piwik no script img

FlüchtlingscampGespräche gegen Spannungen

Nach dem Messerangriff auf einen Flüchtling wird der Täter noch gesucht. Bezirksbürgermeister Schulz lädt zum Runden Tisch.

Am Montag gab es hier eine Messerstecherei Bild: dpa

Nach dem Messerangriff auf einen Bewohner des Flüchtlingscamps am Kreuzberger Oranienplatz versuchen Bezirk und Asylbewerber die aufgeheizte Situation zu beruhigen. In den kommenden Tagen soll es ein Gespräch mit Anwohnern unter Leitung von Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) geben.

Am Montagabend hatte ein junger Deutschtürke einem sudanesischen Campbewohner mit einem Messer in die Brust gestochen. Der Angreifer soll sich laut Polizei beim Durchqueren des Camps mit seinem Kinderwagen provoziert gefühlt haben. Die Flüchtlinge sprachen dagegen von einer anlasslosen Tat. Im Anschluss eilten Bekannte des Angreifers zum Camp und bedrohten die Asylbewerber, die zurückschimpften. Die Polizei musste eingreifen. Auch Anwohner klagten am Folgetag über Probleme mit dem Zeltlager.

Laut Bürgermeister Schulz haben alle Parteien nun zugesagt, sich zeitnah zusammenzusetzen und über Probleme zu reden. Auch Napuli Langa vom Flüchtlingscamp erklärte, bei Bedarf stehe man für Gespräche zur Verfügung. „Wir wollen mit niemandem Probleme.“ Den Angriff und die Bedrohungen rechnet Langa „Einzelpersonen“ zu. Es helfe nicht, nun „zu generalisieren und ethnisieren“. Am Dienstagnachmittag war eine Aussprache zwischen Flüchtlingen und Besuchern einer benachbarten Teestube aufgrund der gereizten Stimmung noch gescheitert.

Für die Gespräche boten sich Mitglieder von Allmende, einem Kreuzberger Verein für alternative Migrationspolitik, in dem sich auch viele Deutschtürken bewegen, zur Vermittlung an. Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner forderte dagegen den Bezirk auf, das Camp innerhalb von zwei Wochen aufzulösen: Die Ausschreitungen seien „alarmierend“ und würden auch Anwohner gefährden.

Der Messerstecher ist unterdessen laut Polizei weiter flüchtig. Die Person sei bekannt, sagte eine Sprecherin. Man habe ihn aber „noch nicht sprechen können“. Die Polizei musste auch einräumen, fälschlich mitgeteilt zu haben, dass das Opfer nur ambulant behandelt wurde und „oberflächlich“ verletzt worden sei. Tatsächlich sei der Flüchtling noch im Krankenhaus.

Das bestätigen auch Campbewohner. Der Angegriffene habe eine tiefe Schnittwunde erlitten, sei aber ansprechbar. Im Camp hatte die Nachricht über die Klinik-Entlassung für Unruhe gesorgt, weil Mitstreiter den Sudanesen telefonisch nicht erreichten und ihn suchten.

Auch auf einer Demonstration der Flüchtlinge und ihrer Unterstützer am Dienstagabend wurde die Polizei kritisiert. Die Beamten hätten auf den Messervorfall und die folgende Unruhe im Camp „martialisch“ reagiert und „brutal“ Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt. Moniert wurde auch, dass sich Polizisten weigerten, Englisch zu sprechen. Schon dadurch komme es zu vielen Missverständnissen.

Die Demo zog zum Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke, auch um dort die Freilassung eines Mitstreiters zu fordern. Der Malier wurde mit neun anderen bei den Auseinandersetzungen am Montagabend festgenommen, laut Polizei wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Anders als die anderen wurde er nicht entlassen, weil ein Abschiebebescheid gegen ihn vorlag. Tatsächlich wurde der Mann am späten Abend freigelassen. Warum, konnten am Mittwoch weder Polizei noch Campbewohner sagen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

13 Kommentare

 / 
  • S
    Stefan

    Wo ist die Polizei, wenn Menschen in Berlin zusammengeschlagen und abgestochen werden?

     

    Ein türkischstämmiger Bürger hat am 24.06.2013 versucht, einen Flüchtling am Oranienplatz in Berlin zu töten, nur deswegen, weil der Afrikaner ihn direkt in die Augen ankuckte. Nach der Messerattacke hat der Verbrecher seinen Sohn im Kinderwagen liegen gelassen und ist weggerannt. Es gibt mehrere neutrale Zeugen, die lassen sich nicht einschüchtern!

     

    Der Man blutete liegend auf dem Boden.

     

    Als die Polizei ankam, sind sie sofort auf die Flüchtlinge losgegangen - wie bei einem Krimi; anstatt sich erst um den verletzten zu kümmern, der verblutend sterben konnte. Der Man wurde nach einiger Zeit auf die Intensivstation gebracht.

