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Die Knigge-FrageDürfen Kinder Alkohol essen?

Von wegen „Alkohol verfliegt beim Kochen“ – Forscher haben diese These kürzlich widerlegt. Also: Dürfen Kinder Gulasch mit Rotweinsoße essen?

Wird sie spätestens an ihrem 18. Geburtstag zum Flatrate-Säufer? Bild: Doreen Paltawitz / photocase.com

Nein, früher war nicht alles besser. Früher zum Beispiel hat man Kleinkindern Cognac in die Milch geschüttet, damit sie während langer, unruhiger Nächte in Luftschutzkellern friedlich schlafen, anstatt alarmiert zu schreien.

Heute sind die Zeiten für Eltern und Kind nicht mehr ganz so gefährlich wie in Zeiten des Zweiten Weltkriegs. Doch umso größer werden nun die Ängste. Kinder sollen, nein müssen vor wirklich allem beschützt werden. Und so hört man an Stätten öffentlicher Gastlichkeit nun des Öfteren die bange, manchmal auch gestrenge Elternfrage: „Ist das Gulasch mit Rotwein gekocht“?

Die alte Volksweisheit „Alkohol verfliegt beim Kochen“ hat sich nämlich als falsch herausgestellt: Eine mit einem alkoholischen Getränk versetzte Flüssigkeit, die eine halbe Stunde gesiedet hat, enthält immer noch 35 Prozent des ursprünglichen Alkoholgehalts, nach zweieinhalbstündigem Sieden sind immer noch 5 Prozent des Alkohols nachweisbar. Das haben Forscher der Universität von Idaho (USA), die zufälligerweise im prohibitionistisch-puritanischen Bible Belt liegt, in Studien nachweisen können.

Natürlich kann sich nun jeder auch ohne Taschenrechner ausrechnen, wie viel Alkohol am Ende auf dem Tellerchen eines Kleinkindes landet, wenn das eine Stunde geschmorte Gulasch mit zwei Gläsern Rotwein versetzt war. Kinder, die schon feste Nahrung zu sich nehmen können, schweben nicht gleich in Lebensgefahr, weil sie ein bisschen Boeuf bourguignon essen – es geht eher um das Prinzip beziehungsweise folgendes Argument: Die Kinder sollen nicht frühzeitig an den Geschmack von Alkohol gewöhnt werden.

Diesen Text finden Sie auch in der taz. am wochenende vom 11./12. Mai 2013. Darin außerdem: die Titelgeschichte „Wo fängt irre an?“, eine Fotoreportage über den Drogenkrieg in Mexiko, ein Porträt von Muhlis Ari, der als „Mehmet“ vor 15 Jahren bekannt und abgeschoben wurde, eine Rezension des neuen Daft-Punk-Albums und drei Karottenrezepte von Sarah Wiener. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo.

Es besteht also die Angst, dass Kinder, die schon auf ihrem Kindergeburtstag Rotweinkuchen zu sich genommen haben, spätestens an ihrem 18. Geburtstag zum Flatrate-Säufer geworden sind.

Ob dem tatsächlich so ist? Die Erfahrung zeigt eher, „Kokowääh“, dass Kinder den Geschmack von Alkohol so wenig mögen wie sie Kaffee zu schätzen wissen oder sagen wir: Oliven, Spargel, Rohmilchkäse. Dafür ist Alkohol auch in reifen Bananen, Weißbrot und Traubensaft enthalten – alles beliebte Kinder-Snacks.

Man darf also ruhig ein bisschen Rotwein in den Schmortopf gießen. Es sei denn, Sie haben tatsächlich streng gläubige Muslime zu Besuch, dann wäre eine solche Art der Zubereitung in der Tat unhöflich.

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19 Kommentare

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  • T
    Tema7Tippelbruder

    Mann, Martin, hat Du überhaupt verstanden, wovon Du schreibst?

    "Simmering" bedeutet "köcheln", meist in einer abgedekten Kasserole.

    Vergleichen wir doch mal eine Bratensauce mit einem Glas Apfelsaft.

    1 kleines Glas ( 0,1 l) Rotwein (12 Vol%) hat etwa 10 g Alkohol.

    In 1 Liter Sauce ergibt das, ca. 20 min köcheln vorausgesetzt, einen Alkoholgehalt von 5 g pro Liter. Beim Ablöschen ist es noch weniger, weil der Wein auf das mehr als 100°C heiße Fett trifft.

