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Kommentar SteinbrückEin Aussetzer im Durchhaltemodus

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Politik ist was für harte Kerle – wie Peer Steinbrück. Aber der SPD-Kanzlerkandidat hatte einen Moment der Schwäche. Trotzdem wird das „Ding durchgezogen“.

Traurig: Peer Steinbrück im Berliner Tempodrom. Bild: dpa

E s kommt nicht oft vor, dass Politiker sprachlos sind. Und den Tränen nahe. So wie Peer Steinbrück im Berliner Tempodrom. Es war ein Moment der ungefilterten, wahren Empfindung, ein Aussetzer im Durchhaltemodus. Die Presse macht sich seit Wochen über Pannen-Peer lustig, die Umfragewerte sind mies, sein Team funktioniert nicht.

Und dann lässt SPD-Chef Sigmar Gabriel auch noch durchblicken, was er von Steinbrücks Performance hält: nichts. Es war ein berührender, besonderer Augenblick, in dem der enorme Druck, unter dem Politiker in Mediengesellschaften stehen, zutage trat.

Ist das Schwäche? Von Exkanzler Schröder stammt der Satz, dass, wem es in der Küche zu heiß ist, halt kein Koch werden soll. Politik ist was für harte Kerle. Steinbrück selbst verkörpert ja normalerweise diesen Machotypus. Auch deshalb wirkt er neben der effektiven, netten, biegsamen Angela Merkel wie ein Auslaufmodell.

Die SPD hatte mit Steinbrück einen Vertrag. Er liefert Wähler, die der SPD fernstehen, dafür stützt die Partei ihn, den Ungeliebten. Den gleichen Deal gab es schon mit Helmut Schmidt und Schröder. Aber Steinbrück liefert nicht. Er war drei Jahre Politrentner und hat Anfängerfehler en masse produziert. Die Frage war nicht ob, sondern wann dieser Vertrag aufgekündigt wird.

taz
Stefan Reinecke

ist Parlamentskorrespondent der taz.

Die Frage lautet nun: Was tut die SPD, wenn sie begreift, dass sie nur noch auf die große Koaltion hoffen kann? Wer sich erinnert, wie intrigant Kurt Beck aus dem Amt gejagt wurde, weiß, wie versiert die SPD ihre Selbstzerstörung betreiben kann. Das Einzige, was bleibt, ist Durchhalten, egal wie die Umfragen sind. Einen anderen Kandidaten hat sie nicht. Gertrud Steinbrück hat gesagt: „Ich bin preußisch erzogen. Jetzt wird das Ding auch durchgezogen“. So ist es, bestenfalls. Mehr ist nicht drin.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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8 Kommentare

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  • AO
    Aleksandr Orlov

    "Die SPD hatte mit Steinbrück einen Vertrag. Er liefert Wähler, die der SPD fernstehen, dafür stützt die Partei ihn, den Ungeliebten. Den gleichen Deal gab es schon mit Helmut Schmidt und Schröder."

     

    Das ist der Denkfehler der SPD.

    Die der SPD fernstehenden Wähler sind entweder noch weiter rechts, dann wählen sie sowieso die Christlichen oder eine der beiden FDPs (mit und ohne Dosenpfand), aber auf keinen Fall die SPD. Warum das Fake wählen, wenn man das Original haben kann?

    Oder die fernstehenden Wähler sind Nichtwähler, das nennt man asymmetrische Demobilisierung. Mit ihrer Polkitik aus den Jahren der Schröder-Selbstbedienerriege hat die SPD ihre Stammwähler in Heerscharen ins Nichtwählerlager getrieben. Und da bleiben sie auch, solange Nasen wie Steinbrück als Kandidatendarsteller präsentiert werden.

    "nur die allerdümmsten Kälber..." - der Spruch gilt nicht mehr, die vom Schröderianismus betroffenen ex-Wähler wären schön blöd, einen Schröderianer zu wählen. Wenn die SPD Wähler gewinnen will, muss sie nicht bei den anderen Neoliberalen wildern, sie muss sich wandeln und für verprellte und gebrannte Nichtwähler attraktiver werden.

    Für jeden verlorenen Agenda-Fan kriegen sie dann zwei Nichtwähler zurück. Die Mitte ist nämlich viel weiter links als die SPD das glaubt. Unter anderem deswegen hat die SPD das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte mit einem für ihre Verhältnisse mutigen und ziemlich linken Wahlkampf und einem glaubwürdigen linken Kandidaten erzielt - also mit dem genauen Gegenteil dessen, was sie heute glauben dem Wahlvolk präsentieren zu können.

    Einen Schröderianer und Agenda-Fan, Busenfreund vom Sklavenarbeits-Clement, dazu ein gnadenloser Dampflauderer mit maßlosem Ego, ein grenzenloser Unsympath ohne jede soziale Empathie - wenn die ernsthaft glauben, dass sie damit die Wahl gewinnen, ist ihnen nicht zu helfen.

  • M
    Mark

    Dies ist keine kämpferische SPD mehr, dies ist ein Haufen Einzelkämpfer der zunehmend in Selbstmitleid zerfällt. Apropos Mitleid, vielleicht bekommen Sie ja dadurch ein paar Pünktchen hinter dem Komma mehr, naja auch eine Strategie..

  • RL
    Rainer L.

    Mir kommen zwar nicht die Tränen, aber als nicht SPD-Wähler empfinde ich die Kampagne gegen Steinbrück und damit gegen eine möglich rot/grüne Regierungsbildung unerträglich. Als wenn die teilweisen Fehlleistungen der SPDler nicht ausreichen würden, darf sich quer durch die Presselandschaft jeder, vom ausgebildeten Journalisten, bis zum Praktikanten an Steinbrück abarbeiten. Frau Merkel kann sich entspannt zurücklehnen und nichts tun..

