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SPD-Bundestagskandidat Florian SimbeckDer Stefan ohne Erkan

Früher stand Florian Simbeck mit seiner Comedy-Show „Erkan und Stefan" auf der Bühne. Heute will er für die SPD in den Bundestag ziehen.

Florian Simbeck: Einst Comedian, jetzt Bundestagskandidat für die SPD. Bild: dpa

INGOLSTADT taz | Früh am Morgen erhebt sich eine brüllende Sonne über Ingolstadt. Der Flo ist mit zwei Kumpels in einem VW Bully, Jahrgang 1979, in den Westpark getuckert. Hier startet heute die „Donau Classic“, ein Oldtimer-Rennen quer durch den Landkreis. Der Flo – das ist Florian Simbeck, SPD-Bundestagskandidat im Wahlkreis Pfaffenhofen-Freising und heute in rasanter Mission unterwegs.

Das Problem: Der Flo heißt immer noch Stefan. Jedenfalls für die Leute, die ihn auf der Straße wiedererkennen. Und das sind hier in Oberbayern so ziemlich alle zwischen zwanzig und vierzig. „Krass“, sagen sie also zum Flo, „des bist doch du, der Stefan, von Erkan und Stefan?!“

Dann knipst der Flo sein breites Grinsen mit dem hervorstehenden Schneidezahn an. Das und seine arg schiefe Nase lassen ihn ausschauen wie einen sanften Kleinkriminellen, der gerade von seinem wöchentlichen Anti-Aggressions-Training kommt. „Servus, grüßts euch!“, sagt der Flo. Und für ganz Begeisterte hat er auch Autogrammkarten dabei.

C-Promi mit Mission

Erkan-und-Stefan-Stefan möchte also für die SPD in den Bundestag gewählt werden. Ein Rollenwechsel: vom Komödianten zum Berufspolitiker. Und eine für die Tante SPD ungekannte Lesart des Kandidatenwesens. Ein C-Promi in sozialdemokratischer Mission; eine Rampensau mit Spaß an der Öffentlichkeit.

Einer, der, statt sich in die Fußgängerzone zu stellen oder an Haustüren zu klingeln, zum „Burger-Dialog“ einlädt. Motto: „Burger, Grill und Bier – bringen wir!“ Einer, der sein Facebook-Profilbild im rot-blauen „Flobama“-Design postet. Humortechnisch ganz was Neues und einen Versuch wert. Aber. „Hier in Oberbayern wäre das eine Sensation, wenn ich’s schaff.“ Das sagt der Flo selbst.

Seltsam, dass ihn die Leute immer noch erkennen. Schon seit sechs Jahren ist es aus zwischen ihm und John Friedman, dem Erkan-Darsteller. Kulturgeschichtlich ritten die beiden die erste deutsche Comedy-Welle. Mit ihren „Erkan und Stefan“-Filmen melkten sie die Medienkuh, bis wirklich nichts mehr kam.

Ihre Figuren – das Münchner Freundespaar, bestehend aus dem begriffsstutzigen Deutschtürken Erkan Maria Moosleitner und seinem tumben deutschen Freund Stefan Lust – sorgten dafür, dass ab Mitte der neunziger Jahre Wörter wie „krass“ und „brontal“ sowie die Überzeugung, dass „Döner schöner“ mache, Einzug in jedes Kinderzimmer hielten.

Die Kinder von damals sind jene Mittdreißiger, die Florian Simbeck heute anquatschen, ihm auf die Schulter hauen, „Voll krass!“ rufen und offensichtlich auf ein „Brontal!“ ihres Gegenübers warten.

Jetzt ist er der Sozi-Flo

Doch es kommt kein Brontal mehr. Nur noch dieses großartige Gaunergrinsen. Florian Simbeck wird dieser Tage 42 Jahre alt, er hat Frau und Kinder und einen Job beim Bayerischen Fernsehen. Mit seinem Basecap, der Spiegelsonnenbrille und dem Frotteehandtuch um den Nacken sieht er zwar aus wie der ältere Bruder von Stefan. „Aber der bin ich nicht mehr“, sagt er und lehnt sich gegen den weiß-orangen VW-Bus. „Team Simbeck“ steht rot auf weiß auf seinem Polohemd.

