute machen das nicht mehr mit – so laufen der Stadt die Lehrer weg. Sie gehen nach Hamburg oder Brandenburg.

Nun möchte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) diese Verbeamtung auf Umwegen künftig verhindern. Lehrer, die in anderen Bundesländern Beamte werden, können diesen Status nur dann mitbringen nach Berlin, wenn sie mindestens fünf Jahre verbeamtet sind. Ist das nicht sinnvoll?

Für mich heißt das nur, dass wir die Probleme in dieser Generation nicht mehr lösen. Wir haben in Berlin verbeamtete Lehrer, die noch keine 40 sind. Sie haben noch 20 Jahre zu arbeiten. Diese Ungerechtigkeit bleibt. Wir sind 3.000 angestellte Lehrer von insgesamt 28.000 und es geht darum, wie wir alle bezahlt werden – und nicht darum, künftig keine Beamten mehr aus Brandenburg reinzulassen.

Haben Sie Hoffnung, dass Ihr Streik etwas bewirkt?

Hoffnung habe ich schon, denn man kann das nicht so weiterlaufen lassen. Aber die Politiker haben Angst, es sich mit den Beamten zu verscherzen, weil die Wähler sind und eine starke Lobby haben – im Gegensatz zu uns. Trotzdem: Die Zukunft unserer Schulen hängt davon ab. Am Dienstag etwa gab es ein Casting, bei dem 45 KollegInnen für verschiedene Schulen gesucht wurden – es kamen aber nur 20 Bewerber. Das heißt, es gibt 25 Stellen, die gerade nicht besetzt werden können. Es gibt Schulen, an denen fünf Lehrer fehlen. Und irgendwann kracht es.

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5 Kommentare

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  • M
    Maier

    Die Berliner Kinder sind zu einem Großteil nicht beschulbar. Man könnte also viele Lehrerstellen und ganze schulen streichen. Problem gelöst. Punkt.

  • TL
    Tim Leuther

    Beamten sollte man nur in Bereichen haben in denen der Staat eine Druckposition gegen Amtsmissbrauch braucht, die größer als das Strafrecht ist. Deshalb sollten Polizisten Beamtet sein, und auch Leute die über Baugenehmigungen bestimmen.

     

    Verbeamtete Lehrer aus anderen Bundesländern sollte man nicht mehr nehmen. Die sollten sich vorher entbeamten lassen oder in den anderen Bundesländern bleiben.

     

    Wenn man Lehrermangel hat, dann sollte man die Lehrer besser bezahlen. Wenn man welchen hat. Nach der Gewerkschaft hat man den immer. Wenn man keine beamteten Lehrer mehr nimmt, dann wird der Lehrermangel ja offensichtlicher.

  • PR
    Pit Rulff

    Sehr geehrte Frau Scheeres,

     

    ich möchte Sie ausdrücklich in Ihrem Handeln in dieser Angelegenheit bestärken und Sie auffordern, diese Linie in Sachen Verbeamtung beizubehalten. An meinem Oberstufenzentrum arbeiten von 80 MitarbeiterInnen 60% im Angestelltenverhältnis in den unterschiedlichsten Tarif- und Leistungsgruppen. Ein großer Teil dieser MitarbeiterInnen bekommt nicht annähernd ein Gehalt in Höhe T13 Erfahrungsstufe 5 in Höhe von über 4.400,- €. Auch hat bisher niemand von den seit 2003 eingestellten Lehrkräften die "Drehtürverbeamtung" genutzt oder angestrebt.

     

    Eine besondere Problemgruppe stellen die "älteren" Beamten dar, die ihre vorfristige Ruhestandssetzung durch variierende langfristige Krankheitszeiträume bei voller Beamtenbezahlung "vorbereiten". Neben den tatsächlich ausgebrannten KollegInnen hat sich hier eine besondere "Ausstiegs-Kultur" durch Mundpropaganda und gelungene Beispielfälle entwickelt. Mehr möchte ich zu diesem Komplex und auf diesem Wege dazu nicht ausführen. Es wäre interessant, hier einmal das Verhalten von Angestellten und Beamten statistisch zu vergleichen.

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Pit Rulff

    Schulleiter

    Ernst-Litfaß-Schule

     

    "Farbe zeigen"-Freitag-13.September 2013

     

    Erfolg kommt von hier - 30 Jahre OSZ und Berufs-Ausbildung-Zentrum-Ernst-Litfaß

     

     

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    Fax: 41 47 92 - 21

    Mail: litfass@ernst-litfass-schule.de

    www.ernst-litfass-schule.de

  • S
    Slimak

    @ Kimme

    Das Beamtentum gehört generell abgeschafft, weil es mit nichts zu rechtfertigenden Privilegien verbunden ist und im 21. Jahrhundert nix zu suchen hat. Warum ausgerechnet immer den Lehrenden und nur ihnen der Beamtenstatus streitig gemacht wird, ist nicht nur nicht nennenswert konsistent, sondern ein Zeichen dafür, dass das Gros der BürgerInnen der Beamtenrepublik Deutschland bestens darin gebildet ist, Menschen gegeneinander auszuspielen. Ab und an mal den Gehirnkasten anschalten könnte schon ganz hilfreich sein, um zu intelligenteren Ergebnissen zu kommen.

     

    Die vorliegende Diskriminierung, die zum genannten Streik führt, ist unerträglich und gehört genauso abgeschafft wie das Beamtentum. In jeder Behörde, egal ob auf Landes- oder Bundesebene, haben wir diesen Unfug, dass es einerseits Beamte gibt, die keinen Cent in die Rentenkassen zahlen und im längerfristigen Krankheitsfall keine Besoldungseinbußen haben, während ihre KollegInnen mit Angestelltenstatus schön für ihre eigene Rente zahlen müssen und nach mehr als 6 Wochen Krankheit Krankengeld erhalten, was empfindliche Lohneinbußen bedeutet. Aber das macht ja nix, das merkt ja keiner. Es lebe die Beamtenrepublik Deutschland, bestens geübt in Selektion und Segregation.

  • K
    Kimme

    Ich halte eine Verbamtung von Lehrern sowieso für falsch. Insbesondere in dem so wichten Bereich der Bildung musste ich in der Vergangenheit leider eine wahre Flut an Leistungsverweigerern antreffen. Lehrer die ein Alkoholproblem hatten, sich Schüler/innen auf unangebrachte Weise genähert hatten oder einfach nicht in der Lage wahren den Stoff zu vermitteln bzw ihn teilweise nicht einmal selbst anständig beherrschten. Auf Nachfrage bei der Schulleitung hieß es meist nur: "Wir können leider nichts machen ausser ihn an eine andere Schul zu verweisen, da er verbeamtet ist."

    Verbeamtung kostet nur unnötig Geld (insbesondere beim Renteneintritt) und schützt Lehrer vor dem Leistungsvergleich (Bsp: die berliner Lehrer verweigern sich sogar dem Pisa-Test für ihre Schüler) und Konsequenzen nicht erbrachter Leistung bzw. beruflicher Verfehlungen.

     

    Also sollte das Ziel nicht die Verbeamtung der berliner Lehrer sein sondern die Abschaffung der Verbeamtung für Lehrer anderer Bundesländer.