piwik no script img

Absturz der PiratenDas Ende der großen Überschätzung

Mit gut zwei Prozent ist das Scheitern der Netzpartei heftig, aber erwartet. Nicht einmal der NSA-Skandal brachte die erhoffte Trendwende.

Bleiben erst einmal draußen: Pirat vor dem Reichstagsgebäude. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Piraten sind jetzt ungefähr wieder dort, wo sie bei der Bundestagswahl 2009 zu ihrem sensationellen Höhenflug gestartet waren: 2,2 Prozent der Stimmen – eine erwartete, aber heftige Niederlage. Entsprechend ist die Stimmung im „Urban Spree“-Club in Ostberlin, wo sich am Sonntagabend die Parteiprominenz eingefunden hat.

„Die Piratenpartei wird bleiben“, ruft Parteichef Bernd Schlömer der Basis zu. Sie werde nun „außerparlamentarisch für so viel Unruhe sorgen“, dass es in vier Jahren mit dem Einzug in den Bundestag klappe. Der Applaus hält nicht lange. Jubel brandet nur auf, als bekannt wird, dass auch die FDP den Bundestag wohl von draußen bestaunen muss.

Die Wahl 2013 markiert für die Piraten das Ende einer großen Selbst- und Fremdüberschätzung. Kaum noch vorstellbar, dass die Nerd-Partei vergangenes Jahr sogar kurzfristig die Grünen in den Umfragen überholt hatte. Geblendet vom Medienhype, hielten damals einige Piraten ihre Sitze im Bundestag bereits für sicher. Es folgte ein jäher Absturz, der an die steilen Abwärtskurven klassischer Protestparteien erinnerte.

Im Eiltempo verpasst

Auch der NSA-Skandal verhalf den Piraten nicht mehr zur Trendwende. Alle Petitionen, Strafanzeigen, offenen Briefe und Demos verpufften. Denn auch SPD und Grüne warben für sich als Retter der digitalen Bürgerrechte. Inhaltliche Unterschiede waren für Laien kaum erkennbar.

Gescheitert sind die Piraten wohl nicht zuletzt an ihrer virtuellen Kommunikation. In monatelanger Kleinarbeit erarbeiteten sie sich den Ruf als zerstrittene Truppe. Große Teile der Netzbewegung wandten sich befremdet von ihnen ab. Da half auch ein Vollprogramm nichts mehr, das sie sich im Eiltempo verpassten. Viele potenzielle Wähler trauten den Piraten die Umsetzung ihrer Ziele nicht mehr zu.

Nun steht die Fehleranalyse an. Parteichef Schlömer wies Fragen nach seinem Rückzug am Abend zurück. Intern rechnen aber viele damit, dass er spätestens beim nächsten Bundesparteitag in Bremen seinen Führungsposten räumt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • RW
    Rainer Winters

    Die Piraten haben eine gute Botschaft gehabt, die Freiheit.

     

    Aber kommunizieren können sie nicht. Habe selber probiert, mit ihnen politisch was auf die Beine zu setzen. Nach drei Wochen kommt mal eine Antwort, oder eben keine Antwort.

     

    Fakt ist aber, dass > 80% aller Deutschen ihr Kreuzchen dorthin setzen, was dem Portemonnaie gut tut. Idealistisch sind nur wenige Deutsche, und die Freiheit ist nun mal ein idealistisches Thema, welches viele Deutsche gar nicht verstehen.

     

    Insofern dürfen sie sich nicht über den Pragmatismus der politiker beschweren: Sie sind ja selber ein Spiegelbild von diesen.

  • P
    Paul

    Endlich hat der Spuk ein Ende. Die Piraten waren eine Ausgeburt des heise-Forums und entsprechend geartet: Totales inhaltliches Chaos und keinerlei Umgangsformen. Dass die Piraten zu ihren Hochzeiten noch keinerlei Programm hatten war uninteressant. Auf der einen Seite waren die jungen Gesichter interessant für die Medien, auf der anderen Seite wurde im Zuge der damaligen Occupy-Proteste eine Partei gebraucht, die die Ablehnung gegenüber den etablierten Parteien repräsentierte. Obwohl die mehrheitlich marktliberalen Positionen der Piraten rein gar nichts damit zu tun hatten, war sie kurzzeitig diese Partei, einzig und allein weil sie neu war (dabei konnte man diese Positionen dank der "transparenten" parteiinternen Kommunikationsformen nachlesen). Heute unterscheiden sich Programm und Duktus kaum noch von den etablierten Parteien. Netzthemen interessieren selbst dann nur eine absolute Minderheit, wenn aufgedeckt wird, dass die Staatssicherheit gegen die heutigen "demokratischen" westlichen Staatsapperate ein zahnloser Tiger war. Was mit dieser Partei verschwindet ist eine der obskursten und irrationalsten politischen Erscheinungen der bundesdeutschen Geschichte. Dass die Generation der "Piraten" es jemals schaffen wird eine Partei zu gebähren die ihre Interessen vertritt, wie es ihre Eltern mit den Grünen taten, darf bezweifelt werden. Zu Hyperkapitalisten und Radikalindividualisten erzogen werden sie sehenden Auges ins Verderben laufen.

