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Debatte StaatsbürgerschaftWeg vom Blutsrecht

Kommentar von Rudolf Walther

Die rechtliche Beziehung zwischen Staat und Bürgern ist ein Indikator für die Verfasstheit von Demokratien. Problematisch sind nationalistische Trends.

Die Einbürgerung wurde 2000 etwas erleichtert, die doppelte Staatsbürgerschaft aber weiter verhindert. Bild: blowball / photocase.com

D er Obrigkeitsstaat hat die doppelte Staatsbürgerschaft nie gemocht – insbesondere nicht für Männer, denn sie bilden die eiserne Reserve für die eigene Armee, und ein Staat will wissen, in welche Richtung „seine“ Männer im Ernstfall schießen. Wer im nationalen Denken gefangen ist, unterstellt Doppelbürgern mangelnde Loyalität.

Mit dem Zerfall des „Ostblocks“ nach 1989 durfte man hoffen, solche groben militärischen und nationalen Kalküle gehörten der Vergangenheit an. Die Realität ist aber eine andere.

Nicht nur in den östlichen, sondern auch in westlichen EU-Staaten erwachen die nationalistischen Bewegungen. Es werden neue nationalkonservative und rechte Parteien gegründet, die bereits bestehenden erhalten neuen Auftrieb. 1999 gewann der Unionspolitiker Roland Koch die hessische Landtagswahl dank einer von der Bild-Zeitung orchestrierten nationalistischen Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft.

Rudolf Walther

geb. 1944, ist freier Publizist und lebt in Frankfurt am Main. 2011 erschien im Oktober Verlag Münster ein erster Sammelband mit seinen Essays, Kommentaren und Glossen: „Aufgreifen, begreifen, angreifen“.

Das hatte Auswirkungen weit über Hessen hinaus, denn die rot-grüne Bundesregierung verlor mit Kochs Sieg ihre Mehrheit im Bundesrat. Mit einer Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft fegte die CDU das Thema von der Tagesordnung. Anstatt das Staatsbürgerschaftsrecht zu liberalisieren und die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, kam es zum faulen Kompromiss: Menschen mit zwei Pässen müssen sich bis zum 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden und auf die zweite verzichten.

Ausgang ungewiss

In den laufenden Koalitionsverhandlungen steht dieser Optionszwang nun zur Debatte. Ausgang ungewiss. Vielleicht gelingt jetzt, was mit der rot-grünen Reform in Jahr 2000 verpasst wurde: die Wende weg vom „Blutsrecht“.

Denn die Staatsangehörigkeit kann grundsätzlich nach zwei Rechtsprinzipien geregelt werden. Entweder nach dem Prinzip der Abstammung – oder nach dem Geburtsortprinzip der Eltern. Im ersten Fall spricht man vom ius soli („Recht des Bodens“), im zweiten vom ius sanguinis („Blutsrecht“).

In der Bundesrepublik galt von 1913 bis 2000 ein Staatsangehörigkeitsrecht nach dem Abstammungsprinzip: Hier geborene Kinder von Einwanderern werden Ausländer, auch wenn sie ihr ganzes Leben hier verbringen. Die Geschichte des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts ist reich an solchen abgründigen Facetten. In den deutschen Staaten war man rechtlich immer zuerst Untertan eines Landesherrn beziehungsweise Bürger eines Landes, also Hamburger, Hesse, Preuße, Bayer. Erst in zweiter Hinsicht – kulturell und sprachlich – war man auch Deutscher.

Völkische Amalgame

Eine einheitliche, landesunabhängige deutsche Staatsbürgerschaft nach dem Prinzip der Abstammung schufen erst die Nazis mit dem Gesetz vom 5. Februar 1934. Noch das Grundgesetz enthält im Artikel 116 eine blutsrechtliche Spezialität, verbunden mit einer logischen Zumutung.

Während die Verfassungen aller Staaten nur Staatsangehörige und Nichtstaatsangehörige („Ausländer“) kennen, schuf das Grundgesetz ein hybriden Dritten: den „Volksdeutschen“, „anderen Deutschen“ oder „Statusdeutschen“, also den Abkömmling von Deutschen, die vor 100, 200 oder auch 800 Jahren nach Osten von dannen gezogen waren, aber dort ihr „Deutschtum“ angeblich weitervererbten.

