Autoindustrie und RWTH Aachen: Wirtschaft forscht
Ein mit der Autoindustrie verbandeltes Aachener Institut schreibt Studien für die Regierung. Die Ergebnisse sind fragwürdig.
KÖLN taz | Lutz Eckstein ist ein gefragter Experte und mischt an vorderster Front mit: An diesem Dienstag, gegen 12 Uhr, spricht der Professor der RWTH Aachen in Berlin auf der von der Bundesregierung ausgerichteten internationalen Konferenz zur Elektromobilität. Das Vortragsthema: „Ausbildung & Qualifizierung Elektromobilität – vom Wahlfach zur interdisziplinären Kernqualifikation“. Was das von ihm geleitete Institut für Kraftfahrzeuge (ika) und dessen Nähe zur Autoindustrie anbetrifft, sind Eckstein und seine Mitarbeiter dagegen deutlich schweigsamer.
Fragen der taz werden nicht beantwortet. Institutsleiter Eckstein sei am Rande der Berliner Konferenz zu sprechen, teilt ein Mitarbeiter stattdessen schließlich mit. Und stellt Bedingungen: „Wir erachten es als selbstverständlich, dass ein daraus resultierender Artikel uns vorab zur Freigabe vorgelegt wird.“
Der Vorwurf der industriegeleiteten Gefälligkeitsforschung wird dem Institut immer wieder gemacht. In Aachen reagiert man nicht mit Offenheit. Nichts, selbst Anfragen zur Mitarbeiterzahl will Kathrin Noreikat beantworten, immerhin „Ansprechpartner“ des ika für die Presse. Das Institut ist aufs Engste verbunden mit der Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen (fka), die laut Bundesanzeiger dem drittgrößten deutschen Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen gehört.
Man teilt sich Personal, zum Beispiel die Ansprechpartnerin für die Presse. Aus der Nähe zur Automobilwirtschaft machen die Wissenschaftler keinen Hehl. „Die enge Zusammenarbeit des Instituts für Kraftfahrzeuge an der RWTH Aachen University (ika) mit der Industrie führte 1981 zur Gründung der Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Aachen (fka)“, heißt es auf der Homepage.
12 Millionen Euro Umsatz im Jahr
Zusammen machen beide Einrichtungen 12 Millionen Euro Umsatz im Jahr, Tendenz steigend. „Die deutliche Steigerung der betrieblichen Gesamtleistung wurde insbesondere durch die Erhöhung des Unterauftrags an das ika realisiert“, heißt es im Geschäftsbericht des fka für 2011.
Die Wissenschaftler und Studenten der Einrichtungen forschen zu allen möglichen Aspekten des Autobaus, konstruieren und simulieren vom Antrieb über neue Systeme der Fahrerassistenz bis zum Aufbau von Prototypen. „Gefragter Durchlauferhitzer für die Automobilindustrie“, schreibt die Branchenzeitung Automobilwoche.
Zu den Kunden und Partnern zählen nicht nur Autohersteller und Zulieferer, sondern auch öffentliche Institutionen. Michael Müller-Görnert vom ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) beobachtet das mit Sorge: „Kenner der Umweltszene wissen, dass das ika oft sehr industriegefällige Gutachten erstellt.“
CO-Ausstoß
Für Aufregung gesorgt hat vor allem ein Gutachten zu den Kosten, die schärfere Regeln für den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen verursachen würden. Das Bundeswirtschaftsministerium hat es beim ika in Auftrag gegeben. Pünktlich zu den Verhandlungen auf EU-Ebene legte das ika im Februar das Ergebnis vor: Höhere Grenzwerte würden die Verbraucher demzufolge viel Geld kosten, im Schnitt 1.900 Euro.
Das war im Sinne der Automobilindustrie, die sich gegen höhere Grenzwerte wehrt. Die Studie versuche die Akzeptanz für weniger CO2 zu unterminieren, so die ehemalige NRW-Umweltministerin und heutige grüne Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn. „Die Studie hat uns sehr geärgert“, sagt Müller-Görnert vom VCD. Die Wissenschaftler hätten falsche Marktpreise zugrunde gelegt. Die wahren Mehrkosten lägen nur bei einem Viertel.
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