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Femen-Gründerin über Aminas Austritt„Wir verzeihen ihr“

Die Femen-Mitgründerin Alexandra Shewtschenko glaubt, dass Amina Sboui der Organisation den Rücken kehrte, weil sie unter „negativem Einfluss“ steht.

Femen-Gründerin über Amina Sboui: „Sie war eine unserer radikalsten Aktivistinnen.“ Bild: ap
Cigdem Akyol
Interview von Cigdem Akyol

taz: Frau Schewtschenko, die Tunesierin Amina Sboui ist bei Femen ausgetreten. Sind Sie enttäuscht über ihren Weggang?

Alexandra Shewtschenko: Wir haben leider aus den Medien von Aminas Austritt erfahren, es gab vorher keinerlei Anzeichen dafür, dass sie mit Femen nichts mehr zu tun haben will – im Gegenteil: Amina war eine unserer radikalsten Aktivistinnen.

Sboui wurde wegen einer Oben-ohne-Protestaktion verurteilt und saß im Gefängnis, momentan wartet sie auf den Beginn eines weiteren Prozesses.

Wenn man wie Amina ständig solchem Druck ausgesetzt ist, dann ist es sehr schwierig, Widerstand zu leisten. Sie ist nicht stark genug für unsere Taktik, den „Sextremismus“. Amina ist nicht stark genug, der islamischen Gesellschaft Widerstand zu leisten

„Mein Name soll nicht mit einer islamfeindlichen Organisation in Verbindung gebracht werden“, begründet Sboui ihren Austritt. Es gelte, die Religion eines jeden zu respektieren.

Es ist traurig, dass gerade Amina so etwas sagt. Dies zeigt, dass sie unter falschen Einflüssen steht, ich mache mir Sorgen um sie. Zu Beginn hat sie uns erzählt, sie sei Antiislam-Aktivistin, sie war radikaler als wir anderen. Wir sind auch radikal, aber nicht so wie Amina. Deswegen zeigt mir ihre Kritik jetzt, dass sie unter dem Einfluss von irgendwem steht, vielleicht sogar Drogen nimmt.

dpa
Im Interview: Alexandra Shewtschenko

gehört zu den Mitbegründerinnen von Femen. Die Bewegung kämpft mit Oben-ohne-Aktionen für Frauenrechte. Die 25-Jährige lebt in Kiew.

Wer sollen denn diese ominösen Einflüsterer sein?

Es gibt in Tunesien momentan viele Strömungen, die Femen ablehnen. Ich denke, es sind Freunde von ihr. In der jetzigen Situation ist es schwierig zu unterscheiden, wer wirklicher Freund ist und wer in Wirklichkeit für die Regierung arbeitet.

Musliminnen auf der ganzen Welt fühlen sich von Femen bevormundet.

Es gibt auch Musliminnen, die uns unterstützen. Diejenigen, die uns Islamophobie unterstellen, leiden unter dem Stockholm-Syndrom. Sie denken, sie würden ihre Herkunft, ihre Tradition, ihren Glauben verteidigen. Aber was soll Unterdrückung mit Religion und Kultur zu tun haben?

Wer gibt ihnen das Recht, mit ihrem Oben-ohne-Aktivismus für alle Musliminnen sprechen zu wollen?

Femen ist nicht nur gegen den Islam, Femen ist gegen jede Religion. Denn jede Religion unterdrückt Frauen – und Amina weiß das ganz genau, wir waren uns da immer einig. Deswegen zeigt mir ihr plötzlicher Meinungswechsel, dass irgendwer sie negativ beeinflusst. Es ist beschämend, dass unsere Aktivistinnen ihr Leben für Amina riskiert haben, ihretwegen im Gefängnis saßen und sie jetzt so etwas über Femen sagt. Aber natürlich würden wir niemals etwas machen, was ihr schaden könnte, wir verzeihen ihr und akzeptieren ihre Meinung.

Sboui kritisiert auch, dass sie trotz mehrerer Nachfragen keine befriedigenden Antworten darauf bekommen habe, wie sich Femen finanziere. Sie wolle nicht Mitglied einer Bewegung sein, die mit Geldern zweifelhafter Herkunft arbeite.