Er ist jetzt der Sozi-Flo, „der seine Leute im Parlament repräsentieren“ möchte. Einer, der der SPD, der er erst seit einem Jahr angehört, nicht „dienen“ will. Der aber meint, dass diese Partei „am nächsten an meinen Idealen dran ist. Das ist keine Blümchenpartei, die bauen auch mal ’ne Autobahn.“ Wenn er auf die guten SPD-Ergebnisse bei den zurückliegenden Landtagswahlen schaut, sieht er ihn auch schon ganz nah, den Machtwechsel im Bund.

Aber dieser Sommerwahlkampf mit Autorennen und Burger-Braten findet in Bayern statt. Ungünstigerweise liegt der Urnengang nur sieben Tage nach der Landtagswahl, bei der nicht einmal der wirkmächtige Münchener Oberbürgermeister Christian Ude gegen den Seehofer-Horst anzustinken scheint.

Im Bund sieht es nicht besser aus. Bei allen zehn zurückliegenden Bundestagswahlen hat die CSU Simbecks Bundestagswahlkreis Pfaffenhofen-Freising direkt gewonnen. Warum sollten die Oberbayern eine Partei abwählen, die ihnen ein gutes Leben garantiert? Unwirkliche 2 Prozent Arbeitslosigkeit im Landkreis, wo gibt’s so was sonst? Hinzu kommt, dass die Genossen von der Bayern-SPD den Politneuling Simbeck auf den miesen Platz 43 der Landesliste gewählt haben. „Come on“, grinst Simbeck, „Listen sind was für Luschen.“

Grundsicherung und Mindestlohn

Er hat sich natürlich Gedanken gemacht, welche Themen ihm wichtig sind. Manche Forderung klingt wie aus dem Linke-Programm. 850 Euro Grundsicherung, Mindestlohn, höhere Erbschaft- und Vermögensteuer, Energiewende. Er ist für den Schutz des Urheberrechts und gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen.Und er findet, „dass wir uns nicht länger verarschen lassen sollen, dass angeblich kein Geld in den Rentenkassen ist, wenn gleichzeitig ganz sportlich aus Staatsgeldern Bankenverluste sozialisiert werden“. Das ist der Flo-Sound.

Die PR-Strategie seiner Partei, die Genossen mögen an Haustüren klingeln und Wähler wie Bibelverkäufer in Gespräche über Sozialdemokratie verwickeln, findet er blödsinnig. „Was soll ich da sagen? Sag dreimal Mindestlohn, und dir wird vergeben?“

Viel besser gefällt ihm da schon der Spitzenkandidat, er liebt schlagfertige Männer. „Ich bin Steinbrück-Fan“, sagt Simbeck, „ein Spruch wie ’Hätte-hätte-Fahrradkette‘ ist so was von gut!“ Fraglich, ob Steinbrück im Gegenzug gefallen würde, dass der Sozi-Flo Rot-Rot-Grün im Bund nicht für abwegig hält.

Die Linke als Partei der sozial Gescheiterten? Er weiß, wie sich Scheitern anfühlt. Er hat den dritten „Erkan und Stefan“-Film mitfinanziert, doch die Kinosäle blieben leer. Irgendwann konnte er die Banken nicht mehr bedienen, 2010 meldete er Privatinsolvenz an.

Randvoll mit Geschichten

„Ist doch nur Geld“, sagt er, „ich habe trotzdem ein gutes Leben.“ Simbeck will kein Mitgefühl. Er hat eine Menge probiert und erlebt, mit seinen 42 Jahren steckt er randvoll mit Geschichten. Als er vor einigen Jahren beim Abitreffen war, hat er festgestellt: „Die mit den besten Noten haben heute die langweiligsten Jobs.“

Er hingegen war strunzfaul, „aber der, wo die gute Laune war“. Als er in München Jura studierte, lernte er John Friedman kennen. Die beiden juxten als „Erkan und Stefan“ durch München, wenig später wurden sie vom Radio entdeckt. Der Rest ist Mediengeschichte. Was bleibt, ist unter anderem die Erkenntnis, dass es – anders, als man vielleicht mit Mitte zwanzig meint – Wichtigeres gibt als grölende Massen. Und dass Florian Simbeck ein tatsächlich aufrichtiges Interesse an Politik haben könnte.

