Werder versus Frankfurt: Nur noch Bruchstücke
Nach dem 0:3 weiß man bei Werder Bremen, woran man sich in dieser Saison orientieren kann: am Abstand zu den Abstiegsplätzen.
BREMEN taz | Damit auch jeder merkt, dass mit dem Umbruch bei Werder Bremen ernst gemacht wird, haben die neuen Verantwortlichen einige jahrelang eingeübte Rituale geändert. So dürfen die Spieler vor Heimspielen jetzt zu Hause statt im Parkhotel schlafen. Und die Fans müssen vor Spielbeginn auf das Meisterlied des Jahres 2004 verzichten. Die Botschaft ist klar: Die glorreichen Zeiten sind nicht länger der Maßstab.
Doch an welchem Maßstab die Leistung stattdessen gemessen werden kann, ist nach dem 0:3 gegen Eintracht Frankfurt unklarer denn je. Nach den beiden glücklichen Anfangserfolgen gegen Eintracht Braunschweig und den FC Augsburg hieß es zu Recht, man solle sich davon nicht blenden lassen. Die anschließenden Niederlagen in Dortmund und Mönchgengladbach wurden damit relativiert, dass man mit diesen Gegnern im Augenblick nicht auf Augenhöhe konkurriere.
Motivationslage nicht okay
Mit Eintracht Frankfurt kam erstmals ein Gegner ins Weserstadion, der den Grün-Weißen zeigen sollte, wo sie nun eigentlich stehen. Das Ergebnis war so verheerend, dass Trainer Robin Dutt nach dem Spiel als erstes feststellte, das Auftreten seiner Mannschaft habe nichts mit einem irgendwie gearteten Entwicklungstand zu tun. “Wir sind einfach nicht wie eine Heimmannschaft aufgetreten“, sagte Dutt. „Die Motivationslage jedes einzelnen Spielers war nicht okay.“ Es spricht für den Trainer, dass er weder den Platzverweis von Franco Di Santo, der seinen Gegenspieler im Zweikampf fahrlässig am Kopf verletzte, noch den verschossenen Elfmeter von Aaron Hunt oder die vergebenen Großchancen von Cedrick Makiadi und Eljero Elia als Ausrede gelten lassen wollte. „Das sind eher Randgeschichten“, sagte er.
Dutt mochte allerdings nicht einräumen, seine Mannschaft mit ungenügendem taktischem Handwerkszeug auf den Platz geschickt zu haben. Als in der Anfangsphase die Frankfurter mehrfach mit simplen Doppelpässen auf der rechten Abwehrseite durchbrachen, diskutierten die Bremer Spieler heftig darüber, wer dem übertölpelten Clemens Fritz hätte zur Seite springen müssen. Makidi? Oder doch Elia? Bevor die Frage geklärt war, fiel aus eben einer solchen Situation heraus das 0:1 durch Vaclav Kadlec.
Leichter fiel die Schuldzuweisung beim 0:2 in der 34. Minute. Mehmet Ekici ließ seinen Gegenspieler Sebastian Rode so unbedrängt flanken, dass der den Kopf von Kadlec in aller Ruhe anvisieren konnte. Da spielte Werder nach Di Santos‘ Fauxpas schon zu zehnt und gab keinen Anlass mehr zur Hoffnung, das Spiel noch drehen zu können.
Dafür blieb das Aufbauspiel wie in den Wochen zuvor bruchstückhaft, ideenlos und ungenau. Die Bremer kamen durch Standardsituationen zwar noch zu ein paar Torchancen gegen die wacklige Frankfurter Abwehr. Aber 32 Prozent Ballbesitz ist für eine Heimmannschaft entlarvend und dokumentiert, dass sie nicht in der Lage ist, den Ball über mehrere Stationen in den eigenen Reihen zu halten.
Anspruch und Wirklichkeit
Um dies möglichst schnell zu ändern, sieht sich Trainer Dutt jetzt als Psychologe gefordert. Mit der Ansage, gespannt zu sein „wie jeder Spieler dieses Spiel reflektiert“, deutet er an, dass es noch andere Spieler als den verkauften Marko Arnautovic geben könnte, bei denen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Für den Fall, dass er solche ausfindig macht, hat er mit Özkan Yilderim und Levant Aycicek zwei Nachwuchsmittelfeldspieler in der Hinterhand.
In den nächsten Wochen muss Dutt vor allem folgenden Widerspruch lösen: Einerseits wäre es für die Innenwirkung fatal, jetzt schon den Abstiegskampf auszurufen – anderseits kann es aufgrund der gezeigten Leistungen keinen anderen Maßstab geben als den Abstand zu Platz 16. Da haben es die eingefleischten Fans einfacher: Für sie zählt nur der Abstand zum HSV und der kann schon nächste Woche im direkten Duell vergrößert werden.
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