Das Unikat des Hybriddeutschen wurde 1949 „neu geschaffen“ (so der Grundgesetzkommentar von Maunz-Dürig-Herzog), um diese „Abruf-Deutschen“ aus 1945 verloren gegangenen Gebieten und älteren Auswanderungsgegenden (Siebenbürgen, Wolga) eingemeinden zu können. Zu solchen Zumutungen passt, dass das Kapitel des Grundgesetzes, in dem die Hybriddeutschen geschaffen wurden, mit „Übergangs- und Schlussbestimmungen“ überschrieben ist. Der Normentyp, zu dem das Übergangswesen des Hybriddeutschen gehört, ist für Juristen denn auch „gegenstandsverzehrenden Abschmelzungsprozessen“ ausgesetzt.

Zum Abschmelzen der rassistisch-völkischen Amalgame von Recht und Biologie im Abstammungsprinzip bot die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 Gelegenheit. Sie blieb ungenutzt. Die Einbürgerung wurde etwas erleichtert, die doppelte Staatsbürgerschaft aber weiter verhindert.

Wie gut solche Entscheidungen über die Verfasstheit der Demokratie und über politische Konjunkturen Auskunft geben, lässt sich unterdessen in Frankreich erkennen: Hier galt bis 1804 und seit 1871 das ius soli, das Geburtsprinzip, wonach in Frankreich geborene Kinder automatisch Franzosen sind, unabhängig davon, woher ihre Eltern stammen. Gälte in Frankreich das deutsche Abstammungsprinzip, würde rund ein Viertel der Franzosen über Nacht zu Ausländern, unter anderem auch Nicolas Sarkozy.

Lange zählte das ius soli zu den Grundlagen der Französischen Republik und Bürgernation, die auf Rechten und Werten beruht, nicht auf ethnischer Herkunft. Diese Grundlage war der kleinste gemeinsame Nenner aller demokratischen Parteien. Sarkozy warb im 2012 sogar mit dem Slogan: „Das Geburtsprinzip ist Frankreich.“

Bis zur Ununterscheidbarkeit

Der radikalnationalistische Front National aber fordert nun die Abschaffung des Geburtsprinzips, die Beschränkung der Einwanderung und die Verknüpfung von sozialstaatlichen Leistungen und ethnischer Herkunft.

Und auch Jean-François Copé und François Fillon – die beiden Rivalen im Kampf um die Parteiführung in der konservativen UMP – kratzen an der Geschäftsgrundlage des demokratischen Republikanismus: Angesichts des Zulaufs zum FN und der Kommunalwahlen im März fordern Copé und Fillon einen Gesetzentwurf gegen „den automatischen Erwerb der französischen Staatsbürgerschaft für Kinder, die in Frankreich geboren werden“. Das konservative UMP-Programm soll vorsehen, alles zu vermeiden, „was heimliche und legale Einwanderung anzieht“.

Damit nähert sich die UMP dem Front National bis zur Ununterscheidbarkeit. Nicht nur für Frankreich, sondern für ganz Europa sieht es düster aus, wenn solche nationalistischen Trends noch mehr Schwung gewinnen.

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24 Kommentare

 / 
  • 1G
    1326 (Profil gelöscht)

    Ich habe folgenden Vorschlag:

    "Grenzen auf fuer alle" + (!) "Bedingungsloses Einkommen" in Deutschland.

     

    Da ich in der Schweiz lebe, kann ich es mir leisten zu beobachten was das in Deutschland fuer positive, oder negative Konsequenzen nach sich ziehen wuerde.

  • MM
    Markus Meister

    Die Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft wird von beiden Seiten mit unlogischen Argumenten geführt. Es ist gerade zu albern, Menschen die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind eine Staatsbürgerschaft zu geben, die sie dann als Erwachsene wieder verlieren können. Gerade auch, weil zwei Pässe unter bestimmten Bedingungen schon jetzt üblich sind. Genauso befremdlich ist aber das Argument, man würde mit der Abgabe eines Passes seine Kultur aufgeben oder die Herkunft der Eltern verleugnen. Nach dieser Logik würden z.B. in den USA, Kanada, Australien oder Neuseeland millionen Menschen mit Identitätsproblemen leben, außer sie hätten 2 bis 6 Pässe der Staaten aus denen ihre Vorfahren mal eingewandert sind. Das eigentliche Problem ist der an- und völlig überzogene Nationalismus auf beiden Seiten. Echtes Zusammenleben mit interkulturellen Freundschaften, Lebensgemeinschaften und Ehen sind immer noch sehr selten, aber genau das könnte das eigentliche Problem sein.

