piwik no script img

Berliner Pirat Morlang über Einkünfte„Wir wollen deine Unterhosen sehen“

Der Berliner Pirat Morlang hat nach über einem Jahr seine Nebeneinkünfte offen gelegt. Warum hat das so lange gedauert?

Naja, eine Revolution sieht noch ein bisschen anders aus. Bild: dpa
Interview von Christian Füller

taz: Herr Morlang, wie viel verdienen Sie neben ihrem Abgeordnetenmandat?

Alexander Morlang: Das steht auf meiner Homepage.

Es hat über ein Jahr gedauert, bis es da gelandet ist. Über ein Jahr.

Ich wollte korrekt Auskunft geben, und da hat es eben gedauert, bis ich alle Papiere zusammen hatte.

Das ist eine schlagfertige Begründung, aber sie kann nicht die Ansprüche außer Kraft setzen, die das Parlament und ihre eigene Partei an sie formulieren.

Ich bin in dieser Zeit dreimal um- und ins Parlament eingezogen. Ich wusste, da gibt es noch eine Einnahme, aber ich wusste nicht mehr in welchem Jahr. Und ich wollte korrekt sein - entweder stimmt die Zahl oder sie stimmt nicht.

Ach, das war gar kein Witz? Warum ist es so kompliziert, Nebeneinkünfte von bagatellhaften 1.000 Euro öffentlich zu machen?

Sie können von mir nicht verlangen, meine Kundendaten offenzulegen, ganz klar. Schließlich will ich irgendwann wieder aus der Politik raus und zurück an meinen Rechner und kreative Dinge tun. Es geht keinen an, für wen ich was programmiert habe.

Diese Begründung kenne ich gut – von Leuten aus CDU und FDP. Wollen Sie jetzt konservative Politik machen?

Nicht alles, was die Konservativen sagen, ist falsch. Ich habe die CDU auch schon gelobt.

Es würde ja schon reichen, dass Sie sagen, in welcher Höhe Ihre Nebeneinkünfte liegen. Die Schuhgröße ihrer Auftraggeber interessiert keinen Menschen.

Haben Sie eine Ahnung, was alles von mir verlangt wurde? Das war grotesk! Das war wie: Wir wollen deine Unterhosen sehen!

Meinen Sie jetzt die Ansprüche des Abgeordnetenhauses oder die Ihrer eigenen Leute?

Was das Parlament wissen will, erfülle ich von Anfang an. Es geht um das, was die eigenen Leute wollen und die, die sich für die eigenen Leute ausgeben.

Wie können Sie und Ihre Partei Transparenz einklagen – und sich nur daran halten, wenn es Ihnen nützt?

Was wir mit den Abgeordneteneinkünften machen, ist nicht Transparenz, sondern Scheintransparenz. Ich arbeite gerade an einem Projekt mit anderen Leuten, wie wir vier Piraten-Fraktionen in den Ländern die Daten über Nebeneinkünfte nach einheitlichen Kriterien erfassen können. Wenn wir 16 Landtagsfraktionen haben und eine Bundestagsfraktion …

Glauben Sie echt, dass sich dieses Problem noch stellen wird: 16 Landtagsfraktionen?

(lacht) Ist das jetzt die Einladung zum großen Trollen?

Erklären sie gern ihr lückenloses Modell zur Erfassung von Nebeneinkünften.

Alles, was wir bis jetzt haben, entspricht in keinster Weise den Ansprüchen, die wir an Open Data haben. Es gibt keine Norm, keine Standards und keinen Weg, dass andere auf diese Daten geordnet zugreifen können.

Vielleicht gibt es die superperfekte Lösung einfach nicht

Kann sein, aber dann müssen wir eingestehen, dass wir eine Scheintransparenz leben. Die gar nicht das leistet, was wir wollen, die die interessanten Dinge nicht zeigt, die in Nebeneinkünften stecken. Was wollen wir denn erreichen mit der Nummer? Wir wollen wissen, wo über Nebeneinkünfte Einfluss auf die Mandatsträger ausgeübt wird.

Ja, ob sie zum Beispiel für Google gearbeitet haben und jetzt also im Parlament nicht der unabhängige Abgeordnete, sondern der Interessenvertreter einer Suchmaschine sind.

