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BrandanschlägeHetze im Multikulti-Kiez

Dreimal hat es am Familienzentrum Cuvrystraße gebrannt. Ein rechtes Flugblatt sorgt für Angst. In zwei Fällen wurden die Ermittlungen schon eingestellt.

Die Polizei konnte keine Täter ermitteln. Bild: DPA

Es sieht genau so traurig aus wie es ist: Als verkohlte Stümpfe ragen die Reste einer Hollywoodschaukel neben dem Gebäude des Familienzentrums Cuvrystraße schwarz empor. Von dem Geräteschuppen, der hier einst stand, ist kaum etwas übrig. Er enthielt „Laufräder, Bobbycars, Dreiräder“, sagt Mitarbeiterin Tina Schenck. Die Sachen waren als Sportangebot und damit Gesundheitsservice für die Familien der Nachbarschaft gedacht. „Sachen, für deren Anschaffung wir mit viel Mühe Gelder akquirieren mussten“, erzählt Schenck. Entsprechend schwer ist es nun, Ersatz zu beschaffen. Der Schuppen und die Sportgeräte gingen am 13. Mai in Flammen auf: Brandstiftung. Drei Wochen vorher hatte bereits eine Geschenkebox gebrannt, die von AnwohnerInnen eingerichtet worden war und auf dem Gelände des Familienzentrums stand. Gerade, als sie mit viel Engagement wieder hergestellt worden war, wurde erneut angezündet, wenige Wochen nach dem Geräteschuppen. Einige Tage später fanden MitarbeiterInnen ein islam- und einwandererfeindliches Pamphlet in einem Aufsteller der Einrichtung, das auf die Internetseite „PI-News“ verweist. „PI“ steht für „politically incorrect“. Die Seite wird von rechten Kreisen zur Hetze gegen Migranten und Muslime genutzt.

„Da haben wir dann richtig Angst bekommen“, sagt Tina Schenck. Sie ist die Koordinatorin des Projekts Mehrgenerationenhaus, das Teil der Arbeit des Familienzentrums ist. Den zweigeschossigen Flachbau, der idyllisch, aber auch schlecht einsehbar inmitten einer kleinen Grünanlage zwischen Cuvry- und Falckensteinstraße im Kreuzberger Wrangelkiez liegt, teilen sich ansonsten ein türkischer und ein kurdischer Elternverein, es gibt Familien- und Arbeitslosenberatung, offene Treffs und Bildungsangebote für Frauen und Kinder sowie Kultur- und Sportangebote. Eine „offene Begegnungsstelle für alle Menschen im Stadtteil“, heißt es in der Broschüre über das Familienzentrum. Es ist schwer vorstellbar, wer in dem bunten Multikulti-Kiez der Einrichtung Böses wollen könnte. Doch dass es auch Konflikte gibt, erzählt eine Nachbarin, die nicht namentlich genannt werden möchte. Sie habe vor einiger Zeit beobachtet, wie eine offenbar alkoholisierte Frau durch den Zaun hindurch Mädchen auf dem Gelände des Familienzentrums islamfeindlich beschimpft habe. Da helfe nur noch ein Brand, seien die Worte der Frau gewesen. „Das kann natürlich auch Zufall sein“, so die Anwohnerin. Dass aber auch Rechte im Kiez zu agitieren versuchten, sei „ein offenes Geheimnis“, meint sie.

Ob tatsächlich Rechte hinter den Anschlägen stecken, darüber möchte die für die Einrichtung zuständige Familienstadträtin des Bezirks, Monika Herrmann (Grüne), nicht spekulieren. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Taten aus dem Kiez heraus geschahen“, sagt sie. Auch, dass dahinter schlicht zündelnde Jugendliche stecken könnten, mag sie nicht glauben: „Vor allem die zweite Tat, bei der der nah am Haus stehende Geräteschuppen angezündet wurde, macht den Eindruck, dass es gezielt gegen die Einrichtung ging.“ Auch die Geschenkebox steht zwar auf dem Grundstück des Familienzentrums, ist aber auch von außen durch den Zaun erreichbar. Umso überraschter waren die MitarbeiterInnen des Familienzentrums und Stadträtin Herrmann, als sie aus Medienberichten erfuhren, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in zwei der Brandstiftungsfälle bereits eingestellt hat – „weil die Täter nicht ermittelt werden konnten“, erklärt der Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, auf Anfrage der taz. Die Einrichtung sei über die Einstellung nicht informiert worden, da sie keine Anzeigen erstattet habe. Auch im dritten Fall sehe es nicht sehr hoffnungsvoll aus, sagt Steltner.

