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Militärdienst in NorwegenFrauen müssen zur Armee

Norwegens Parlament segnet mit den Stimmen der Opposition die geschlechtsneutrale Wehrpflicht ab. Auslöser der Initiative ist eine 15-jährige Nachwuchspolitikerin.

Sie muss wohl nicht mehr zur Armee: Die norwegische Prinzessin Mette-Marit (l.). Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Einer 15-jährigen Nachwuchspolitikerin der Linkspartei haben Norwegens Frauen es zu verdanken, dass sie ein weiteres Stück Gleichberechtigung erobert haben: Ab 2015 gilt die Wehrpflicht auch für sie. Ingrid Marie Isachsen Sylte, Vorsitzende des Bezirks Trondheim der "Sosialistisk Ungdom" ("Sozialistische Jugend"), hatte im März auf dem Parteitag der "Sozialistischen Linkspartei" einen entsprechenden Antrag eingebracht und so überzeugend begründet, dass die Partei, die in Oslo als Juniorpartner mitregiert, ihr folgte. In Norwegen soll eine geschlechtsneutrale Wehrpflicht eingeführt werden.

Ingrid Marie's Vorstoss löste einen regelrechten Dominoeffekt aus. Binnen zwei Monaten hatten sich nicht nur die übrigen Regierungsparteien, sondern auch die gesamte Opposition mit Ausnahme der Christdemokraten dieser Initiative angeschlossen. Am Freitag vergangener Woche segnete das Parlament bei fünf Gegenstimmen den Vorschlag einer geschlechtsneutralen Wehrpflicht ab. Formal soll das Gesetz nach der Parlamentswahl im September verabschiedet werden.

Bei einer Feier sprach die sozialdemokratische Verteidigungsministerin Anne-Grete Strøm-Erichsen von einem "historischen Tag". "Wir begehen das 100-jährige Jubiläum des Frauenwahlrechts. Da wird es höchste Zeit, dass Frauen auch beim Militär gleiche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten bekommen." Und ihr Parteifreund, Aussenminister Espen Barth Eide meinte: "Ich bin stolz, dass Norwegen als erstes Land geschlechtsneutrale Wehrpflicht einführt. Und ich bin überzeugt, dass noch viele Länder diesem Beispiel folgen werden."

Immer mehr Länder schaffen die Wehrpflicht ab und Norwegen weitet sie nun auf Frauen aus? Eine Abschaffung der männlichen Wehrpflicht wäre auch die einzige Alternative zum jetzigen Beschluss gewesen, meint die sozialdemokratische Parlamentarierin Anette Trettebergstuen. Denn solange man eine "allgemeine Wehrpflicht" in Norwegen habe - und die wird derzeit nicht in Frage gestellt -, habe diese auch für Frauen zu gelten.

Militärdienst ist für Frauen unattraktiv

Freiwillig Miltärdienst können Frauen in Norwegen schon seit 1976 leisten. 2010 wurde eine allgemeine Musterung für 18-jährige beiderlei Geschlechts eingeführt. Besonders attraktiv scheint das Miltär für Frauen aber nicht zu sein. Von 6000 weiblichen 18-jährigen, die 2011 als "tauglich" gemustert worden waren, hatten sich nur 700 bereit erklärt, den einjährigen Wehrdienst abzuleisten. Mit neun Prozent wurde das vom Militär formulierte Ziel, einen Frauenanteil von 15 Prozent zu erreichen - ab 2020 liegt die Vorgabe bei 20 Prozent - bislang verfehlt. Und eine von fünf Soldatinnen bricht den Dienst mit der Begründung ab, sie sei gemobbt oder sexuell belästigt worden.

Wenn das Militär 2015 die ersten wehrpflichtigen Frauen einberuft, dürfte sich an der bisherigen Praxis allerdings nicht viel ändern. Die Jahrgänge der ab 1996 Geborenen umfassen ca. 60.000 Jugendliche, von denen aber nur etwa 9000 Wehrpflichtige gebraucht werden. An dem eigentlichen Eignungstest nehmennur die teil, die sich bei der ersten - schriftlichen - Musterungsetappe motiviert gezeigt haben. In der Realität wird daher auch in Norwegen keine Frau gegen ihren Willen Wehrpflicht leisten müssen. In Friedenszeiten.

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9 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Von Prinzip her zumindest Konsequent. Gleichberechtigung kann es nur mit gleichen Pflichten geben. Entweder Wehrdienst für alle oder für keinen. Sinnvoller wäre jedoch einfach ein Pflichtjahr für beide Geschlechter mit völliger Wahlfreiheit (also ohne Gewissensprüfung) zwischen Militär- oder einem sozialen Zivil- bzw. einem internationalen Friedendienst.

  • RB
    Rainer B.

    Soldaten sind zum Töten da, dafür werden sie ausgebildet. Das hat weder etwas mit "links", noch etwas mit Gleichberechtigung zu tun. Mann oder Frau, die sich unbedingt dafür hergeben will, soll das meinetwegen tun, aber nicht im Rahmen einer Wehrpflicht. Ich kann darin keinen Fortschritt erkennen.

  • F
    Fritz

    1. Wer Rechte hat, hat auch Pflichten. Frauenrechte können nicht getrennt von Frauenpflichten diskutiert werden. Eine wirklich gleichberechtige Gesellschaft versucht dies in allen gesellschaftlichen Bereichen durchzusetzen. Und wenn breiter Konsens für die Wehrpflicht besteht, dann muss diese geschlechterneutral ausgestaltet werden. Die ist in Deutschland noch nicht der Fall, die Wehrpflicht wurde hier nur ausgesetzt. Im Spannungs- und Verteidigungsfall tritt diese sofort wieder in Kraft und zwar nur für Männer. Frauen können nur für zivile Dienste Zwangsverpflichtet werden.