Daraus habe ich nie einen Hehl gemacht. Wenn Sie genau recherchieren, werden Sie entdecken, dass ich in der Google Summerschool of Code ein Mentor war. Das war aber vor der Wahl. Das interessiert also keinen. Da sieht man: Was wir als Transparenz bezeichnen, ist in Wahrheit blind für Einflüsse. Das heißt, was wir momentan machen, reicht nicht. Es entspricht nicht unseren Maßstäben von Open Data.

Wie läuft es denn bisher?

In den vier Landtagafraktionen erklärt sich jedes Mitglied irgendwie auf seiner Blogseite. Jeder in einem anderen Format, jeder mit anderen Angaben. Das meine ich mit Scheintransparenz.

Und Sie beheben das jetzt?

Ich entwickle zusammen mit anderen ein Modell. Das Modell soll allen Ansprüchen genügen, die wir an Open Data anlegen: maschinenlesbar, standardisiert, zentral verlinkt, so dass sie mit Hilfe einer API da Statistiken draus machen können oder data mining oder Big Data. Sie wissen ja, dass Datenjournalismus die Zukunft Ihres Berufs ist.

Na klar weiß ich das, Herr Morlang. Aber zurück zu Ihnen. Verstehen Sie, dass die Menschen irritiert sind, wenn Sie gegen einen Grundsatz verstoßen, den Sie selbst und Ihre Partei auf den Schild gehoben haben.

Ich verstehe, dass die Menschen irritiert sind. Aber das ist auf der anderen Seite noch lange kein Grund, mit Leuten so umzugehen, wie es passiert ist. Das ist kein Weg.

Die Homepage "morlangseinkuenfte.de" war doch eine witzige Idee. Hätte unter anderen Umständen von Ihnen sein können, oder?

Ich meine nicht die Homepage. Ich bin darüber hinaus massiv angegangen worden - auch noch, als ich meine Einkünfte längst erklärt hatte. Es geht um persönliche Attacken.

Ach, haben Sie wohl einen Shitstorm erlebt? Dabei sind Sie doch selbst kein Kind von Traurigkeit.

Ich glaube, wenn ich mich nur auf Twitter lesen würde, dann würde ich mich überhaupt nicht mögen.

Haben Sie sich ungerecht behandelt gefühlt?

Teilweise schon. Man hat mich sabotiert. Man hat mit den massiven Attacken auf Twitter mein primäres Kommunikationsmittel außer Kraft gesetzt. Ich habe eine Woche lang permanent Tweets und Anrufe bekommen, Hunderte.

Hat sie das verletzt?

Nein, das war einfach destruktiv. Es hat mich behindert. Das ist so, als wenn sie jemanden sagen, zieh das Auto aus dem Schlamm – und spritzen dann mit 'nem Schlauch weiter Wasser rein. Ich habe später aber auch viele Hilfsangebote bekommen.

Kann es sein, dass Sie die Transparenzregeln und Umgangsformen, die die Piraten sich und der Gesellschaft verordnen wollten, nachjustieren müssen - auch weil Sie sie selber nicht einhalten und ertragen.

Das finde ich nicht. Wir wollen, dass die Meinungsbildung innerhalb der Partei im Wiki transparent und sichtbar gemacht wird. Da sind wir dran. Und wir setzen auf Liquid Democracy. Tweeds hingegen haben nichts mit der geforderten Transparenz zu tun.

Warum haben Sie dann heute dafür gesorgt, dass drei Ihrer Parteifreundinnen sich auf Twitter nicht öffentlich zerlegen? Und ihnen geraten, zu telefonieren?

Na weil es eben nichts mit Piratenpolitik zu tun hatte, das war doch nur Gedöns.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • D
    dsf

    @Nicole Hornung: man muss sich lange zu lesen, um dahinter zu kommen, dass die Kunden dieses Herrn vermutlich ebenso wie die 1000€/¢(?) und seine technischen Fähigkeiten primär in seiner Phantasie existieren.

     

    Man wünschte sich mit wenigen Ausnahmen könnte man diese Gurkentruppe wieder abwählen. Ein Wunsch, den bisher eher andere Parteien ausgelöst haben.

  • NH
    Nicole Hornung

    Dieses Interview zeigt für mich erneut die Arroganz von Herrn Morlang. Von einheitlicher API schwadronieren und sich darüber beschweren, wie "mit Leuten umgegangen wird", Sabotage der eigenen Kommunikationsmittel beklagen und auf der anderen Seite den großen Zampano des Freifunks mimen. Dass er den Kundenschutz anführen muss, um sich herauszureden und es bis heute abend (10.02.2013) nicht geschafft hat, einfach mal einen Satz wie "weniger als 2000 Euro für verschiedene Programmierprojekte" - der vollkommen ausgereicht hätte, um die geforderte Transparenz erzeugen - an der zentralen Stelle auf der Webseite für die Berliner Piratenabgeordneten zu platzieren, das ist ein Armutszeugnis für einen Volksvertreter an sich und speziell der Piraten.

  • G
    Gaston

    Nett, wie der "Berliner Pirat" um das Problem herum redet.

    Natürlich ist das Problem dieses, das man von anderen Fordert, was man selbst nicht bereit ist preis zu geben. Steinbrück soll jeden Cent angeben und rechtfertigen. Hier redet sich einer dieser Leute, die dies immer wieder einfordern damit heraus, das er erst mal Papiere sortieren muss.

    Steinbrück hat seine Einkünfte offen gelegt! Das reichte den Piraten nicht. Hier schafft es nun ein Pirat nach einem Jahr ebenso viel offen zu legen und will dafür auch noch Beifall!

     

    Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ich halte diese absolute Tranzparenz für falsch, aber ich fordere sie auch nicht von anderen und verweigere diese selbst.

     

    Vor allem spreche ich nicht von Dingen, die dem Grundgesetz widersprechen. Ein Abgeordneter ist nur seinem Gewissen gegenüber verpflichtet. Deswegen sind Koalitionszwang und Lobbyismus auch zu kritisieren. Diesem Anspruch steht aber eine Basisdemokratie wie es von den Piraten theoretisch verlangt wird entgegen. Mal abgesehen davon, das alle bisherigen Fraktionen der Piraten diesen Anspruch nicht mal ansatzweise erfüllt haben, von Transparenz mal ganz abgesehen. Die Piraten verlangen von denjenigen, die angeblich Basis sind ganz bestimmte Voraussetzungen zur politischen Beteiligung. Angefangen von einem PC (oder ähnlichem, mit dem man online gehen kann) und vor allem ein Verständnis für deren "Transparenz-Logik". Selbst wenn man genau weiß, was man sucht, kann man bei diesem Labyrinth von Platformen und Mitteilungsformen glatt verzweifeln. Von Struktur und Barrierefreiheit keine Spur.

    Gut, nun bin ich etwas abgeschweift, aber es ist das Gesamtversagen, das auch die jetzige Situation der Piraten aus macht.

  • P
    Piratenwähler

    Herr Morlang ist ein ehrenwerter Pirat mit vielen Fähigkeiten. Er kann nicht nur Passworte die andere nutzen aus einen unübersichtlichen Datenstrom heraus extrahieren - nein, er weiss dieses Wissen auch zu nutzen. Deswegen ist er ein beachteter Gast auf Parteitagen. Denn er hilft nicht nur mit, dass die Netzwerktechnik funktioniert, nein, er hilft anderen auch ihre Twitter- und E-Mail-Account bei diesen Parteitagen zu nutzen. Auch eilt er von Tisch zu Tisch, um Sicherheitskopien wichtiger Systemdateien auf einen privat (!) finanzierten USB-Stick zu kopieren. Dabei ist rs so bescheiden darauf zu achten, dass niemand sein Tun sieht. Piraten wie Herrn Morlang gibt es in der Piratenpartei nicht viele.

  • AP
    Amazonen Partei

    Nicht nur auf Twitter sind Sie ein Unsympath, auch hier in der TAZ machen Sie auf mich einen Eindruck von einem verbittertem Mann. Wie alt sind Sie eigentlich, 100?

  • T
    Thomas

    Habe ich das richtig verastanden? Er möchte seine Nebeneinkünfte nicht offenlegen, weil ihm das nicht weit genug geht?