  • S
    schreiber

    Weder Peter noch Susanna kann ich als Wähler seit 2009 zustimmen. Die Piraten haben ein mittlerweile großes Programm für eine so junge Partei, dass passt schon. Ihr müsst das einfach mal nachlesen. Das es bei denen langsam voran geht habe ich auf einem dieser Parteitage in Hamburg gesehen. Was ich aber gegenüber den anderen Parteien klasse fand, dass da jeder der Mitglied ist teilnehmen konnte. Das dass natürlich nicht so schnell geht wie auf Parteitagen an denen Abgesandte die Lobby-Programme durchwinken ist ja klar. Wohin ein Durchsinken führen kann wissen vor allem SPDler zur Agenda2010 mit Blick auf einen ganzen Stapel abgegebener Parteibücher^^

  • BR
    Basispirat Richy

    Basispirat Richy

    Es hat,von der veröffentlichten Meinung unbemerkt, eine Stabilisierung der Basis gegeben.

    Von dieder Basis aus, werden Themen gestrafft und verstehbar gemacht.

    Wie wäre es mit der Direktwahl des Bundespräsidenten !

  • N
    Nem

    Ich gebe meinen beiden vorangegangenen Kommentatoren recht. Ich möchte ergänzen, dass die Piraten eine prima Spielwiese für junge Leute ist, um sich auch mal an Politik heranzuwagen. Wenn man nicht nur von Senioren gewählte Politiker erleben möchte, (sic!) sollte man den Piraten zumindest dafür eine Daseinsberechtigung lassen.

    • @Nem:

      Spielwiese??

      Hier geht es um die Gegenwart und die Zukunft unseres Heimatlandes!

      Da wäre mir Bodenständigkeit und Realismus lieber als bekiffte PC-Freaks die im Internet alles kostenlos haben wollen und x-Firmen mit ihren Raubkopien schaden.

  • F
    fertig

    Die Piraten waren einmal aufrichtige IT-Nerds mit einem klar definierten Programm. Man hat sich aus Naivität und mangelnder Härte von Grünen Agenten und genderfeministischen Karrieristinnen den Laden kaputt machen lassen.

    • @fertig:

      Genau: Klar definiertem Programm:

      Raubkopieren und damit anderen schaden. Na toll, das ist ja auch soooo sehr sinnvoll.

      Das schafft auch so viele Arbeitsplätze, fördert den Wohlstand und so weiter ...

  • PH
    Peter Haller

    Die Piraten waren doch von Anfang an eine Spass-und Partypartei für facebook-twitter-und sonstige smartphone- tablet und notebook-kids.

    Das war dann so ähnlich wie bei der irren "occupy-Bewegung": nachdem der Reiz der ersten Nacht vorbei war, hat man sich dann doch wieder seinen "echten" facebook-Freunden zugewandt.

    Der Hype war mainstreammediengemacht !

    • @Peter Haller:

      Bitte anderes Profilbild wählen, ich glaube nicht, das Sie Frau Merkel sind oder das diese Ihnen das Recht an diesem Bild gab.

  • S
    Susanna

    Die Piraten haben ein ähnliches Problem wie die FDP: Man weiß nicht genau, warum man sie wählen sollte. Keine Ahnung von feministischen Themen, kein Interesse für Umweltthemen, selbst das Steckenpferd Urheberrechte und so: Überhaupt keine Linie oder konstruktive Vorschläge. Dagegen sein, aber nicht sagen, wie Menschen, die Bücher schreiben oder Platten aufnehmen ihre Miete zahlen könnten, obwohl die Welt wirklich auf tragfähige Konzepte wartet. Das bisschen Internetpolitik, was da noch übrigbleibt, können dann ja auch die linken Parteien machen, die Freiheit gut finden und sich noch mit ein bisschen mehr auskennen.

    • L
      LenoXX
      @Susanna:

      Falsch. Die FDP hat einen starken "Markenkern" mit den Begriffen Freiheit und Steuergerechtigkeit.

       

      Die FDP wurde genau deshalb abgewählt - weil eben nicht "Mehr Brutto vom Netto" blieb. Hätte die FDP ausgemistet, bei Steuern und bei staatlichen Alimenten" - das Wahlergebnis wäre besser ausgefallen als 2009.

      • H
        huev
        @LenoXX:

        Ich hoffe, der Rest der Partei denkt genau wie Sie - denn das wäre die Garantie, dass der Bundestag dauerhaft von der FDP verschont bliebe.