  • B
    Bastler4711

    "Die rechtliche Beziehung zwischen Staat und Bürgern ist ein Indikator für die Verfasstheit von Demokratien."

     

    Was für ein doofes Geschwurbel!

     

    . Was ist denn genau unter der 'Verfasstheit' einer Demokratie zu verstehen?

    Wo können wir das nachlesen? wer legt das fest, oder ist die Befindlichkeit des Verfassers das 'Messorgan'?

     

    . Was meint der schreibende Mystiker denn mit "..rechtliche Beziehung zwischen Staat und Bürgern.."

    Da darf sich dann wohl jeder selber seinen eigene scheiss reindenken; was immer es dann auch heissen mag.

    Wie muss die denn genau aussehen, damit der Verfasser zufrieden ist?

    Was meint der schreibende Mystiker denn hiermit?

     

    Bekommen wir noch weitere Psalmen zu lesen, oder kann der rest auch getanzt werden?

  • L
    Lebensfeier

    Gäbe es nur das ius soli (also auch im Herkunftsland), käme gar keine doppelte Staatsangehörigkeit zustande. Das übersieht der Autor.

     

    Wenn also bei der Optionpflicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit verzichtet werden muß, wird auf diejenige verzichtet, die nach dem ius sanguinis ("Blutsrecht") zustande gekommen ist. Es bleibt dann nur die Staatsangehörigkeit, die jemand bei einem reinem, universell geltenden ius soli hätte (denn jeder hat nur einen Geburtsort und könnte deshalb bei einem reinen ius soli nur die Staatsangehörigkeit des Staates erhalten, in dem er geboren worden ist).

     

    Um in der Diktion des Autors zu bleiben: Die Forderung nach der doppelten Staatsangehörigkeit bedeutet nichts anderes als die Forderung nach der Beibehaltung des "rassistisch-völkischen" Abstammungsprinzips, allerdings des Abstammungsprinzips des Herkunftslandes.

  • X
    Xtiane

    Weshalb soll hier "entweder oder" gelten und nicht "sowohl als auch"? Auf das ius sanguinis zu verichten bedeutet auch, dass deutsche Elternteile, deren Kind im Ausland geboren wird, ihre deutsche Staatsangehörigkeit nicht an ihr Kind weitergeben können. Das kann doch niemand ernsthaft wollen. Ius sanguinis behalten und durch ein ius soli ergänzen, das an einer einfachen Tatsache anknüpft: Kinder von Ausländern, die bereits selbst im Bundesgebiet geboren wurden, erhalten die deutsche Staatsangehörigkeit und zwar ohne Optionspflicht. Das wäre mein Vorschlag, der im Vergleich zu bestehenden Lösung mit erheblich weniger Prüfungsaufwand(ein Blick auf die Geburtsurkunde des Elternteils genügt) und Streitpotential (liegen/lagen die Voraussetzungenvor und wann muss warum ich wie optieren?) verbunden wäre.

  • M
    Mimi

    Sind wir doch ehrlich: Es geht mal wieder nur um die Türken.

     

    Wer in der vierten Generation immer noch den Pass der Ur-Ur-Großeltern behalten will, ist nicht wirklich unter uns. Seltsam, sehr biologistisch.

    • G
      Gast(arbeiter)
      @Mimi:

      Interessante Ansicht..

      Meiner Meinung ist es nicht der Pass der Ur Ur Großeltern sondern der eigene ist.

      Was ist das Ziel was angestrebt wird in Deutschland?? Integration? inklusion? assimilation? Ich sehe keinen Trend.. Die Wahrheit sieht so aus: In Deutschland ist man Ausländer. Im "Heimatsland" Deutschländer. Egal welchen Pass man hat. Fühlt sich in beiden Staaten wohl und gleichzeitig ausgestoßen. In beiden Staaten muss man für die Gesetze gerade stehen welches die jeweiligen Politiker festsetzen und man darf sich nur bei einem beteiligen. Nur die Vorteile eines Bürgers von nur einem Land beziehen. Ich denke es sind viel mehr Vorteile als Nachteile, Mitbürger mit migrationshintergrund die eine beachtliche Zeit in Deutschland leben/arbeiten oder sogar hier geboren sind, die doppelte Staatsbürgerschaft anzubieten.