     

    Laut weniger (unverständlicher Weise) Zeitungsberichte wird nur berichtet, dass der Asylbewerber aus Afrika einen türkischstämmigen Bürger provozierte. Die Flüchtlinge wurden seitens der Journalisten zum Geschehen nicht befragt. Die Provokation war aber, dass der Afrikaner den türkischstämmigen Bürger direkt in die Augen ankuckte. Daraufhin sprach (…was kuckst du…), schrie er ihn an und stach plötzlich mit einem Messer in die Brust. Zum Glück hat er sein Ziel – das menschliche Herz verfehlt.

     

    Der Messerstecher ist der Polizei namentlich bekannt und hatte bereits Probleme mit der Polizei. Warum ist der Attentäter noch auf freiem Fuß?

     

    Am Abend des selben Tages kam eine Bande (wie in Mafia Filmen), um mit Flüchtlingen am Oranienplatz abzurechnen. Der Einsatz der Polizisten – auch mit Trennensgas - war jedoch, überwiegend gegen Flüchtlinge, die sich gegen Gangster versuchten zu verteidigen.

     

    Kaum ein Deutscher ohne Migrationshintergrund traut sich zu Fuß nach Kreuzberg oder Neukölln, wenn er dort nicht bereits wohnt. Das Problem in Kreuzberg und Neukölln heißt Rassismus und insbesondere Gewalt. Wo ist die Polizei? Bei Neptun am Alexanderplatz, beim „Retten gegen Ertrinken“ eines geistiggestörten/betrunkenen Touristen.

     

    Wenn Sie in Kreuzberg oder Neukölln sind, passen Sie auf, wen Sie mit Ihren Augen ansehen/“ansehen dürfen“! Deswegen passieren dort öfters Schlagereien und Messerstechereien. Von der Polizei selbst - werden diese Orte als die gefährlichsten in Berlin bezeichnet. Darüber gibt es Berichte in der Presse. Dort fährt ein Streifenwagen viel seltener als in allen anderen Stadtbezirken.

     

    Viele deutsche und selbst türkische Bürger (beispielsweise Kotti & CO-Bürgerinitiative) haben Solidarität mit Flüchtlingen gezeigt! Das Problem in Kreuzberg und Neukölln heißt Rassismus und insbesondere Gewalt.

     

    PS. Nach dem Gesetz, jemanden anzukucken ist nicht verboten. Jemanden ansprechen, wie: „Was kuckst du…“ oder jemanden anzuschreien ist eine Belästigung und Bedrohung! Natürlich sind die Flüchtlinge keine Bürger laut Gesetz und können sich nicht auf das Bürgergesetzbuch oder Strafgesetzbuch beziehen. Wird dann der Mordversuch honoriert und der Attentäter mal wieder unbestraft davon kommen?

  • JP
    Jochen Petersen

    Murat Tebatebai: Bei den Anwohnern, die sich über das Camp beschweren, handelt es sich nicht um die "alternativ-linke Szene", sondern um türkische Migranten. Die wehren sich gegen das Flüchtlingscamp übrigens mit den gleichen Argumenten, die die deutsche Mehrheitsgesellschaft vor ein paar Jahrzehnten gegen Türken vorgebracht hat: Die sind laut, die machen Müll, die machen unsere Frauen an, die handeln mit Drogen.

     

    In der taz können Sie das hier nachlesen:

     

    http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/06/19/a0124

    http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/06/19/a0125

  • M
    Michael

    Welche "Ausschreitungen" ??? Wovon oder wodurch fühlte sich der Vater provoziert??? Ich lebe direkt um die Ecke und durchquere das Protestcamp seitdem es besteht regelmäßig mit und ohne Kinderwagen mit meinem kleinen Kind. Bisher habe ich selbst nur positive Reaktionen auf mein Kind erlebt: Einladungen zum Essen, Musizieren, Fußballspielen und einfach freundliche Kontaktaufnahme. Daher überrascht mich, dass der Vater sich dazu "provoziert fühlte" eine Person mit einem Messer in die Brust zu stechen?!

    Lag eine Notwehr Situation vor?

    Oder ist das eine Schutzbehauptung, um einer schweren Strafe wegen gefährlicher Körperverletzung oder Mordversuch zu entgehen?

     

    In den letzten 1,5 Jahren habe ich vereinzelt direkte rassistische Beschimpfungen am Rande des Protestcamps erlebt. Vielleicht drei mal mit unterschiedlichen - jedoch nie tätlichen - eher besonnen bis gereizten verbalen Reaktionen.

