Kolumne American Pie: Knockout durch Lockout

Mit einem Video fordern Eishockey-Fans dazu auf, die Gehaltsstreitigkeiten in der NHL beizulegen. Gelingt dies nicht binnen dreier Tage, werden alle Spieler gesprerrt.

Streit neben statt auf dem Eis: Wird der Lockout nicht abgewendet, gibt es vorerst keine Spiele. Bild: reuters

Die Zeitlupe hat den erwünschten Effekt. Freudentrunkene Muskelpakete auf Eis sind zu sehen, tränenüberströmte Fans. Dazu gibt es klassische Musik, anklagend und quälend zugleich. Dann: Hektik, Bodychecks, Totenköpfe, Heavy Metal. Achteinhalb Minuten pure Emotion. Mit einem aufwendig produzierten Video (siehe unten) protestieren nordamerikanische Eishockey-Fans gegen den Arbeitskampf in der Nordamerikanischen Eishockey-Liga NHL. „Fans, erhebt eure Stimmen“, heißt es im Video, „und vereint euch!“

Drei Tage trennen die NHL noch vom Super-GAU. Am Samstag endet die Frist, die die Clubbesitzer der Spielergewerkschaft NHLPA gesetzt haben. Dann droht der „Lockout“, die kollektive Sperre für alle NHL-Profis. Im Arbeitskampf in den USA ist diese restriktive Maßnahme das, was für die Spieler ein Streik wäre, quasi das allerletzte Mittel. Nach den Lockouts in der Basketball-Liga NBA und der Football-Eliteklasse NFL im vergangenen Jahr wäre es bereits die dritte arbeitsrechtliche Eskalation im US-Profisport binnen 18 Monaten.

In den Ohren der Fans klingt das „L-Wort“ nach Trauma und Trauer, Wut und Enttäuschung. Unter dem Hashtag #nolockout klagen Eishockey-Fans aus aller Welt bei Twitter über den Arbeitsstreit und tauschen Neuigkeiten und Gerüchte aus. Auf der Petitionsplattform change.org haben fast 17.500 Menschen einen Aufruf an NHL-Boss Gary Bettman unterzeichnet, wo er aufgefordert wird, von einem Lockout abzusehen.

Wie in vielen Sportarten empören sich auch die Eishockey-Fans über die zunehmende Kommerzialisierung des Sports. „Hockey is not about the money but about the moments that last a life time“, heißt es in dem Video, in dem die astronomischen Summen im durchdesignten US-Sport den Durchschnittsgehältern, Arbeitslosenzahlen und Ticketpreisen gegenübergestellt werden.

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Den Schwarzen Peter schieben die Fans den Club-Besitzern und Gary Bettman zu. Der Vorwurf: Trotz eines nochmals gestiegenen Rekordumsatzes (3,3 Milliarden Dollar) möchte die Liga den Spielern eine Lohnkürzung von beinahe 25 Prozent aufzwingen – und die eigenen Taschen entsprechend noch praller füllen. Außerdem sollen Spielerverträge auf eine maximale Laufzeit von fünf Jahren festgeschrieben werden.

Lockout könnte deutschen Teams NHL-Profis bescheren

Die Spielergewerkschaft ist dazu bereit, Abstriche zu machen, lehnt das enorme Ausmaß der Kürzungen aber strikt ab. Zuletzt schlugen sie ein Solidarmodell vor: Reichere Clubs könnten finanziell angeschlagene Vereine subventionieren, um den notwendigen Sparkurs nicht gänzlich auf Kosten der Spieler zu fahren. Dass es angesichts der Diskrepanz zwischen Forderung und Angebot bis zum Wochenende zu einer Einigung kommt, bewerten Beobachter als unwahrscheinlich.

Es wäre der dritte Lockout der NHL-Geschichte. Zuletzt sperrten die Vereinsbosse ihre Spieler in der Saison 2004/2005 aus; der Lockout dauerte damals über zehn Monate. Erstmals überhaupt musste deshalb eine komplette Saison im US-Profisport ausfallen. Die Spieler flüchteten damals in die europäischen Ligen und bescherten dem Sport auch in Deutschland einen unbekannten Glamour. Wiederholt sich die Geschichte?

Der amtierende Meister Eisbären Berlin will zwar Verpflichtungen nicht ausschließen, konkrete Namen – die Bild-Zeitung brachte unter anderem Center Jason Spezza (Ottawa) und Verteidiger Jay Harrisson (Carolina) ins Spiel – dementierte ein Eisbärensprecher. Stéphane Richer, Sportdirektor bei den Hamburg Freezers, will sich momentan ebenfalls nicht mit dem Thema befassen. „Weil wir nie wissen, wie lange die Spieler letztlich bei uns bleiben können, sind solche Transfers nicht geeignet für eine sinnvolle Planung“, sagte Richer der taz.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf einen unerwarteten Kompromiss, der den NHL-Start am 11. Oktober wie geplant über die Bühne gehen ließe. Für das Image der Liga, das schon unter dem Lockout 2004 arg gelitten hat, wäre es wichtig. Und für die Fans. Einer von ihnen beklagte sich bei der Onlineausgabe des Fachblattes Sports Illustrated verzweifelt: „Sperrt sie alle in einen Raum, bis sie sich geeinigt haben“, schrieb der User. „Ich will mein Hockey!“

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