Der sonntaz-Streit: „Fleisch muss Luxus sein“
Der Veggie Day ist eine gesundheitspolitische Notwendigkeit, findet Moderatorin Sonya Kraus. Rainer Brüderle findet den Vorschlag lachhaft.
Was? Kein Kantinenschnitzel mehr? Twitter-Deutschland zeigte sich höchst empört über den Vorschlag der Fraktionschefin der Grünen vom Anfang der Woche. Sie wollte in öffentlichen Kantinen und Mensen einen fleischfreien Tag, einen Veggie Day, einführen. „Gutes Essen geht auch ohne Fleisch“, schreibt Renate Künast nun im aktuellen sonntaz-Streit. Der Veggie Day sei eine gute Gelegenheit das auszuprobieren.
Der enorme Fleischkonsum der Deutschen – doppelt so viel wie von Ernährungsexperten empfohlen – sei nicht nur gesundheitsgefährdend, sondern belaste auch Umwelt und Klima. Bereits seit mehr als drei Jahren setzen sich die Grünen für einen Veggie Day ein, auch in ihrem Wahlprogramm ist er zu finden. Zum Wahlkampfthema wurde das Vorhaben allerdings erst, nachdem sich Künast vergangenen Montag in der Bild-Zeitung dazu äußerte.
Als lachhaft bezeichnet der Fraktionsvorsitzende der FDP, Rainer Brüderle, den Vorschlag im sonntaz-Streit: „Statt sich um die Konsolidierung der Haushalte, die Energiewende und die Zukunft Europas zu kümmern, wird der tägliche Speiseplan staatlich verordnet.“
Den sonntaz-Streit "Ist ein Veggie Day geboten?" lesen Sie in der taz.am wochenende vom 10./11. August 2013. Darin außerdem: Die Titelgeschichte "Ich will dein Geld!" Ab wann ist man reich? Die Grünen probieren etwas Neues. Sie wollen ihre wohlhabenden Wähler mit höheren Steuern belasten. Aber was sagen die dazu? Wo beginnt überhaupt die Oberschicht? Und: "Wollen wir das wirklich?" Yvonne Hofstetter entwirft Algorithmen. Für private Konzerne oder Rüstungsfirmen. Ein Gespräch über die wachsende Macht der Maschinen. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Dabei hat die Stadt Bremen bereits Erfahrungen mit dem Veggie Day gesammelt: Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) führte ihn dort schon 2009 ein. „Ein Tag ohne Fleisch spart CO2 und schont langfristig Ressourcen“, schreibt er in der sonntaz. Ein reduzierter Fleischkonsum senke zudem das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Sonya Kraus, die "Allesfresserin"
Die TV-Moderatorin Sonya Kraus gibt ihm Recht, auch wenn sie sich selbst als „Allesfresser“ bezeichnet. Fleisch müsse ein bewusst genossener Luxus sein und gehöre nur zweimal die Woche auf den Tisch, wenn man fit die Rente erreichen wolle. „Ein Veggie Day, unterstützt von einer ernährungswissenschaftlichen Aufklärungskampagne, wäre daher nicht nur ein Beitrag zum Umweltschutz, sondern auch eine gesundheitspolitische Notwendigkeit“, schreibt Kraus.
Auch der prominente Kriminalbiologe und Vegetarier Mark Benecke unterstützt den Veggie Day: „Wenn Befehle helfen würden, würde ich Tiere essen einfach verbieten und basta.“ Ein Veggie Day könne mit Spaß und Güte vermitteln, dass niemand Tiere zu essen braucht.
Im taz-Café übrigens gibt es schon seit zwei Jahren den Veggie Day, immer freitags.
Der Geschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Schweineproduktion, Jens Ingwersen, findet den Veggie Day hingegen sachlich nicht nachvollziehbar: „Weder verhindern wir durch ein Veggie-Day-Gebot den Hunger auf der Welt, noch die Rodung des Regenwaldes oder die Erderwärmung.“
Für Martin Fuchs, den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Fleischer-Verbandes, ist Fleisch Teil einer ausgewogenen Ernährung. Wie bei allen Lebensmitteln gelte jedoch: „Ein immer mehr und immer billiger ist genauso falsch wie ein völliger Verzicht.“ Verbraucher sollten stattdessen auf Qualität, Regionalität und Handwerk achten.
Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Tarik Rose, Küchenchef und Moderator der ZDFneo-Sendung „Beef Buddies“, der vegane Kochbuchautor Attila Hildmann, Dieter Berlingen, Kantinenleiter des Bayer-Konzerns sowie die taz-Leserin Julia Reiter in der aktuellen sonntaz von 10./11. August 2013.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen