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VerkehrVerwirrung an der Ampel

Wieder kam es auf der Kreuzung am Checkpoint Charlie zu einem schweren Unfall. Die besondere Kreuzungsgestaltung dort ist laut ADFC aber nicht ursächlich für die Unfälle. An der Greifswalder Straße stirbt Radfahrerin nach Zusammenstoß mit Laster.

Die Stadt braucht mehr Radwege. Bild: dpa

Vor 13 Jahren begann in Kreuzberg die Revolution – zumindest an einer Straßenkreuzung. Seitdem dürfen an der Ecke Friedrichstraße/Kochstraße, direkt am Touristenmagnet Checkpoint Charlie, Fußgänger bei Grün auch quer über die Straße laufen. Dann haben sie „Rundum-Grün“, Autos und Fahrräder müssen warten. Die Kreuzung soll für Fußgänger attraktiv sein – aber sie führt auch häufig zu verwirrenden Situationen. Innerhalb von wenigen Wochen gab es hier zwei schwere Unfälle.

Am Montagvormittag ist eine Radfahrerin dort bei einem Unfall mit einem Lastwagen schwer verletzt worden. Der Fahrer des Lasters mit auswärtigem Kennzeichen wollte an der Kreuzung rechts in die Kochstraße abbiegen. Die Radfahrerin fuhr auf der Friedrichstraße geradeaus weiter, geriet unter das Fahrzeug und erlitt dabei schwere Verletzungen an einem Bein. Sowohl die Radfahrerin als auch der unter Schock stehende Lkw-Fahrer wurden ins Krankenhaus gebracht. Die gesamte Kreuzung wurde stundenlang gesperrt. Anfang Mai war an der Stelle eine 24-jährige Radfahrerin von einem Betonmischer erfasst und lebensgefährlich verletzt worden.

Vor knapp zwei Wochen kam es an derselben Stelle zu einem Fast-Unfall zwischen einer Radlerin und einem auswärtigen Reisebus, der beim Abbiegen beinahe die Radlerin – die eindeutig Vorfahrt hatte – erfasst hatte. Im Anschluss zur Rede gestellt, sagte der Fahrer: „Wo kam die denn plötzlich her, die Fußgänger hatten doch Rot?“ Ihn verwirre diese Kreuzung. In der Tat müssen Fußgänger an dieser Kreuzung abbiegenden Fahrzeugen Vorfahrt gewähren. Fahrzeugführer könnten sich durch das Rotzeichen für Fußgänger in Sicherheit wiegen und – fälschlicherweise – vor dem Abbiegen auf den vergewissernden Schulterblick, der auch Fahrradfahrer ins Auge nimmt, verzichten.

Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei an dieser Kreuzung keine Unfälle mit Radfahrern. In den drei Jahren zuvor waren es jeweils vier bis sechs gewesen. Einen tödlichen Unfall hat es dort seit 1992 nicht gegeben. Zum Vergleich: Am Kottbusser Tor gab es im vergangenen Jahr 16, am Hermannplatz 21 und am Moritzplatz 28 Radunfälle.

„Uns ist nicht bekannt, dass es am Checkpoint Charlie eine besondere Unfallhäufung gibt“, sagte eine Sprecherin der Senatsverkehrsverwaltung. In der Stadt gebe es viele unterschiedliche Verkehrssituationen, da müsse jeder aufpassen. Sollte die Kreuzung mit der Rundum-Grün-Schaltung wirklich auffällig sein, könne man sie auch wieder anders regeln.

„Die Kreuzung ist unauffällig“, sagte Bernd Zanke, Verkehrssicherheitsexperte des Berliner Fahrradclubs ADFC. Die Art der Kreuzungsgestaltung dort sei nicht ursächlich für die Unfälle. „Generell gilt: Als Radfahrer sollte man sich an der Ampel nie neben einen Lkw stellen, sondern immer davor oder dahinter.“

An der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg verstarb am Montag eine Radfahrerin, nachdem sie – nach ersten Erkenntnissen der Polizei – bei Rot über eine Kreuzung fuhr und mit einem Laster zusammenstieß.

RICHARD ROTHER

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8 Kommentare

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  • M
    maiqi

    Zitat: >

     

    ... und genau hierin liegt das eigentliche Kernproblem der Sache: ein Radfahrer ist eben KEIN Fußgänger, egal wo die jeweilige (sinnvolle oder unsinnige sei dahingestellt) Wegeführung für Radler verläuft, sondern laut STVO Teilnehmer am rollenden Verkehr mit allen Konsequenzen. Und solange dies nicht in den Köpfen der Autofahrer ankommt, nützen die innovativsten Verkehrskonzepte nichts ...

  • L
    lotus

    @ icke

     

    § 5 Absatz 8 StVO ( http://dejure.org/gesetze/StVO/5.html )

     

    Diskusionsanregung:

    http://www.rad-recht.de/rad-recht/rechtsirrtuemer/rechts-ueberholen/

     

    Ich selber fahre wegen den Radfahrern und Füßgänger kaum noch Rad. Autofahrer kennen (zumindestens) Regeln und sind meines erachtens leichter einzuschätzen

  • JP
    Jochen Petersen

    Frank Nowak, ich habe Richard Rother so verstanden: Wenn Autos an dieser Kreuzung abbiegen, dann haben sie grün. Wenn sie grün haben, haben Fußgänger rot. Deshalb müssen die Fußgänger den Autofahrern dann Vorfahrt gewähren. Die Autofahrer wissen, dass ihnen kein Fußgänger in die Quere kommen kann. Sie müssen daher beim Abbiegen nach rechts nicht rechts aus dem Fenster schauen, um zu sehen, ob gerade ein Fußgänger die Straße quert. Dadurch ist das Risiko höher, dass die Autofahrer vergessen, rechts über die Schulter nach einem Radfahrer zu schauen. Natürlich sind sie zu diesem Schulterblick verpflichtet und die meisten machen es auch, aber das Risiko des Vergessens ist höher und bei tausenden Abbiegevorgängen pro Tag kommt es dann alle paar Monate mal zu einem Unfall, der an einer anderen Ampel vielleicht so nicht passiert wäre. Die absoluten Unfalzahlen sind ja pro Kreuzung ziemlich gering und sie schwanken auch jährlich, die statistische Aussagekraft ist also nicht besonders hoch, und über die Unfallursachen kann man ohnehin nichts mit letzter Gewissheit sagen. Aber so völlig unplausibel ist die These von Herrn Rother nun auch nicht, da könnte schon was dran sein.

  • FN
    Frank Nowak

    Die Tageszeitung vom 25. Juni 2013 „Verwirrung an der Ampel“

     

    Sehr geehrter Herr Rother,

     

    in Ihrem oben genannten Artikel schrieben Sie:

     

    „In der Tat müssen Fußgänger an dieser Kreuzung abbiegenden Fahrzeugen Vorfahrt gewähren. Fahrzeugführer könnten sich durch das Rotzeichen für Fußgänger in Sicherheit wiegen und – fälschlicherweise – vor dem Abbiegen auf den vergewissernden Schulterblick, der auch Fahrradfahrer ins Auge nimmt, verzichten.“

     

    An der Kreuzung Koch/Friedrichstraße müssen die Fußgänger abbiegenden Fahrzeugen keineswegs Vorfahr gewähren. Wie kommen Sie darauf. Wenn die Fußgängerampel grün zeigt kann die Kreuzung ohne abbiegenden Verkehr überschritten werden, da alle Ampellichter für Fahrzeuge rot anzeigen.

     

    Fahrzeugführer könnten sich durch das Rotzeichen für Fußgänger nicht in Sicherheit wiegen. Schließlich muss beim Abbiegen auf die anderen Verkehrsteilnehmer geachtet werden, die gerade aus fahren. Das ist an jeder Ampel und auch an Kreuzungen ohne Ampel so.

