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Der letzte Wille

VERERBEN Wer sein Vermögen nach dem Ableben für eine gute Sache geben will, hat inzwischen viele Möglichkeiten. Ein respektvoller Umgang mit dem Thema Nachlass ist unabdingbar. Denn der Tod ist immer noch ein Tabuthema

Werte weiterreichen

■ Den richtigen Adressaten finden: Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) stellt Informationen über 262 Organisationen zur Verfügung, die das Spendensiegel tragen.

■ Den Willen artikulieren: Im Testament muss die gewünschte Organisation entsprechend als Erbe oder Miterbe oder als Vermächtnisnehmer eingesetzt werden. Gibt es kein Testament und keine lebenden Verwandten, erbt der Staat.

■ Rechtlich absichern: Fast alle großen Organisationen haben Mitarbeitende, die zu diesem Thema professionell beraten, Fachanwälte für Erbrecht beschäftigen oder an diese vermitteln. Eine erste juristische Beratung ist meist kostenlos. (vm)

VON VERENA MÖRATH

Viele gemeinnützige Organisationen und Stiftungen kümmern sich um Hilfsbedürftige, um Umwelt- und Tierschutz oder um Kultur- und Denkmalpflege. Sie leisten eine unverzichtbare gesellschaftliche Arbeit. Ohne Mitgliedsbeiträge und Spendengelder könnten diese Non-Profit-Organisationen nicht agieren. Erfreulich also, dass in Deutschland etwa drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr an rund 600.000 gemeinnützige Vereine und 15.000 Stiftungen gespendet werden.

Es gibt immer mehr Menschen, die eine oder mehrere Organisationen in ihrem Testament bedenken. Ein Trend, der mitunter dadurch zu erklären ist, dass wir unserer Nachwelt immer mehr verschenken können: Allein im Jahr 2011 wurde bundesweit laut Daten der Deutschen Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes Vermögen im Wert von rund 233 Milliarden Euro vererbt. Schätzungen gehen davon aus, dass jede fünfte Erbschaft höher liegt als 100.000 Euro. Bei diesen hohen Summen ist es nicht verwunderlich und keineswegs verwerflich, dass bei gemeinnützigen Akteuren das Erbschafts-Fundraising mittlerweile eine bedeutende Rolle spielt. Geworben wird um Vermächtnisse (Legate), Erbschaften, (Zu-)Stiftungen und sonstige Zuwendungen.

„Mittlerweile ist es Standard, dass alle großen Organisationen und Stiftungen mit Anzeigen in diesem Bereich werben, im Internet informieren, konkrete Ratgeber zu Erbrecht und Testament herausgeben und Informationsveranstaltungen von Fachanwälten für Erbrecht anbieten“, erklärt Almuth Wenta, die beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die individuelle Spenderbetreuung leitet. Ihrer Erfahrung ist, dass heute die Menschen viel offensiver, klarer und sachlicher mit dem Thema umgehen als noch vor 20 Jahren. Dennoch: „Wichtig für ein erfolgreiches Erbschafts-Fundraising ist, dass alle Akteure damit respektvoll umgehen. Wenn nur einer unseriös agiert, stehen auch alle anderen in einem schlechten Licht“, betont die Fundraiserin.

„Wir werben sehr zurückhaltend und unaufdringlich“, beschreibt Ulrike Maas von der UNO-Flüchtlingshilfe ihre Herangehensweise. Aber auch für die UNO-Flüchtlingshilfe sind Testamentspenden wichtig. „Sie gewinnen stetig an Bedeutung, und das wird die nächsten fünf bis zehn Jahre so bleiben“, prophezeit Ulrike Maas, die für die Betreuung der Testamentspender zuständig ist. Zum Beispiel konnte die UNO-Flüchtlingshilfe-Stiftung 2004 nur mithilfe einer sehr großen Erbschaft gegründet werden. Die Erträge fließen seitdem in zahlreiche Projekte, die Lebensbedingungen von Flüchtlingen zu verbessern.

Auch beim BUND sind Erbnachlässe kein Leichtgewicht: 2011 hatten sie einen Anteil von 10,4 Prozent an den Gesamteinnahmen, 1,75 Millionen Euro laut BUND-Jahresbericht. „Aber der Erbschaftsbereich schwankt extrem. Testamentspenden sind niemals planbare Einnahmen“, sagt Wenta. Ähnliche Erfahrungen macht auch der World Wide Fund For Nature (WWF) Deutschland. „Es geht rauf und runter“, sagt WWF-Mitarbeiterin und Ansprechpartnerin für Testamentspenden Gaby Groeneveld. „Wir planen diese Einnahmen zwar ein, aber kalkulieren so, dass auch ein geringeres Volumen unsere Arbeit nicht gefährden würde.“

Einer Organisation kann man Geldvermögen ebenso wie eine Kunstsammlung, Immobilien oder andere Sachwerte vererben oder vermachen. Meistens entscheiden sich kinderlose Ehepaare dafür oder Menschen, die keine nahen Angehörigen versorgt wissen wollen. „Aber es gibt heute schon zunehmend Erblasser mit Familie, die einen Teil ihres Vermögens gemeinnützig abgeben“, berichtet Wenta. Ein Grund für diese Entscheidung ist häufig, dass die Geber schon zu Lebzeiten sich einer Organisation verbunden gefühlt oder gespendet haben.

Beim WWF sind das laut Gaby Groeneveld zwei Drittel der Nachlassgeber. Aber es sind nicht immer nur die Kenner einer Organisation, die ihr Vermögen gemeinnützig überlassen wollen, so die Erfahrung der UNO-Flüchtlingshilfe. „Die Hälfte unserer Testamentspender hatte vor ihrem Tod keinen Kontakt zu uns“, erläutert Maas. Aber viele davon hätten selbst einmal eine Flucht erlebt oder stünden dem Gedanken der UNO-Flüchtlingshilfe nahe.

Alle drei Fachfrauen sind schon seit zehn und mehr Jahren beratend in ihren Organisationen tätig. Sie teilen die Erfahrung, dass die meisten Menschen, die sich bei ihnen melden, heute gut informiert sind und klare Vorstellungen haben, warum und für welchen Zweck sie ihr Vermögen oder Teile davon überlassen wollen. Aber ein Testament – das haben viele nicht und schieben den Tod und was danach kommt, lieber auf die lange Bank.

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