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Kommentar Praktiker-InsolvenzSchuld ist der Schweinezyklus

Hermannus Pfeiffer
Kommentar von Hermannus Pfeiffer

Sparkurs und frisches Geld halfen nicht. Praktiker ist pleite. Bei der Baumarktkette wurden schwere Managementfehler begangen, die auch aus anderen Firmen bekannt sind.

Nun spricht er nicht mehr, der Preis. Bild: ap

D ie Gläubiger haben den Glauben verloren. Noch im letzten Jahr hatten Banken und Investoren frisches Geld für die Sanierung der Baumarktkette Praktiker bereitgestellt. Der Vorstand spielte das übliche Spiel: (Personal-) Kosten senken, Beteiligungen verkaufen, Verwaltung straffen, Rabattaktionen für die werte Kundschaft. Geholfen hat dieses Krisenbewältigungsprogramm ebenso wenig wie bei Schlecker oder Karstadt, den anderen Sorgenkindern in Deutschlands Konsumwelt.

Aber schuld sind nicht allein die Manager, die sich bei Praktiker jahrelang die Klinke in die Hand drückten, und ihre verfehlten Strategien. Da war zum einen der aus vielen Branchen vertraute „Schweinezyklus“.

In guten Zeiten wird im In- und Ausland expandiert, bis die Schwarte kracht; in schlechten Zeiten werden grunzend Schuldige für das eigentlich absehbare Debakel gesucht. Eine arme Sau trifft es dabei immer. Die heißt dieses Mal „Praktiker“ – weil sich immer mehr Baumärkte eine bestenfalls stagnierende Nachfrage teilen. Das geht in keinem Markt gut.

15.000 Menschen arbeiten laut Verdi für die Baumarktkette. Unter den Bedingungen eines 2012 geschlossenen Sanierungstarifvertrages haben sie auf viel Lohn verzichtet. Drei grundlegende Trends machen ihnen nun das Leben besonders schwer: Die sich ständig wandelnde Einkaufslandschaft – siehe Karstadt und das Ende vieler kleinerer Einzelhändler; und die schwache Binnennachfrage im Exportland Deutschland.

Hermannus Pfeiffer

ist Autor der taz.

Überdies kriegte Praktiker („Hier spricht der Preis“, „20 Prozent auf alles“) wie zuvor Schlecker zu spüren, dass Geiz nicht geil ist und auch nie war. Billigheimer müssen nicht das letzte Wort haben. Das belegt ausgerechnet die Praktiker-Tochtergesellschaft Max Bahr, gewissermaßen der Edeka unter den Baumärkten.

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Hermannus Pfeiffer
Autor
Soziologe und promovierter Wirtschaftswissenschaftler. Spezialgebiete: Banken/Versicherungen/Finanzmärkte und maritime Industrie. Arbeitet seit 1995 als freier Wirtschaftspublizist in Hamburg. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, zuletzt „Gewinn ist nicht genug! 21 Mythen über die Wirtschaft, die uns teuer zu stehen kommen“, Rowohlt Verlag, Reinbek 2021.
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11 Kommentare

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  • I
    irmi

    Das Problem in Deutschland ist nicht "Geiz ist geil", sondern viele viele Leute einfach stark auf die Preise schauen MÜSSEN. Kommt von 1 € Jobs und dazu das Minimum vom Staat, die Niedriglohnarbeiter plus Spende v. Staat, die Hartz IV ler natürlich auch die Rentner mit ihren Wahnsinns Renten.

  • V
    vic

    Hätten die mal auch Tiernahrung verschleudert...

  • F
    Flatulenz

    Auch wenn Geld zinsfrei, wird sich der Warenumsatz über einen echten Kunde nicht erhöhen.

    Der Mensch hat nur zwei Ohren, Augen, Arme, Bein und nur ein Mund, After, Darm und kann nach anerkannten Regeln der Wissenschaft nicht an zwei Orten gleichzeitig flatulieren oder aber mit einer Bohmaschine hantieren.

    Dazu kommt die bundesweiten Privatinsolvenzen und in ganzen Landstrichen stehen Geisterdörfer, ganze Schiffsflotten liegen brach und warten auf Aufträge.

     

    Zusätzliche Gemeinsamkeiten des Schweinezyklus der aktuell pleite gegangenen Unternehmen:

    - Banken die minimum 20% Profite fordern

    - Geldgierige Unternehmer/Aktionäre

    - eine völlig falsch gebildete Führungsebene. Middelhoff war DER globaler Lacher, vieles absehbar.