Amina hat uns immer wieder nach Geld gefragt, wir konnten ihr keines geben. Immer wieder haben wir ihr gesagt, dass wir ihr Leben nicht finanzieren können, dass wir kein Geld haben. Ich, eine der Femen-Mitbegründerinnen, lebe in einer kleinen Wohnung in Kiew, ich fahre mit der U-Bahn. Wir leben von Spenden, alles ist transparent.

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22 Kommentare

 / 
  • RA
    Raus aus Tunis

    Das Amina Sboui eine 180 Grad Wende in ihren Anschauungen öffentlich verkündet, dass sie urplötzlich von der radikalen Freiheitskämpferin zur angepassten Muslima mutierte kann ja wohl nur einen Grund haben. Dieser Quatsch der jetzt von ihr kommt kann ihr kein denkender Mensch ihr abnehmen. Am wenigsten Shewtschenko. Amina lebt noch in Tunesien. Sie lebt. Ihre Familie lebt auch noch. Das Gegenbekenntnis, die Gegensymbolik die Sboui betreibt und das auf der Femenwebsite ausgestellt ist ist der Preis den Amina für ihr Leben und das Leben ihrer Familie zahlen mußte.

  • M
    Marcus

    Es besteht kein Zweifel daran das FEMEN radikal oder sogar extremistisch ist, dazu stehen sie auch selbst. Insofern ist es unsinig von ihren Positionen ausgewogenheit zu erwarten. Entgegen anderen dulden sie jedoch andere Meinungen bzw. bekömpfen diese ohne auf Gewalt oder dikredetierung der Person zurückzugreifen. Man muss Femen nicht zustimmen aber ihre Metoden sind zu akzeptieren, da sie radikal aber gewaltfrei sind.

     

    @über Femen: da Femen ja gerade die negative Bewertung von "Unzucht“, „Unsittlichkeit“ und „Verlottertheit" kritisiert, liegt es ja in ihren Interess zu Fordern genau so einen Lebsnstiel zu akzeptieren. Oder frei nach Femen: Eure Ehre/Moral hat nichts mit Ihren Körper zu tun.

  • H
    Haus

    Dass Frau Sboui ausgetreten ist, liegt wohl auch daran, dass sie pragmatischer ist, als der Rest von Femen.

     

    Die islamische Tradition in arabischen Staaten ist sehr stark.

     

    Da kann man keine (typisch machohafte (!)) "Keine Rücksicht auf Verluste"-Taktik oder eine "Mit dem Kopf durch die Wand"-Haltung an den Tag legen.

     

     

    Die Leute brauchen Zeit, um sich schrittweise an neue Sachen zu gewöhnen.

  • BF
    Über Femen

    Korrigiert und Gekürzt

     

     

    Ich weiß auch nicht, was diese Oben-ohne-Aktion in Tunesien sollte.

     

    Ganz ehrlich:

    Meiner Meinung nach hat FEMEN der arabischen Frauenbewegung durch diese Aktion eher geschadet als genützt!

     

     

    Denn nun haben die konservativen Islamisten in Tunesien einen "Beweis" für die "Unzucht“, „Unsittlichkeit“ und „Verlottertheit" der westlichen Welt, auch wenn Das nicht unbedingt die Absicht von Femen war.

     

     

     

     

    Außerdem:

    Femen beschwert sich doch ständig über den Sexismus in unserer Gesellschaft, z.B. in der Werbe-Industrie!

     

    Wenn in einem TV-Werbespot oder auf einem Plakat eine halbnackte Frau in Unterwäsche zu sehen ist, welche sich neben einer Parfüm-Flasche räkelt, ist Das sexistisch.

     

    Okay, kann ich verstehen.

     

     

    Allerdings:

    Femen veranstalten regelmäßig irgendwelche Oben-ohne-Aktionen, wo der weibliche Körper noch wesentlich krasser dargestellt wird.

     

    Okay!

    Es macht schon einen Unterschied, ob man Werbung für Parfüm macht, oder ob man für Frauenrechte prostestiert.

     

     

    Aber irgendwie ..... finde ich Das schon ein bisschen wiedersprüchlich....

  • K
    Korrektur

    KORRIGIERT!

     

    Frau Shewtschenko widerspricht sich selbst!

