Konsum: Kampf um die weiße Wand
Eine Kreuzberger Kiez-Initiative will ein Verbot von Werbung im öffentlichen Raum.
So sieht das also aus, wenn eine Werbewand befreit wurde. Unter dem Kleister haben sich ein paar Luftblasen festgesetzt, das Papier wirft an manchen Stellen Falten. Ansonsten ist die Plakatwand neben der Cuvry-Brache von oben bis unten schön weiß.
Ruhe für die Augen, Abwesenheit von Werbebotschaften – das ist es, was die rund 20 Leute anstreben, die sich am Samstagvormittag an der Schlesischen Straße versammelt haben. Mit pinkfarbenem Schlips stehen sie vor der weißen Wand, um ihr „Amt für Werbefreiheit und Gutes Leben“ zu eröffnen. „Werbung schafft Bedürfnisse, die wir von allein gar nicht haben“, ruft eine junge Frau ins Mikrofon. Außenwerbung finde in einem Raum statt, der allen gehöre. „Sorgen wir dafür, dass Berlin so aussieht, wie wir es wollen!“, ruft sie. Und bringt das Anliegen auf den Punkt: „Niemand soll immer mehr haben wollen müssen.“
Die Aktivisten beteuern: Das sei kein Hirngespinst, sondern ein echtes politisches Anliegen. In São Paulo gebe es bereits ein Werbeverbot. „Wir wollen einen Antrag in die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg einbringen“, sagt Miriam Gieseking, eine 28-jährige Geografin. Ziel sei es, den Bezirk bis 2014 werbefrei zu bekommen.
Was die Bezirksverwaltung davon hält? Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) bremst die Euphorie. „Für so ein Verbot bräuchte man eine Veränderung der Bauordnung. Das ist Sache des Landes und nicht des Bezirks.“
Man könnte meinen, die jungen Leute hätten die Werbefläche an der Cuvrybrache guerillamäßig gekapert. Weit gefehlt: Die Initiative hat die Plakatwand ordnungsgemäß gemietet. Der Politikwissenschaftler Jan Korte, 26, erklärt, man nehme zur Kenntnis, dass Leute auch illegale „Verschönerungsaktionen“ durchführten. „Dazu rufen wir nicht auf. Aber wir dokumentieren das auf unserer Internetseite.“
Seine Mitstreiter bemalen unterdessen die weiße Wand mit bunten Blumen und Slogans. „Her mit dem guten Leben“ und „Free Cuvry“ steht jetzt darauf – und schon ist Schluss mit der werbefreien Wand.
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