     

    Wo liegt das Problem an dieser Kreuzung:

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Frank Nowak

  • I
    icke

    ich verstehe den Zusammenhang mit dem Grün der Fußgänger und den Radfahrern nicht. Wenn Fußgänger grün habe, hat der Radfahrer rot. Auch das Problem zwischen Radfahrer und Autoverkehr kann ich nicht nachvollziehen. Da kein Radweg vorhanden ist, muss der Radfahrer auf der Straße fahren. Sollte sich der Radfahrer einer roten Ampel nähern, dann hat er hinter den bereits wartenden Fahrzeugen zu warten. Es ist mir nicht bekannt, das Radfahrer rechts überholen dürfen bzw. vorbeischlängeln. Auch ich mache dies, aber mir ist die Gefahr bewusst und ich halte immer zwischen zwei Autos, damit mich das hintere Fahrzeug sieht und das vordere Fahrzeug nach rechts abbiegen und ggf. den Schulerblick vergessen kann.

     

    Wenn ich einige Radfahrer sehen, die sich einen Fuß auf der Bordsteinkante, halb fahrend halb schiebend an den Auto vorbeischlengeln und neben einen LKW, der evtl schon den rechten Blinker gesetzt hat, im toten Winkel stehenbleiben dann ist den Radfahrern nicht mehr zu helfen.

     

    Autofahrer müssen mehr Rücksicht auf die Radfahrer nehmen bzw. als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer wahrnehmen. Radfahrer wiederum sollten sich auch dementsprechend als vollmündige Verkehrsteilnehmer benehmen und mehr vorrausschauender fahren.

  • P
    PeterWolf

    Und wenn die Fußgänger Grün haben, steht die Ampel für Autos und Radfahrer auf rot!!

    Und an allen andern Kreuzungen mit und ohne Ampel gilt: abbiegende Fahrzeuge haben auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen und gegebenenfalls anzuhalten.

    Ich empfehle allen Redakteuren, nicht nur denen der TAZ, sowie allen Auto- und Radfahrern, sich mal wieder Straßenverkehrsordnung durchzulesen, statt Mist zu schreiben, oder sich, noch schlimmer, in Vorfahrt zu wähnen und schwächere Verkehrsteilnehmer zu verletzen oder zu töten.

    Ein anderer Fall ist der tote Winkel bei Fahrzeugen, die keinen Schulterblick zulassen.

    Dadurch sind ebenfalls schon viele Menschen zu Tode gekommen, obwohl es technische Lösungen gibt.

    Aber die will der Gesetzgeber nicht verbindlich vorschreiben, weil es die Fahrzeughalter etwas Geld kosten würde.

    Deshalb geht der Verkehrsminister über Leichen!

  • Z
    Zarl

    Also so eine Kreuzung gibt es schon sehr sehr lang mitten in Jerusalem. Leicht erkennbar an den auch diagonal verlaufenden Zebrastreifen. Funktioniert für Fussgänger klasse. Allerdings war dort bei meinem letzten Besuch der Fahrradverkehr noch nicht sehr ausgeprägt. Für Fahrradfahrer halte auch ich Schutzstreifen (bei denen aber der Missbrauch als Parkplatz verfolgt werden muss) und eigene Aufstellzonen vor Ampeln für sinnvoll und wichtig. Dann wird man besser gesehen und man muss nicht in der Abgaswolke stehen.

  • UL
    Uwe Lütge

    Liebe RedakteurInnen, bitte etwas genauer: An der Ampel-Kreuzung Checkpoint Charly dürfen "Fußgänger bei Grün auch quer über die Straße laufen", ist nicht die eigentliche Besonderheit dort, denn wenn der Autoverkehr Rot hat, laufen FußgängerInnen immer quer davor über die FAHRBAHN. Die Besonderheit ist, dass dies an allen vier Seiten gleichzeitig geschieht und die Fußgänger deshalb dort auch auf kurzem Wege DIAGONAL über die Kreuzung laufen können. Im Übrigen braucht Berlin keinesfalls mehr Radwege, sondern auf der Fahrbahn mehr Schutzstreifen und - wo die Fahrbahnbreite es hergibt - Radfahrstreifen, denn dort sind Radelnde nicht hinter parkenden Autos versteckt und überraschen an den Straßenecken abbiegende Autler. (Weiteres beim Kommentar von Richard Rother)