     

    Einerseits sagt sie:

     

    „Diejenigen, die uns Islamophobie unterstellen, leiden unter dem Stockholm-Syndrom.“

     

    In anderen Worten: Femen ist nicht islamophob.

     

     

    Aber ein paar Zeilen weiter sagt sie:

    „Femen ist nicht nur gegen den Islam, Femen ist gegen jede Religion.“

     

     

    Ja… Was denn nu?

     

     

    Außerdem:

    Durch den Spruch „Diejenigen, die uns Islamophobie unterstellen, leiden unter dem Stockholm-Syndrom.“

    -

    Hat Frau Shewtschenko der atheistischen Aufklärungsbewegung einen Bärendienst erwiesen!

     

     

    Denn es gibt auch Frauen, welche freiwillig (!) zum Islam konvertieren, oder religiös werden!

     

    http://www.spiegel.de/spiegelwissen/aus-welchen-gruenden-deutsche-zum-islam-konvertieren-a-898624.html

     

    Man lese mal den Artikel und achte auf die Lebensgeschichte von Sarah Lenkeit!

     

     

    Tatsächlich war ihr persönliches Umfeld (V.A. ihre Eltern) sogar eher dagegen, dass sie zum Islam konvertiert ist!

     

     

     

    Akzeptanz entsteht durch Aufklärung

    -

    und nicht durch Wut!

  • R
    Religion

    Zitat:

    "Femen ist nicht nur gegen den Islam, Femen ist gegen jede Religion."

     

     

    Hmmmm.....

    Ich bin atheitisch bwz. agnostisch eingestellt und hasse religiösen Fundamentalismus!

     

    Aber dass Femen gegen Religion ist:

    Gilt Das auch für diese Esoterik-Religionen (Astrologie, Homöopathie & Co.), welche gerade bei Frauen so beliebt ist?

     

    Jedenfalls sind statistisch gesehen wesentlich mehr Frauen esoterisch angehaucht als Männer:

     

    http://www.skeptiker-blog.ch/2012/03/ist-esoterik-ein-frauenproblem.html

  • H
    horst

    hut ab vor femen. die riskieren noch was und machen action. wann hat zum letzten mal eine lila latzhose heidi klums catwalk gestürmt? in den 70ern? femen macht rabatz im hier und jatzt und zeigt nicht nur heidi klum dass sie scheisse ist.

  • Wer sich positioniert, macht sich auch angreifbar.

    Wen wundert es, dass da auch mal Leute einknicken, weil sie dem Druck nicht standhalten können? Die durchscheinende Schadenfreude vieler Kommentatoren hier ist unterirdisch und unangebracht.

     

    Religionen arbeiten immer mehr oder weniger offen mit Gruppenzwang. Der betrifft Männer und Frauen, aber überwiegend Frauen, weil die meisten Religionen nunmal patriarchalisch strukturiert sind. Um das zu verstehen, muss man auch kein Feminist sein.

  • Die Antworten in dem Interview könnten auch von einer Sektenführerin stammen.

     

    Die Zitate "Diejenigen, die uns Islamophobie unterstellen, leiden unter dem Stockholm-Syndrom. "

    oder

    "Deswegen zeigt mir ihre Kritik jetzt, dass sie unter dem Einfluss von irgendwem steht, vielleicht sogar Drogen nimmt." sind dazu geeignet, die Person unabhängig von der Kritik (auf die nicht eingegangen wird) zu diskreditieren. David Miscavige lässt grüßen.

  • SA
    Simon A.

    FEMEN tritt für konsequentes Recht an sich selbst ein. Entgegen anderen Bewegungen stoßen sie aber gleichzeitig nicht ihre eigenen Pflichten ab.

     

    Das ist sehr ehrenwert und konsequent, weil eben keine Forderung an die Gesellschaft oder andere Menschen aufgestellt wird, notfalls über den Staat ihre persönlichen Wünsche auf Kosten und Nerven anderer friedlicher Mitmenschen umzusetzen.

  • A
    ana

    dem kann ich nur zustimmen.

    Ich sehe mich selbst als Feministin, aber...

     

    ... this ist not my revolution!