     

    Bei mir entsteht eher der Eindruck, dass nun durch und anlässlich eines tätlichen Angriffs (in der bisherigen Darstellung offenbar gegen einen Flüchtling) versucht wird Stimmung gegen die Anwesenheit der Flüchtlinge zu machen. Wer schon länger in der Gegend wohnt, weiß dass die südlichen Flächen des O-Platzes bislang weitgehend ungenutzt waren - vorwiegend als Hundeauslauf mit dem entsprechenden Ergebnis ;)

  • K
    Kafka

    Wansner: "das Camp innerhalb von zwei Wochen aufzulösen!".

     

    Super Idee, am besten von der Polizei räumen lassen - Mitten im SO36. Dann knallt´s richtig. Sowas kann auch echt nur von der CDU kommen.

  • MN
    mein Name

    Englischkenntnisse sind in Positionen wie diesen unabdingbar und mangelhafte Kenntnisse lassen sich nicht entschuldigen. Sprachliche Kenntnisse und Bildung müssen gewährleistet sein!

  • MT
    Murat Tebatebai

    Na schau mal einer an! Hey, alternativ-linke Szenbe, wo bleibt denn Eure Toleranz, Euer Multi-Kulti-Gehabe? Toleranz hört bei Euch vor der eigenen Haustür auf. Wohlstand macht eben konservativ. Und nach Meinung von Claudia Roth und Christian Ströbele sind ja alle Türken lieb und nett (bin selber einer), die besseren Menschen eben. Prenzlauer Berg lässt grüßen. Am besten Ihr errichtet Mauern und Stacheldrahtzäune um Eure geliebten Altbauwohnungen.

  • MK
    Markus Kammermeier

    Hoffentlich werden die Gespräche für beide Seiten so erfolgreich sein, dass Wansner (CDU) mit seinem Versuch der Initiierung Unterschriftenkampagne in der Nachbarschaft des Camps scheitert - dass er daran scheitert zwei Bevölkerungsgruppen, die in Deutschland schon viel erleiden mussten, gegeneinander auszuspielen. Solidariät ist die Zärtlichkeit der Völker.

  • A
    Antifunt

    @Tim Leuther

     

    Wenn man nun mal die welt retten will, dabei aber weder sich selbst in Gefahr bringen möchte, noch auf die angenehme finanzielle Absicherung verzichten, die der Politikerberuf so mit sich bringt, bleibt halt nur das.

     

    Gruß an den Zensor.

  • S
    super

    "Moniert wurde auch, dass sich Polizisten weigerten, Englisch zu sprechen. "

     

    Die Amtssprache ist Deutsch.

    Sprich wenn ein Polizist auf Englisch etwas anordnet hat es keine Rechtskraft.

    Abgesehen davon, eventuell konnten die Polizisten auch kein Englisch.

    Währe mir neu das dies Pflicht währe.

  • HP
    Horst Pachulke

    Bei aller Sympathie für die Anliegen der Flüchtlinge und bei allem Verständnis für die Wut nachdem ein Mordversuch bezeugt wurde: In Deutschland ist damit zu rechnen, dass Polizisten Deutsch reden. Gerade in aufgeheizten Situationen kann es schnell zu sehr schwer im Nachhinein als Missverständnisse aufzuklärenden Missverständnissen kommen, wenn eine Amtsperson in einer Fremdsprache versucht, einen Umstand zu erläutern. "Aber er hat ganz sicher das und das gesagt" - was dann unter Umständen sogar stimmt. Nur hat er was ganz anderes sagen wollen. Und das glaubt dann keiner.

  • TL
    Tim Leuther

    Der Bezirksbürgermeister sollte mehr Bezirkspolitik machen. Nicht Bundes oder Europapolitik.

  • CU
    Chips und Bier

    Kann mir jemand Chips und Bier bringen? Es wird mit der Satire immer besser. Nur die Polizisten welche zu Geiselnahme, Mordversuch und sonstigen Missverständnissen gerufen und dann von Poitikern im Stich gelassen, von den medien als Gewaltursache und von den Tätern bzw. ihren durchgebratenen Verteidigern als SA dargestellt werden, die tun mir leid. Ich bin gespoannt wie solche Polizisten vorgehen wenn sie nach einem rechten Politikwechsel dürfen wie sie wollen. Ganz ohne Emotionen ist kein mensch, egal wie sehr er profi ist. Ich bin sehr für eine Arena ohne Polizei.

  • J
    jopal

    .. ich kann aus eigener Erfahrung sprechen.. ich hatte damals ein wenig mehr mit Arabern zutun.. diese sahen z.B. Afrikaner und Ostasiaten als Menschen zweiter Klasse. Oftmals sind rassistische Ausdrücke gefallen wenn ich mit der Gruppe unterwegs war und wir einen der angesprochenen Mitmenschen trafen.

     

    Rassismus unter Migranten ist KEINE Randerscheinung.