    Nach dem deutschen Lebensmittelhandbuch dürfen Säfte bis zu 3g Alkohol pro Liter enthalten.

    Also wenn Du schon befürchtest, dass die lieben Kleinen von der Bratensauce angefixt werden solltest Du ihnen das Safttrinken verbieten.

    Ach ja, und Brot, Hefegebäck, Kefir, Sauerkraut und Essig.

    Dummerweise produziert der menschliche Körper selbst, wenn auch nur in geringen Mengen, Alkohol.

  • W
    wauz

    Das Bananenprinzip im Journalismus

     

    "Ich hab da mal was gehört/gelesen!" Da schreib ich jetzt einen Artikel dazu. Fachkenntnisse sind obsolet, Recherche ist lästig, also labern wir mal munter drauf los, die werten Online-leser werden schon geeignete Rückmeldung geben.

     

    Ja. Die kommt!

    1. Knigge lesen! Das Buch vom Freiherrn von Knigge ist im Reclam-Verlag immer wieder erschienen und zumindest antiquarisch verfügbar. Vorwort genügt: es geht um sowas wie Marketing.

    (Dieses Thema hat nichts mit Knigge am Hut!)

     

    2. Chemiebuch lesen. Ethanol ist geschmacklos. Auf deutsch: schmeckt nach nichts. Reiner Alkohol in Wasser merkt man beim Trinken nicht. Es gibt also keinen Geschmack, an den man sich gewöhnen könnte, sondern nur eine pharmakologische Wirkung,

     

    3. Quelle noch mal durchlesen und durchdenken: Wein hat ungefähr 10% Alkohol. Davon verbleibt nach dem Kochen ...

    4. Jetzt kommt die Recherche: Wieviel Alkohol enthält durchschnittlich Orangensaft?

    Wie entsteht Sucht? Was beeinflusst das Trinkverhalten.

    5. Such dir 'nen Job bei McDonald oder so...

  • GS
    Goldener Schuss dem Wirt

    Damit diese Drogenproduktion aufrecht erhalten werden kann, wird Alkoholikern eingeredet sie seien selbst schuld und nicht die Parasiten, die damit Geld verdienen. Wer einmal die Sure im Kiosk gelesen oder die verlogenen Studie-Barkeeper in seiner Stammkneipe erlebt hat, wenn man wirklich die Sau raus gelassen hat, weiß was Sache ist, vor allem, wenn man dazu noch bedenkt, daß die Herrschaften ja auch noch generell auf andere Leute Gesundheit Kosten so ihre Karriere anfeuern.

    Wer saufen will, soll den Dreck gefälligst selbst produzieren.

  • SG
    Schmidt Georg

    mal so nebenbei-selbst bei strenggläubigen Moslems weis man , dass es zB kein alkohfreies Bier gibt, es gab darüber in Saudi eine grosse Diskussion, man kam zu der Einsicht, dass 0,3% Alk zu verkraften seien!

  • SG
    Schmidt Georg

    einfach mal im ZDF/ARD die Kochshows anschaun, da gehört Rotwein und Cocnak und ander ALK Sachen einfach dazu!

  • V
    vulkansturm

    Der Gesundheitswahn wird immer extremer. Wir werden, wenn das so weiter geht, noch erleben, dass man Eltern ihre Kinder wegnimmt, weil sie ihnen Bananen, Weißbrot oder Traubensaft gegeben haben, trotz des Alkoholgehalts dieser Lebensmittel.

  • I
    invinoveritoxication

    Dieser Artikel ist wirklich eine Unverschämtheit. Alkohol gehört (wenn überhaupt) ins Glas und nicht auf den Teller. Wer mit Alkohol kocht, ignoriert, dass es Leute gibt, die keinen Alkohol konsumieren wollen oder sollten. Das ist nicht nur für Kinder und trockene Alkoholiker gefährlich, sondern spricht auch allen anderen ab, selbst zu entscheiden, ob sie diese Droge nehmen wollen.

    Das Problem, das unsere Gesellschaft mit Alkohol hat, ist nicht, dass einige "ihre Grenzen nicht kennen", sondern dass diese Droge als selbstverständliche Normalität angesehen wird: Es gilt als normal, Alkohol zu trinken, und als nicht normal, keinen Alkohol zu trinken. Genau darauf werden Kinder u.a. durch Alkohol im Essen konditioniert. Selbst wenn die Mengen "relativ harmlos" sind, werden die Kinder (zumindest subtil) schon an den Geschmack und die Normalität des Alkoholkonsums gewöhnt. Wie soll man einem Kind erklären, dass das, was die Eltern in den Kochtopf geben, sonst nur für Erwachsene ist? Sicher werden die Kinder dieses Verbot nicht sofort brechen, aber sie spüren sehr wohl, dass die Eltern inkonsequent handeln, und verinnerlichen dies.

