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Kolumne American PieSieger ohne Sternchen

Der Triumph der Chicago Blackhawks in der NHL rettet eine Rumpfsaison, die mit einem Streik begann – in dem Chicagos Kapitän eine wichtige Rolle spielte.

Prost: Jonathan Toews trinkt aus dem NHL-Pokal. Bild: ap

E s war irres Finale einer irren Finalserie. Das sechste von sieben möglichen Spielen war beinahe zu Ende und fast sah es so aus, als hätten sich die Spieler der Chicago Blackhawks schon damit abgefunden, noch ein siebtes und dann definitiv letztes Mal gegen die Boston Bruins antreten zu müssen. 2:1 führten die Boston Bruins und es waren nur noch eine Minute und 16 Sekunden zu spielen.

Da glich Bryan Bickell aus und die wackeren Bostoner, bei denen Patrice Bergeron mit einer gebrochenen Rippe über das Eis fuhr, taten so, als hätte sie das nicht weiter geschockt. Ihre Körpersprache sagte: Dann gehen wir eben in die Verlängerung und schießen da die Blackhawks ab. 17,7 Sekunden später waren die Bruins am Boden zerstört. Dave Bolland traf zum 3:2 für die Gäste. Eine Minute später war klar: der Stanley Cup geht dieses Jahr nach Chicago. Tolle Geschichte, toller Sport. Tränen der Verzweiflung, Freudentränen. Ein großer Tag für die National Hockey League.

Minuten nach der Schlusssirene gratulierte Liga-Boss Gary Bettman dem Kapitän der Blackhawks, Jonathan Toews, und überreichte ihm den mächtigen Pokal. Da fiel vielen Beobachtern, deren Puls wegen dieses packenden Spiels noch immer höher war als üblich, wieder ein, dass diese Saison alles andere als vielversprechend begonnen hatte.

taz
Andreas Rüttenauer

ist Sport-Redakteur der taz.

Es war nicht ein mal eine ganze Saison, es war eine Rumpfsaison. Am 11. Oktober 2012 sollte sie beginnen. Weil sich Klubbesitzer und Spieler indes nicht auf neue Verträge einigen konnten, wurden die Spieler erst einmal vor die Tür gesetzt: Lockout. Erst am 14. Januar dieses Jahres ging es aufs Eis. Die Hälfte der Spiele war ausgefallen.

Jonathan Toews war es, der in Chicago massiv für die Interessen der Spieler kämpfte, die gegen Bettman eine höhere Gehaltsobergrenze durchsetzen konnten. Er war es, der die Fans in Chicago auf die Seite der Spieler zog. Es ist sein Verdienst, dass die Sportfans in den USA nicht mit den Fingern auf die gut verdienenden Profis gezeigt haben.

Zum Duschen nach Hause

Er zeigte während der Aussperrung Engagement, indem er Trainingseinheiten für ausgesperrte Profis anleitete. Die versammelten sich in der Halle, zogen sich am Spielfeldrand um und fuhren nach den Einheiten zum Duschen nach Hause, weil ihnen die Garderobe nicht aufgesperrt wurde. Viele Sportfans glaubten ihm, wenn er sagte, dass es nicht angehen könne, Gehälter zu kürzen. Und keiner zeigte mit dem Finger auf den Bestverdiener der Mannschaft, der sicher ganz gut leben kann von den sechs Millionen Dollar Gehalt, die er pro Saison verdient.

Der Kanadier, der 2010 Olympiagold in Vancouver gewonnen hat, galt mit seiner Kritik an Ligaboss Bettman als ehrliche Haut des Eishockeys. Er hatte gesehen, wie in Chicago eine wahre Eishockey-Euphorie ausbrach, nachdem die Blackhawks nach 49 Jahren ohne Titel 2010 den Stanley Cup endlich einmal wieder gewonnen hatten. Und er hatte Angst, dass das schnell kaputtgehen könnte.

Er machte sich Sorgen um den Status der viertgrößten Profisportart in den USA, in denen die am schlechtesten bezahlten Profis mit 500.000 Dollar pro Spielzeit immer noch auf das Zehnfache von dem kommen, was die billigsten Kicker in der Major League Soccer verdienen.

Nie für voll genommen

Mit dem Lockout hätte sich eine ganze Branche um ein Haar selbst ruiniert. Und man fragte sich, was die Meisterschaft in dieser Rumpfsaison eigentlich wert sein würde, ob man den Sieger mit einem Sternchen versehen würde, wie man das in der Lockout-Saison 1995 mit den New Jersey Devils gemacht hat, deren Titel nach einer 48-Spiele-Saison nie für voll genommen wurde.

Als es im Januar endlich losging, zeigten Jonathan Toews und seine Kollegen, dass sie alles dafür tun wollten, dem Eishockey zu neuer Anerkennung zu verhelfen. So gut wie die Blackhawks war noch kein Team gestartet. Von den ersten 24 Spielen haben sie 21 in der regulären Spielzeit gewonnen und stellten damit einen Rekord auf, über den intensiv geredet wurde. Viele Beobachter waren sich da schon sicher, den kommenden Meister spielen zu sehen.

Und niemand, aber auch wirklich niemand würde nun, nach den irren 17 Sekunden von Boston auf die Idee kommen, den Namen der Blackhawks in der Liste der Stanley-Cup-Sieger mit einem Sternchen zu versehen. Mit den Blackhwaks hat – angeleitet von ihrem Kapitän Jonathan Toews, der im entscheidenden Spiel das 1:1 geschossen und das 2:2 vorbereitet hat – ganz einfach die richtige Mannschaft gewonnen, das Team, das den Lockout vergessen machen konnte. Auch deshalb war es ein großer Tag für die NHL.

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Andreas Rüttenauer
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