     

    Was für ein genialer Output der Bebildungsanstalten namens Universitäten der Wirtschaft.

     

    Der Horror "Geiz ist Geil" hat ein Ende, die selbsterfüllende Prophezeiung läuft unter der Rubrik JoJo Obsoleszenz. Einer lacht über die ganze Nummer, das sind Banken und ihr Umsatz.

  • B
    Branko

    Die Wirtschaft ist mitlerweile derartig pervertiert, daß es nicht mehr um den Gewinn durch Verkauf von Produkten an Kunden (*igitt!*) geht.

     

    Dieses - manche nenne es ernsthaft "Wirtschaften" - erklärt die drei Grundgesetze des Marktes für obsolet.

    Dummerweise gelten diese aber weiterhin, wenn ein Unternehmen im realen Markt agiert.

  • B
    Birgitt

    Hat doch alles nichts mehr mit gescheiter Unternehmensführung zu tun.Wie kann man denn auf Deifel komm raus expandieren wollen wenn das Unternehmen auf dem heimischen Markt noch nicht mal gesund da steht. Wie kann man sich dann auch noch Manager in das Unternehmen holen,die doch nur auf Profitmaximierung geschult sind und letztendlich keine Ahnung von Unternehmensführung haben?? Hochgestochen daher babbeln und die Firmen gegen die Wand fahren. Ist wie in der Politik.

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    Wenn eine Arbeitsplatte im Einkauf 4 € kostet, im Verkauf dann 40 €, das muß ein "Billigheimer" sein.

     

    Da kann man noch froh sein, daß man sowas nicht bei den Stadtwerken kaufen muß, da gäbs unter 400 € nicht mal nen Bierdeckel.

  • H
    Harry

    Ja, eine Kundenbefragung wäre vieleicht klüger gewesen, als ständig wechselnde Manager.

    Wenn man wenige Male eine Ware um 20% senkt ist das in Ordnung.

    Eine Dauerberieselung per Radio und TV ist nur noch nervig und wirkt unglaubwürdig.

    So fängt man heute keine Kunden mehr, zumal alle mit Rabatten werben. (Wie langweilig)

    Darum trauere ich diesem Baumarkt nicht hinterher.

    Manchmal ist eben weniger MEHR.

  • W
    Wolf

    Insidern war seit Jahren bekannt, dass es eine Bereinigung in der Baumarktbranche, aufgrund von Überkapazitäten, geben wird. Die Verkaufsfläche der Baumärkte in Deutschland ist pro Einwohner sehr hoch und damit drohte schon lange ein Einbruch. Praktiker als Gemischtwarenhandel in unterschiedlichsten Ladengrößen musste scheitern. Das ständig wechselnde Management tat sein Übriges. Die unsäglichen Rabattaktionen waren dann das Messer am Lebensnerv. In unterschiedlichen Strukturen der vielen Märkte lassen sich einheitliche Konzepte nicht umsetzen und daher ist Praktiker für die Mitbewerber uninteressant. Die verbliebenen Mitarbeiter die schon großen Verzicht zu Sanierungen geleistet haben, gucken nun in die Röhre. Den gescheiteten Chefs wird es weiterhin gut gehen.

  • A
    Andreas

    Tja, genau das war Problem, und das kannten auch die meisten:

    Der Billigkram bei Praktiker (Budget...) war nicht zu gebrauchen und der Rest nur dann preislich interessant, wenn gerade 20% auf alles ausser Tiernahrung galt.

    Sonst war der Laden immer nervig, lange Wege, hohe Preise, schlechte Auswahl.

  • TL
    Tim Leuther

    "Überdies kriegte Praktiker („Hier spricht der Preis“, „20 Prozent auf alles“) wie zuvor Schlecker zu spüren, dass Geiz nicht geil ist und auch nie war."

     

    Das Preisniveau von Schlecker lag über dem der Wettbewerber. Also wenn man dm und Rossman als Wettbewerber sieht, und nicht Douglass.

  • J
    Johannes

    Trotz der zurecht im Artikel benannten Probleme hat man es hier mit dem Schlecker-Phänomen zu tun. Man hätte nur mal zehn Kunden befragen müssen, warum man lieber in einer anderen Baumarktkette einfkauft. Da hilft keine Management und keine Unternehmungsberatung dies sich auf die Fahne schreibt, objektiv zu urteilen.