     

    Hoffentlich geht in dieser ganzen Debatte nicht unter dass es noch einen anderen Feminismus gibt. Einer der nicht so allwissend um sich schlägt.

  • E
    Else

    Bei dieser Arroganz von Frau Shewtschenko fehlen einem einfach nur die Worte. Der Paternalismus dieser Steinzeitfemministinnen ist einfach nur ekelhaft.

  • W
    widerborst

    Na das ist doch mal hübsch:

     

    Huldvoll - wir verzeihen ihr.

     

    Stark - eben selbiges nicht;

    - was für Matthias Lohre: die Frauens heutzutage…!

     

    rätselhaft - last callandresponse!

    - fehlsame Übersetzung?

    - bayrisch ala FJS? - " so könns die Fragen net stöllen!"

    - in Langform by Schewtschenko.

     

    Alles in allem - Oben Ohne 2. Ordnung.

    Na Servus.

  • M
    marc2013

    Amina Sboui beweist uns leider, wie Feminismus, arabischer Hass auf Israel und Verschwörungstheorien in einem Kopf zusammen kommen und friedlich koexistieren können. Das vollständige Statement der tunesischen Ex-Femen-Aktivistin geht nämlich so: "Ich will nicht Teil einer Bewegung sein in der es zweifelhaftes Geld gibt. Und falls sie von Israel finanziert wird? Ich will das wissen." (Libération 20.08.2013) Amina setzt als Idee in den Raum: Israel finanziert ukrainische Feministinnen um den Islam zu beleidigen. Beweise oder Hinweise? Keine. Die Verdächtigung reicht als Grundlage eines Urteils. Amina Sboui hat eine große Zukunft als pöbelhafte Youtube-Kommentatorin.

  • P
    Purple

    Mein Gott, selten so arrogante und selbstgerechte Aussagen gelesen. Diejenigen, die Femen nicht (mehr) unterstützen, sind nicht stark genug oder leiden am Stockholm-Syndrom. Das hat schon etwas sektiererisches an sich.

  • G
    GastGast

    Na, das ist ja wirklich nett und in höchstem Maße tolerant wie menschenfreundlich, dass Femen jemandem verzeiht, der sich doch tatsächlich frecherweise erdreistet, den ideologisch zementierten kulturellen Rassismus (hier gegen Religion gerichtet) nicht mehr mittragen zu wollen. Dafür gebührt Femen unser Dank.

     

    Deswegen: Danke Femen! Danke, dass ihr so großartig und geradezu gnädig seid!

  • T
    tim

    welch arroganz, welch ignoranz, welch widerwärtige person.

  • H
    Hendrik

    Das, was dieses Interview enthält, offenbart extrem rassistische Züge der Zitierten und man sollte sich mal fragen, inwieweit die Femenbewegung- gruppierung auf diese einen Dialog unmögliche Art und Weise des Protests etwas erreichen will. Weniger Polemik, weniger Brüste, mehr Dialog!

  • A
    asira

    Da fröstelt es schon ein wenig...

     

    ...,wenn die taz nach "ominösen Einflüsterern" fragt. Immerhin sieht Amina Sboui einem Prozeß in einem Land entgegen, das von Islamisten regiert wird; zudem ist zu vermuten, dass sie nahezu mittellos und ohne einflussreiche Unterstützer ist. Wer könnte es ihr in einer solchen Situation verübeln, nach letzten Strohalmen zu greifen? Wer? - Die taz, für die scheinbar jede Islamkritik Grund genug ist, die Solidarität zu kündigen. Das war mal anders.

  • D
    Dordino

    "Diejenigen, die uns Islamophobie unterstellen, leiden unter dem Stockholm-Syndrom." vs. "Femen ist nicht nur gegen den Islam,..."

     

    "Aber was soll Unterdrückung mit Religion und Kultur zu tun haben?" vs. "Denn jede Religion unterdrückt Frauen."

     

    Kein Wunder das Amina Sboui ausgetreten ist.

  • J
    Jane

    Kein Geld aber weltweite Reisen? Wers glaubt...

  • H
    horst

    "Femen ist nicht nur gegen den Islam, Femen ist gegen jede Religion."

     

    ich glaub ich werde femen-mitglied. aber ich bin ein mann, darf ich dann überhaupt mitglied werden?