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"Fehlende Empathie"Einladung ausgeschlagen

Die Angehörigen des Hamburger Mordopfers Süleyman Tasköprü wollen nicht zum Bundespräsidenten kommen.

Ermordet am 27. Juni 2001: Süleyman Tasköprü. Bild: dpa

HAMBURG taz | Nein, Aysen Tasköprü wird Joachim Gauck nicht die Hand reichen. Für kommenden Montag hat der Bundespräsident die Hinterbliebenen der Mordopfer des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) eingeladen. Die Schwester des Hamburger NSU-Opfers Süleyman Tasköprü sagt ab – denn sie darf keinen Rechtsbeistand mitbringen. „Es wäre emphatisch von Ihnen gewesen“, schreibt sie an den Bundespräsidenten, „nicht darauf zu bestehen, dass ich alleine ins Präsidialamt komme.“ So aber fühle sie sich dem „nicht gewachsen“ – nun kommen weder sie noch der Rest von Tasköprüs Familie.

In dem Schreiben schildert die 39-Jährige das Leben der Familie nach dem Tod ihres Bruders, skizziert persönliche und berufliche Beeinträchtigungen. Aber sie schreibt auch, dass Gauck ihr Bruder „doch nur wichtig“ sei, weil es sich beim NSU um ein politisches Thema handele – „Glauben Sie, es hilft mir, wenn Sie betroffen sind?“

Fehlende Empathie für die Opfer der Mordserie war auch schon früher beklagt worden, etwa bei der Gedenkfeier für den ermordeten Tasköprü ein Jahr nach der zufälligen Aufdeckung der NSU-Umtriebe. In Hamburg-Bahrenfeld, in der Schützenstraße 43–45, sollen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Obst- und Gemüsehändler am 27. Juni 2001 hingerichtet haben. Um 11 Uhr, besagen die Akten, die der taz vorliegen, betraten die Täter seinen Laden, schossen ohne Vorwarnung. Der 31-Jährige hinterließ eine Ehefrau und eine dreijährige Tochter.

An jenem ersten Jahrestag im November 2012 enttäuschte auch Gauck die Hinterbliebenen: Er verweigerte ihnen das Gespräch, um das sie gebeten hatten. Aus der Pressestelle des Bundespräsidialamts hieß es damals, Gauck wolle „seine eigenen Akzente“ setzen.

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5 Kommentare

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  • K
    kiddylein

    Ich verstehe die Aufregung nicht.Eine Einladung ist keine Vorladung!Anwaltlicher Schutz erscheint mir theatralisch den Charakter dieser Einladung zu verfälschen.

    Gauck hat mit dem Desaster um die NSU- Ermittlungen ja am wenigsten zu schaffen.Da treffen die Animositäten eigentlich den Falschen.

  • K
    Katt

    Naja, ich finde es doch schon ungewöhlich, was sie hier vom Bundespräsidenten von 82 Millionen(!) Menschen fordern. Er hat diese Taten nicht begangen! Er war auch in keiner Weise an den Ermittlungen beteiligt bzw. hätte ohne Gesetzesübertretung keinerlei Maßnahmen erzwingen oder beeinflussen können. Gauck ist nur der oberste Repräsentant dieses Staates. In dieser Rolle lädt er die Angehörigen der Opfer in seinen Amtssitz!

    Dies ist seine Aufgabe und nicht Treffen mit Anwälten! Wem das nicht reicht hat das gute Recht nein zu sagen, auch wenn es nur darum geht seinen Anwalt(!) mitzubringen. Wozu sollte dieser Rechtsbeistand wohl gut sein?

  • W
    wauz

    Das Engagement des werten Herrn Bundespräsidenten beschränkt sich auf Fälle, da er "die richtigen Worte" sagen kann und in einem schönen Fotografierlicht dasteht.

    Aus selbigem Grund ist er auch Pfarrer geworden...

     

    Der Wendehals schlechthin.

  • M
    mya

    Sie macht es genau richtig! Warum soll die Familie zu ihm fahren? Aus welchem Grund? Über 10 Jahre wurde nichts getan, die Familien wurden alle allein gelassen. Herr Gauck kann ja zu den Familien kommen und sich einen Eindruck verschaffen wie es Ihnen gegangen ist in den ganzen Jahren.

  • H
    Hafize

    Ich wäre an Stelle der Tasköprüs auch nicht hingegangen. Dass Mundlos und Böhnhard so lange ballern konnte und dies in einer von V-Leuten durchsetzten Nazi-Szene, bringt bei mir bis heute Brechreiz hervor, besonders wenn ich Politiker sehe, die dann diese V-Leute immer noch schützen oder einfach die Akten vernichten lassen.

     

    Die Tasköprüs sollten doch auch nur aufs Photo, in die Tagesschau oder PR-Mappe wandern.

     

    Kurz: Zu viel Dreck, zu wenig Ehrlichkeit. Kein Bock auf Gauck! (Am Anfang seiner Amtszeit hatten die NSU-Opfer für Gauck überhaupt keine Priorität, will ich mal erinnern.)