    Es wäre sicher nicht richtig, die Droge Alkohol generell (sozial oder gesetzlich) zu sanktionieren, aber unsere Gesellschaft muss lernen, dass Alkohol genau das ist: eine Droge. Als solche - und nicht als selbstverständlich konsumiertes Lebensmittel - muss er auch behandelt werden. Alles andere ist eine Verharmlosung.

  • VR
    Vegan Reich

    Aber mit Spielzeugautos, Fleisch und Religion darf man sie ruhig versauen.

  • S
    Südeuropa

    NA, es ist doch so, in Ländern wie Italien, Spanien oder auch Teilen Frankreiches ist es völlig normal das schon kleine(re) Kinder zum ausgeprägten, geselligen und langen Abendessen ein wenig Wein zu trinken (! - also nicht verkocht!) bekommen. Kinder werden hier also sehr früh mit Alkohol in Verbindung gebracht, aber in einem sehr spezifischen Rahmen,

    Alle Studien - die ich kenne - belegen aber nun deutlich, dass das Problem mit dem Alkoholismus in Deutschland wesentlich größer ist, als in diesen Ländern. Irgendwas stimmt also mit der Logik, Kinder, die Alkohol kennen lernen, werden später Süchtige, nicht.

  • W
    Wolf

    Diese angebliche Untersuchung darf hinterfragt werden, sie ist nämlich Unsinn. ber Heerscharen von Gesundheitsaposteln berufen sich schon darauf, abenteuerliche Geschichten von "Azeotropen"werden von angeblichen Chemikern herangezogen.

     

    Leute, glaubt dem Versuch, wenn ihr ihn nachvollzogen habt, ds wäre dann Wissenschaft.

    Kocht den Wein in der Sosse eine halbe Stunde, dann verfliegt das Märchen!

  • WI
    Wo ist das Problem Dadama?

    Würden Sie einen Vegetarier zum Essen einladen, um ihm dann Fleisch mit dem Kommentar servieren: "Stell dich nicht so an!"? Obwohl....Menschen mit sowenig Empathie haben wohl auch niemanden zum Einladen.

  • C
    Chemiker

    Da sieht man es wieder, wenn es heißt: "Privat kann es besser." Die absurdesten "Forschungsergebnisse" kommen dabei heraus. Natürlich verdampft der Alkohol, er geht als sog. azeotropes Gemisch zusammen mit Wasser in die Dampfphase und wenn ich zweieinhalb Stunden wirklich eine Temperatur von 100°C eingehalten habe, ist der Alkohol verschwunden. Wie lange sollte wohl eine normale Destillation dann dauern? In dieser Zeit habe ich absoluten Alkohol über die Kupferblase mit Calciumoxid hergestellt. Aber solche forsche Forschung ist typisch für privatfinanzierte Hochschulen.

     

    Aber ich verstehe die Besorgnis der Mütter durchaus. Es gibt ja gewisse Überlegungen in der schwarz-gelben Regierungskoalition, wie man die Höhe der Hartz IV - Leistungen anpassen kann, weil die Euro-Rettung ja doch sehr teuer wird. Die diskutierte Alternative wäre nämlich, die Ausgabe von hochprozentigen Alkoholika an die Bedarfsgemeinschaft. Flaschen nehmen selbst in der kleinsten Hütte nur wenig Platz weg und es ist sehr viel billiger jedem Hartz IV - Empfänger seine tägliche Ration Alkohol zu verpassen. Damit erhält die Bundesärztekammer auch ihr sozialverträgliches Frühableben von Kassenpatienten.

     

    Nun ist es verständlich, dass die besorgte Mutter wissen will, ob die lieben Kleinen auch den Alkohol vertragen. Ja, sie vertragen ihn und nach einiger Zeit mögen sie ihn auch. So werden sie es dann kaum vermissen, wenn statt Gulasch mit Rotweinsauce nach der Hartz IV-Reform nur noch Rotweinsauce auf den Tisch kommt.

     

    Übrigens, haben Sie es gewusst? Nur ein besoffenes Volk

    ist dem Geisteszustand unserer Mandatsträger ähnlich. Dann gilt nämlich wieder der Gleichheitsgrundsatz.