„Stimmt“, sagt die Leiterin des Familienzentrums, Fatma Celik. Weil die Polizei ihr gesagt habe, dass das „nicht nötig“ sei. Die Polizei habe in allen Fällen „von Amts wegen“ selbst Anzeige erstattet, erläutert Pressesprecher Steltner. Dass sie dann auch nicht über den Verlauf des Verfahrens informiert würden, „wussten wir nicht“, so Celik. Selbstverständlich hätte sie sonst ebenfalls Anzeige erstattet. Stadträtin Herrmann, ab August Bürgermeisterin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, will sich nun bemühen, „die Kommunikation mit der Polizei zu verbessern“. Sollten weitere Anschläge passieren, werde im Jugendamt – Eigentümer des Hauses – zudem über die Einführung eines Wachschutzes am Familienzentrum nachgedacht.

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9 Kommentare

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  • D
    dobermann

    @ Georg

     

    du stellst hier also die diagnose. um welches krankheitsbild handelt es sich denn, wenn einer die welt nur wählen lässt zwischen dealern und neunazis?

     

    also eigene nase!!!

     

    @ geheimrat

     

    warum geht es jetzt wieder um rechte und linke und wer was wie oft macht?

     

    feuerlegen ist einfach mal kriminell. anderen politische verklärung vorwerfen und selbst kriminelle zu rechten aktivisten machen wollen?

     

    weil rechter aktivis besser klingt als einfach nur ein krimineller?

  • A
    Anwohner

    Ich wohne da gegenüber und halte die im Artikel gemachten Vermutungen für unzutreffend. Was die erwähnte "alkoholisierte Frau" angeht muss man wissen, dass es vor dem Gebäude einen Platz mit Brunnen gibt, auf dem sich Verelendete zum gemeinsamen Bierchen aufhalten. Etwas derber formuliert: Eine Szene von fertigen (deutschen) Alks hängt da immer rum, die aber noch nie Stress hatte mit dem Migranten-Umfeld (konnte ich jedenfalls nie sehen sowas).

    Unter den Alkis sind allerdings einige mit psychischen Störungen, die öfters rumschreien, so eine wird die "alkoholisierte Frau" auch gewesen sein, da bin ich mir sicher.

     

    Ein anderes massives Problem ist der Fussballkäfig, der dem Haus angegliedert ist, also ununterbrochenes Gebolze jeden Tag bis spät in die Nacht, im Sommer gern auch bis nach Mitternacht.

    Die Schuld an diesem untragbaren, extrem nervenbelastenden Zustand liegt allerdings ganz klar beim Jugendamt.

    Vor Jahren habe ich erfolgslos versucht das Amt dazu zu bringen, den Käfig abends ab 20 Uhr verschliessen zu lassen (dass ich als Linker sowas mal machen würde hätte ich mir davor nicht vorstellen können, aber wenn's täglich draussen 1000 mal rummst und knallt, das kann einen ganz schön mürbe machen). Das Amt lehnte das ab mit der Begründung, dass die Jugendlichen ausrasten würden wenn der Platz zur Nachtruhe verschlossen würde ... mir blieb als Lösung nur, mein vorderes Zimmer zur Abstellkammer zu machen und in meinem Schlafzimmer zu wohnen (habe mich aber inzwischen daran gewöhnt und rege mich auch nicht mehr auf, das ruiniert nur die Nerven).

     

    Dass da Rechtsradikale rumschleichen und Brände legen halte ich für wenig plausibel. Viel plausibler ist für mich die Erklärung, dass der vom Amt geduldete Lärmterror aus dem Bolzkäfig das Umfeld um das Haus zu einem Anziehungspunkt wilder Gestalten aller Art gemacht hat, eben auch solche die gern mal was anzünden (und ob das nun Deutsche oder Migranten sind, spielt dabei keine grosse Rolle).

     

    Ein weiterer problemfördernder Umstand besteht darin, dass die kleine Parkanlage entlang der Gasse neben dem Haus zwar wirklich etwas idyllisch ist, aber nachts zappenduster, was es Pyromanen natürlich noch einfacher macht. Auch hier ist der Schuldige wieder das Amt, das es nicht für nötig befindet den Weg durch die Parkanlage ordentlich zu beleuchten.

