Die Wahrheit: POTEMKIN AUF IRISCH
Nächste Woche findet der G8-Gipfel in Irland statt. Und die krisengeschüttelte Insel hübscht sich schon jetzt auf für den hohen Besuch.
W enn Besuch kommt, möchte man einen guten Eindruck machen. Wir schieben vor dem Eintreffen der Gäste das Gerümpel, das überall herumliegt, in ein Zimmer, schließen es ab und behaupten, der Raum sei untervermietet. Einmal fehlte dafür die Zeit, als überraschend ein Kollege aus Berlin eintraf, so dass wir alles in einer Ecke stapelten und ein großes weißes Laken darüber breiteten. Das sei unser Alpenzimmer, erklärten wir und warnten den Gast davor, das Laken anzuheben, denn das würde eine Lawine auslösen.
Im nordirischen Belcoo an der inner-irischen Grenze ist man noch einen Schritt weiter gegangen. Dort haben sie mehr als 350.000 Euro ausgegeben, um das 500-Einwohner-Dorf aufzumotzen. Freilich erwartet Belcoo keine gewöhnlichen Gäste. Am Montag und Dienstag nächster Woche findet in diesem entlegenen Winkel am Ufer des Lough Erne der G8-Gipfel statt. Und man möchte die Politsäcke ja nicht mit unappetitlicher Armut konfrontieren.
Bei mehr als 100 Häusern, die auf dem Weg zum Veranstaltungshotel liegen, wurden die Fassaden auf Staatskosten gestrichen und ausgebessert. Die Bauruinen, die von den Unternehmern im Stich gelassen wurden, als die Immobilienblase platzte, versteckte man verschämt hinter Stelltafeln, auf denen blühende Landschaften zu sehen sind. Was sollte aber mit den leerstehenden Läden geschehen, deren Besitzer aufgrund der Wirtschaftsmisere pleite gegangen sind? Ganz einfach: Man ließ die Schaufensterscheiben von Künstlern mit Waren dekorieren, so dass man beim Vorbeifahren den Eindruck bekommt, die Geschäfte laufen glänzend.
Flanagans Metzgerei, der voriges Jahr bankrott ging, hat plötzlich wieder Steaks und Würste, Schweinelendchen und Brathähnchen, auch wenn sie nur aus bemaltem Papier bestehen. Die Apotheke gegenüber, die es schon seit Jahren nicht mehr gibt, wurde mit ein bisschen Farbe und Fantasie in ein Bürobedarfsgeschäft verwandelt. Warum auch nicht? Schließlich gaukeln uns die G8-Politiker seit Jahren vor, ihre Austeritätspolitik würde funktionieren.
Nur ein paar Nörgler, die das Geld für die Potemkinschen Dörfer lieber in Jobinitiativen gesteckt hätten, summen das Beatles-Lied „Back in the USSR“ vor sich hin. Dabei sind Blendwerk und Vertuschung doch wie Riverdance und schwarzes Bier längst auch Teil der irischen Tradition. Wenn ein hochrangiger Politiker kommt, schwärmen die Gemeindearbeiter aus, malen die Stadt bunt an und beseitigen Schlaglöcher.
Als Bill Clinton noch US-Präsident war, wollte man es besonders gründlich machen. Bevor er 1998 in Ballybunion im Südwesten Irlands eine Runde Golf spielte, ließen die Lokalpolitiker ihre Stadt aufhübschen. In ihrem Eifer tauschten sie auch das Ladenschild des Friseurs aus, der nun vorübergehend „The President‘s Shop“ hieß, bevor er wieder seinen alten Namen bekam: „Monica‘s“. Leider hatte jemand den Schilderaustausch gefilmt. Die Medien der Welt berichteten hämisch, und Clintons Lewinsky-freie Golfrunde war perdu.
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