  • L
    Larissa

    Im TV war zu sehen, in welchem Zusammenhang Peer Steinbrück geweint hat. In der taz erfährt man das nicht. Er wurde gefragt "Wieso tun Sie sich das an?" Gemeint war die kanzlerkandidautr/ der Wahlkampf.

     

    Tja, das ist schon seltsam wenn einer, der Kanzler werden will, weint, weil er sich den Wahlkampf an tut.

    Das ist doch wohl üblich, dass sich KanzlerkandidatInnen den Wahlkampf "an tun", oder nicht?

     

    Alle Parteien sind Mobbing-Parteien. Die SPD soll ja besonders gut darin sein.

     

    Aber das entscheidende für die Wählerinnen ist, dass die SPD, ebenso wie die Grünen, falsche politische Inhalte haben und durch ihre Politik seit 1998 unglaubwürdig sind.

     

    Von 1998 bis 2005 hat Rot-grün neoliberale Politik im Interesse der Arbeitgeberverbände (Agenda 2010 und hartz-IV-gesetze) der Banken (Deregilierung des finanzmarktes) und der Versicherungslobby (Staatliche Förderung von Riester-Verrträgen). ausßerdem hat Rot-Grün durch die zustimmung unsinnigster Kriegseinsätze die Interessen der Rüctungslobby bedient.

     

    Danach haben Rot-Grün, seit sie beide in der Opposition sind in den wesentlcihen Fragen stets gemainsam mit Schwarz-Gelb im Bundestag abgestimmt.

     

    Und jetzt will uns die SPD mit dem einstigen neoliberalen Finanzminister der großen Koalition einreden sie stünde plötzlich für soziale Gerechtigkeit, das ist doch lächerlich! Steinbrück könnte genauso gut für die CDU Wahlkampf machen, ebenso wie die Grünen.

     

    Genauso lächerlich sind die Grünen mit ihrem verlogenen sozialen-Getue. Trittin, Göring-Eckhardt, Künast - u.a. sie stehen für die alte neoliberale Niedriglohn- und Veramrungspolitik von Rot-Grün !

     

     

     

     

     

    Taz: "Es war ein Moment der ungefilterten, wahren Empfindung, ein Aussetzer im Durchhaltemodus. Die Presse macht sich seit Wochen über Pannen-Peer lustig, die Umfragewerte sind mies, sein Team funktioniert nicht.

     

    Und dann lässt SPD-Chef Sigmar Gabriel auch noch durchblicken, was er von Steinbrücks Performance hält: nichts."

  • RB
    Rainer B.

    Es war ausgerechnet die Frage nach dem Wofür er denn stehe und kämpfe, die seine Sprachlosigkeit auslöste und ihm die Tränen kommen ließ. Er hatte einfach keine Antwort darauf, so wie auch die SPD insgesamt längst nicht mehr weiß, wofür es sie überhaupt noch gibt. Tränen des Selbstmitleids waren das.

     

    Stille und Einkehr wäre die angemessene Reaktion gewesen, aber nichts fürchtet die Partei mehr als das. Schnell wurde aufgesprungen und applaudiert. Welch großes, absurdes Theater! Hollywood läßt grüßen.

     

    Seine Frau hatte vorher wortgewand argumentiert, dass ein Mann, der soviel aufgebe für diese Kandidatur doch für etwas stehen müsse.

    Das war nett gemeint, ging aber voll nach hinten los. Was gibt der liebe Peer denn schon auf?

    War das nicht ein Faustschlag ins Gesicht aller Hartz-IV-Empfänger und Billiglöhner, die in den letzten Jahren alles aufgeben mussten - Besitz, Rechte, Würde, Gesundheit und Hoffnung.

     

    Heul doch, SPD! Ihr seid nur ein Lehrstück für Parteien, die vom Verkauf ihrer Prinzipien leben. Den Grünen steht dieses Theater noch bevor.

  • D
    Detlev

    Und nun das: Die Kandidatur wird durchgezogen, aus preußischer Hartnäckigkeit. So sprechen nicht Gewinner, so sprechen gebeutelte, abgeschlagene und selbstgefällige Menschen, die keinen Kompass mehr haben. Mit Disziplin hat noch nie jemand eine einzige Wahl gewonnen. Und mit einer frustriereten, bornierten Ehefrau auch nicht. Es gibt immer noch ein paar Tausend ehrenamtliche SPD-Wahlkämpfer, die sich auf den Straßen abrackern, um das Schiff wieder flott zu machen und die können jetzt lesen, dass die Steinbrücks am liebsten aufgeben wollen?

     

    Pannen-Peer III. Teil - Fortsetzung folgt - siehe Morgen in den Nachrichten.

  • MN
    Mein Name

    Der Spruch mit der Hitze in der Küche (If you can't stand the heat, get out of the kitchen.) stammt nicht von Ex-Bundeskanzler Schröder, sondern vom Ex-Präsidenten der USA Harry S. Truman.

  • E
    eksom

    Nach außen hat etwas nur dann Bestand, was innen vorhanden ist! Bei Steinbrück stimmt herrscht eine große Diskrepanz, zwischen innen und außen.

    Daher wird er die Wahlen am 22. September verlieren!

    Und der gesamte SPD-Vorstand, der ihn nominiert hat, darf dann nach dem 22. September mit Steinbrück gehen.