     

    2. Wehrdienst ist wie der Name schon sagt für den Verteidigungsfall gedacht. Reguläre Wehrdienstleistende können nicht in einen Kriegseinsatz geschickt werden, es sei denn, dass sie sich freiwillig dazu melden. In einem unausweichlichen Konflikt, in dem fremde Kräfte die demokratische Grundordnung zerstören wollen und den Menschen in diesem Land die Freiheit zur Selbstbestimmung nehmen wollen, ist die Abwehr von Waffen mit schönen Worten oder netten Bunten Plakaten wohl kaum möglich. Der Wehrdienst soll dem Schutz der demokratischen Grundordnung dienen. Dort wo man auf den Einsatz der Waffe verzichtet, mag man im ersten Moment der Überzeugung sein, dass man ethisch richtig handelt, aber die Schreie der Schutzlosen, Angefriffenen und Wehrlosen wären nicht zu überhören. Die unterlassene Hilfeleistung wäre ethisch ebenso inakzeptabel und könnte als Mord bezeichnet werden. In solchen Situationen, wo Leben gegen Leben steht, kann man sich der Schuld am Menschen nicht entziehen, ob man Pazifist ist, oder Sodat, spielt dann keine Rolle mehr. Das sollte man beachten, wenn man andere als Mörder bezeichnet, die bereit sind für ihre Überzeugung das höchste Gut zu opfern. Menschen die nicht handeln und nur zuschauen opfern das höchste Gut anderer für ihre Überzeugung, ob das richtig ist?

  • BG
    Bernd G.

    Oh, endlich ist Wehr/-Zivildienst eine Bürgerpflicht und kein Zwangsarbeitsdienst für Männer. In der Form könnte man das gerne auch wieder bei uns einführen, denn es ist prinzipiell richtig, dass junge Männer (und Frauen!!!) lernen, dass es auch erfüllend sein kann einen Dienst für die Gemeinschaft zu leisten.

  • K
    Kopfschüttel

    "Frauen müssen zur Armee"

     

    Warum MÜSSEN, hä?!

     

    Ihr Frauen wollt doch Gleichberechtigung, also wo ist das Problem, hä?!

     

    In der Afghanischen, Pakistanischen, Türkischen, etc. Luftwaffe gibt es schon seit Jahren KampfpilotInnen!

     

    Kopfschüttel!

  • A
    AntonGorodezky

    In Norwegen scheint man auch dann um Gleichberechtigung bemüht zu sein, wenn das für Frauen nicht ausschließlich Vorteile bringt. Glückwunsch dazu! Offenbar scheint es auch so zu sein, dass nur diejenigen wirklich eingezogen werden, die das auch wollen. Mit so einer "allgemeinen Wehrpflicht" kann ich sogar leben.

     

    Während man offenbar gerne eine Frauenquote bei prestigeträchtigen und gut bezahlten Positionen fordert, warte ich bisher noch darauf, dass es auch eine Frauenquote bei Berufen wie:

    Maurer

    LKW-Fahrer

    Soldaten (im Kampfeinsatz)

    Bergarbeiter

    Lader in der Abfallwirtschaft

    und viele weitere mehr.

     

    Über Männerquoten bei bestimmten "Frauenberufen" könnte man auch mal nachdenken:

    Kindergartenbetreuer

    Grundschullehrer

    Krankenpfleger

  • C
    Cometh

    Respekt, Norwegen ist ein Land von dem wir viel könnten. Im vergenderten und auf den Hund gekommenen D wäre so etwas ausgeschlossen. Jahrzehntelang hat man junge Männer mit fadenscheinigen Gründen benachteiligt und keine der professionellen Empörer hat sich daran gestört. Die Wehrpflicht gilt weiterhin nur für Männer; sie ist nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt ...

     

    Schamlos die üblen Begründungsversuche für die Wehrslaverei: Frauen würden ja so sehr benachteiligt, schon in der Schule, und dann die Kinder, Altersarmut, BW hat noch keinem geschadet usw.

  • Z
    Zyniker

    Anstatt die Wehrpflicht abzuschaffen, hätte man das bei uns auch einführen sollen.

     

    Das wäre mal so eine richtig gute Gender-Politik gewesen.

     

    Auch mal im Schlamm robben und Dreck fressen erweitert den Horizont und lässt eine gefühlte oder tatsächliche Benachteiligung mal in einen völlig neuen Blickwinkel betrachtet sein.

  • SS
    Soldat/innen sind Mörder/innen

    Wenn (Pseudo)"Linke" eine konservative bis reaktionäre Politik betreiben, dann ist ihnen eigentlich nur zu wünschen, dass sie damit an die Wand knallen. Frauen zum staatlich verordneten Menschenmorden zu zwingen hat mit Frauenrechten und Feminismus nicht wirklich viel zu tun. Mich würde interessieren, was das für "Argumente" sein sollen, mit denen diese vermeintlich "linke" Teenagerin die anderen Parteien überzeugt hat. Es kann sich ja kaum um feministische und/oder progressive Argumente handeln, wenn sie damit sogar die extreme Rechte überzeugt hat. Auf dass der norwegischen (Pseudo)"Linken" bei den nächsten Wahlen eine deutliche Abfuhr erteilt wird! Eine allzu schlechtere Politik können Konservative auch nicht mehr machen.