  • T
    Ted

    Super:

    1. "Also mir wurde der Schnuller ab und zu wohl mal in den Weißwein getunkt. Geschadet hat es nicht."

    2. "Ein streng Gläubiger Moslem geht doch nicht zu einem Kāfir."

     

    Ihre "schaden"-Aussage sollten Sie vielleicht überdenken.

  • D
    derSpain

    "Die Knigge-Frage" ... gähhn, td;dr

     

    Who the fuck ist Knigge?!

  • CR
    Carl Roberto

    Idaho liegt - anders als im text geschrieben - mitnichten im Bible Belt, sondern min 1000 Meilen davon entfernt. Aber Hauptsache wieder informiert tun und Quatsch mit Soße zu Papier bringen. manmanman

  • HS
    Hans-Jürgen Schwebke

    Warum nur muss man/frau beim Thema Alkohol immer wieder Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Besonnenheit im Umgang mit Alkohol in Berichten und Kommentaren gering wertschätzen?

    Es geht doch im Kern bei wissenschaftliche Studien über gesundheitliche Verträglichkeit von Alkohol in Essen, "alkoholfreien" Getränken nicht darum, ob ein Kleinkind Schaden nimmt. Kochen mit Alkohol, Schnuller in Alkohol getränkt, das Nippen am Glas, die Mengen in Süßigkeiten, der kleine Probeschluck oder andere Einwirkungen von Alkohol - Alkohol ist ja nun nicht der Mittelpunkt eines gelebten Lebens. Das Leben eines jeden Menschen ist nur dann sinnvoll, wenn wir uns stets fragen: Wofür habe ich heute die Verantwortung zu tragen? Welche Frage stellt das Leben heute an mich? Wie muss ich mich verhalten, wenn ich - und damit meine ich mich selbst als abstinenter Mensch (wegen Alkoholkrankheit) - die Verantwortung für mich übernehmen will? Wer will für wen diese Verantwortung übernehmen und wer muss es für ein anderes Menschenkind tun?

    Im Übrigen - es kann jeden treffen mit einer Alkoholerkrankung:

    • Niemand kann wissen, ob er die Disposition für die Krankheit Alkoholismus in sich trägt.

    • Niemand kann sicher sein, ob er sich die Krankheit nicht auch herbeitrinken kann.

    • Darüber hinaus müssen wir mit der Erkenntnis leben, dass Früherkennung nicht möglich ist. Alkoholismus im Anfangsstadium lässt sich nicht fühlen, schmecken, riechen, sehen oder hören.

    Billiger ist die Ausgangsbasis für Kommentare über Einnahmemengen von verstecktem Alkohol und verantwortungsvollem Handeln - Und wer will schon bewerten, was übertrieben ist? - nicht zu haben. Wer sagt denn, das es nicht doch Folgeschäden gegeben hat bei Kindern die im Krieg wie vom Autor des Kommentares beschrieben behandelt wurden? Ich freue mich, wenn ich zu Besuch bin, wenn die Gastgeber - ich gehe offen mit meiner Alkoholkrankheit um - durch völligen Verzicht auf Alkohol im Essen, Kuchen u. s. w. auf mich Rücksicht nehmen und sie schädigen sich natürlich auch nicht.

  • S
    Super

    Also mir wurde der Schnuller ab und zu wohl mal in den Weißwein getunkt.

    Geschadet hat es nicht. Heutzutage würde damit meine Mutter aber sicher von Übermüttern vor Gericht gezehrt.

     

    PS: Ein streng Gläubiger Moslem geht doch nicht zu einem Kāfir.

  • D
    Dadama

    "Man darf also ruhig ein bisschen Rotwein in den Schmortopf gießen."

    Dankeschön, Herr Martin Reichert. Sehr tolerant. Hatte schon mit der Forderung gerechnet, dass dies staatlich reglemtiert werden müsse.

    "Es sei denn, Sie haben tatsächlich streng gläubige Muslime zu Besuch, dann wäre eine solche Art der Zubereitung in der Tat unhöflich."

    Ach so, ja natürlich. Diese Empfindlichkeiten muss man ja immer mit bedenken. Nicht dass es in irgendeinem pakistanischen Dorf wegen des deutschen Schmortopfes zu Unruhen kommt.

  • S
    stoef

    Der Bible-Belt ist aber meines Wissens woanders...