     

    Es müssten also dringend zwei Dinge getan werden um die Lage dort zu beruhigen: Eine Schallschutzwand vor den Käfig und nächtliche Beleuchtung der Park-Anlage.

    Das kostet aber Geld und der von der Verräter-Partei regierte Bezirk machts es sich eben ganz einfach und benutzt nicht-existente Rechtsradikale als Sündenböcke für eigene Versäumnisse.

  • G
    Georg

    @Flbx

     

    Aber eine Horde Drogenhändler scheint sie nicht zu stören.

     

    Das Berliner Krankheitsbild.

  • F
    Flbx

    Ich wohne in der weiteren Umgebung, und ich finde den Anschlag schlimm, aber er wundert mich nicht direkt. Mir ist es schon mehrfach aufgefallen, dass am Hermannplatz in der U-Bahn und oben auf dem Platz Rechte (erkennbar an komplett schwarzer Kleidung mit Springerstiefeln, teils kahlrasiert und entsprechende Aufnäher und Tätowierungen) "Wache" stehen. Also, mit verschränkten Armen und starrem gesichtsausdruck in der Mitte des Platzes oder der U-Bahn-Station. Sowas macht mir Angst. Ich fühle mich wohl hier und finde, das klappt meistens sehr gut mit all den verschiedenen Leuten aus verschiedenen Ländern. Und ich will mich das nicht von irgendwelchen Nazi-Idioten kaputt machen lassen.

  • B
    ben

    ...Aber wehe jemand zündet ein Auto an. Da wird jahrelang ermittelt, inkl. Illegaler Handydatenabfrage. Autos sind also wichtiger als Familienzentren. Hmm...

  • K
    Kiez

    Natürlich komme die Täter aus Kiez und alle sind sie auch bekannt nur traut sich keiner Namen preis zu geben. Denn nach dem Motto “ich weis wo du wohnst” würde ich auch nicht sagen wer das macht hat. Was man sagen kann die Täter kommen aus eigenen Reihen.

  • O
    opfergruppe

    aber sehr geil, dass das auf jeden fall ein brandanschlag ist!!

    da freut sich die grüne politikerin auf die wahl :)

  • O
    ohmann....

    ähm

    hmm

    also

    ... hören sie doch mal auf andauernd gegen rechte zu hetzen.

    ich finds echt ekelig, wie immer wieder versucht wird, andersdenkende zu diskreditieren. das angebliche fb mit pi hinweis ist ein witz und hat mit dem brand nix zu tun.

    man sollte die täter ohne gesinnungsstrafrecht zu finden versuchen / gerne auch mal bei den jugendlichen im kiez....achne die machen sowas ja nicht.

     

    p.s. das nachtreten gg die polizei ist doch mal sehr arm. das die polizei aber auch keine beamten hat, die den netten rentensicherern einzeln und ganz sorgfältig erklären, wie sowas abläuft, ist schon eine riesen frechheit. alles nazis! armes deutschland.

  • G
    geheimrat

    Die "linken" "Aufklärer":

    "Wir brauchen eine differenzierte, keine populistische Sichtweise ....."

     

    So schön, so falsch:

    Der Linke wähnt sich auf der guten, moralisch einwandfreien Seite. Der "Rechte" oder der als solches "enttarnte" und etikettierte ist der, der nur Schlimmes will, gemäß Euerem Dogma. Deshalb darf es für ihn die Redefreiheit auch nur auf dem Papier geben, aber nicht im öffentlichen Raum. Und wenn er's doch tut, holt der "Linke" eben die gute Antifa-Polizei. "Zivilbürgerliches Engagement" ist für den Linken reserviert, "gesellschaftliche Ächtung" für den Rechten. - Jakobinisch, pharisäisch, heuchlerisch, antidemokratisch, schizophren, spießig!

    Wo bleibt bei Euch die seriöse, differenzierte Betrachtungsweise? Die Unterscheidung zwischen "rechts" und "rechtsextrem" nehmt Ihr in wohlüberlegt demagogischer Absicht nicht vor. Abgesehen davon, dass es Euch nicht kümmert, dass die TäterInnenschaft noch gar nicht bewiesen ist, spekuliert Ihr über den Lieblingssündenbock.

     

    Vielleicht überdenkt Ihr mal Euer Schwarz-Weiß-Denken, Euere Rechts-Links-Vereinfachung, Euer Gut-Böse Schema! Lasst erst einmal Grautöne zu, bevor Ihr Euch ans "Bunte" wagt!