„Bratwurst-Neger“

Man versteht seinen Groll auf die Verhältnisse in diesem Land am ehesten, wenn von seiner Familie die Rede ist. Simbeck ist mit einer Afroamerikanerin verheiratet. Seine Frau hat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die gemeinsamen Kinder wachsen hier auf. Aber bei der Bundestagswahl ihrem Mann ihre Stimme geben – das darf sie nicht.

Simbeck stört diese Haltung gegenüber Zuwanderern: Na gut, ihr dürft bleiben, aber so richtig gehört ihr nicht dazu. „Es geht um Teilhabe“, sagt er, und dass noch immer unterschieden werde in „Deutschenrechte und Menschenrechte“.

Diese Haltung hat Folgen. Als seine Tochter in die Schule kam, erklärte sie zu Hause, sie brauche nun offensichtlich immer noch eine Schlammhose, also eine Gummihose, mit der Kinder ungestört im Dreck wühlen können. Warum, fragten die Eltern.

Es stellte sich heraus, dass das dunkelhäutige Mädchen angespuckt und als „Bratwurst-Neger“ beschimpft wurde. Von Sechsjährigen. Die Simbecks haben sich gewehrt. Simbeck sagt: „Schwierig, dass Integration noch immer als weiches Thema gehandelt wird.“

Flobama von Pfaffenhofen

Aber jetzt ist wieder Flo-Zeit. Die „Donau Classic“ startet, der Flobama von Pfaffenhofen startet mit seinem VW Bulli in den Wahlkampfsommer. Sonnenbrille zurechtgerückt, Grinsen angeknipst. Und immer schön aus dem Autofenster winken. So einen wie ihn, einen politisch interessierten Halbpromi mit habituellem Zugang zu jüngeren Wählern, hat sonst keiner hier.

In der Teilnehmerliste ist Simbeck denn auch als Prominenter angekündigt. Fast egal, dass er verwechselt wird. „Und den Wagen 127 fährt heute der SPD-Bundestagskandidat Florian Simbeck“, schreit der Rennmoderator in sein Mikro, „besser bekannt als ’Erkan und Stefan‘. Ich begrüße den Erkan, wer kennt ihn nicht?“ Der Flo grinst.

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5 Kommentare

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  • A
    alex

    oh eins noch

    so leid mir der rassimus, in der tat salonfähig in vielen schichten, der mitschüler gegenüber seinem kind, tut. -

    und sowas ist schlimm.

    sein großes idol, der peer, hat, gar nicht lange her,

    die generelle "kriminalität" der schweiz mit der, der "indianer" verglichen:

    man weiß ja, die native tribes sind allesamt verbrecher.

    lieber flo, deine neue partei hat eine geschichte.

    sorry, dass dein kind bepöbelt wird. der peer bepöbelt geknechtete völker.

    und ist älter als sechs jahre. er sollte es wissen.

  • A
    alex

    "Deutschenrechte und Menschenrechte"

    zu albern das zu unterscheiden.

    ich denke, das einfache überschreiten der landesgrenze reicht um stimmrecht zu haben.

    und jeder weltbürger sollte per briefwahl wählen dürfen.

    sooo nah sind wir an one world, jetzt muss nur noch der flo gewinnen und irgendwas mit regierung machen.

     

    ganz im ernst - was auch immer der man für ideale hat, sie scheinen ja nah der spd - ich wäre froh er nutzt die zeit bis zum sieg und beliest ich. vielleicht darüber wie wahlen funktionieren.

  • UZ
    und zu

    In dem Mann stecken offenbar mehr gute Ideen als im ganzen Willy-Brandt-Haus - so einer wird in der SPD nix, der wird weichgekaut und ausgespuckt, bis er über die genetischen Defekte von Ausländern, über faule Arbeitslose und die SED-Nachfolgepartei räsoniert.

     

    Wer hat uns verraten?

  • S
    Simon

    "Sanfte Kleinkriminielle" erkennt man also an dem hervorstehenden Schneidezahn und den schiefen Nasen?

  • F
    FaktenStattFiktion

    "Ein Rollenwechsel: vom Komödianten zum Berufspolitiker" schreibt die taz. Das ist der Brüller schlechthin.