  • U
    Ursula

    Die genannten positiven Beispiele mit der doppelten Staatsbürgerschaft gehen am Kernproblem vorbei: Es geht hier doch nur um eine bestimmte große Gruppe, die in der 3. Generation immer noch nicht integriert, geschweige denn assimiliert, hat. Der Druck zur Integration würde bei dieser Gruppe herausgenommen werden mit fatalen Auswirkungen für nser Land. Doppelte Staatsbürgerschaft für diese Gruppe NEIN. Im Interesse unseres Landes.

  • S
    Sabine

    Ich bin gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Man soll sich schon entscheiden, welcher Gesellschaft man angehören möchte und wie man sein Engagement einsetzt. Wenn eine doppelte Staatsbürgerschaft in zwei politisch sehr unterschiedlich geprägten Staaten vorliegt, ist das eine Art "Nullsprech" gegenüber der eigenen Identität und keine Entscheidung pro oder contra. das kann nicht funktionieren.

    • G
      Gast(arbeiter)
      @Sabine:

      "Man soll sich schon entscheiden, welcher Gesellschaft man angehören möchte und wie man sein Engagement einsetzt"

       

      Also ist die Staatsangehörigkeit für den Ausmaß von Engagement entscheident??

       

      Mit solchen Aussagen erwartet man integration?

       

      was wird unter integration verstanden?

       

      Man legt alle kulurellen bräuche, gewohnheiten und religion ab? Damit die Bürger des Staates, welches wilr als Gastarbeiter mit aufgebaut haben, als integriert ansehen?

       

      Sollten am besten auch die Haare gefärbt und farbige kontaktlinsen getragen werden?

       

      Ist es so schwer tolerant gegenüber "anderen" Menschen zu sein?

       

      Und dann wundern warum sich manche Gruppen assimulieren!

       

      Mir fehlen die Worte..

    • MR
      Mig Rant
      @Sabine:

      "Man soll sich schon entscheiden, welcher Gesellschaft man angehören möchte..."

       

      Ich habe mich entschieden, welcher Gesellschaft ich angehöre, aber seltsamerweise nutzt ein großer Teil dieser Gesellschaft alle Mittel, um mir das Gefühl zu geben, ich sei ihr nicht willkommen.

       

      Dazu darf ich alle Pflichten wahrnehmen, soll aber auf alle Rechte verzichten.

       

      Und zuguterletzt soll ich mich täglich schmähen lassen und dabei ruhig bleiben, denn sonst beweise ich ja, dass ich unintegrierbar bin, gell?

      • U
        Ursula
        @Mig Rant:

        Das mit dem Willkommenfühlen ist großer Quatsch. In allen Ländern sind Zuwanderer Neulinge und das bleibt eine Weile, bis der Zuwanderer dann assimiliert ist. Die Flüchtlinge aus dem Sudetenland wurde in meinem Heimatdorf noch 30 Jahre danach als "Neue" angesehen.

  • R
    Realist

    Beim neuen Gesetz zur doppelten Staatsbürgerschaft sollten aber auch die IM NICHT-EU-AUSLAND LEBENDEN DEUTSCHEN berücksichtigt

    werden, wie ich finde.

     

    Warum können zum Beispiel Briten/Franzosen/Italiener PROBLEMLOS die doppelte Staatsbürgerschaft zum Beispiel mit den

    USA/Kanada/Australien/Neuseeland haben, während Deutsche gezwungen werden, entweder ihre Staatsbürgerschaft AUFZUGEBEN,

    oder ein langwieriges, teures, bürokratisches und unsicheres VERFAHREN für eine Beibehaltungsgenehmigung zu durchlaufen?

     

    Die meisten EU-Länder, die Schweiz und SOGAR RUSSLAND haben kein Problem mit dem Doppelpass, warum also Deutschland?

     

    Bitte kontaktet die Parteien und den Bundestag per E-Mail oder Kontaktformular auf ihren Websites und erinnert sie daran. (Ich habe es schon getan.)

     

    http://www.youtube.com/watch?v=fUnYd_jQUAA

     

    https://www.bundestag.de/service/kontakt/kontakt/index.jsp

     

    Vielen Dank im Voraus!

  • Da bleibt dem geschmähten Ausländer nur fleißig Fußball zu lernen. Als Fußballer darf man sogar schwarz sein- und wer gut genug ist, auch Deutscher bzw. Franzose.

  • UU
    Undemokratisch und gefährlich

    Interessant an der Sache ist, daß das Volk nicht mitbestimmen darf. Man wehrt es seit 30 Jahren ab, wenn es um Zuwanderung geht. Gezielt und undemokratisch. Bei Wahlkämpfen wird das Thema gezielt politisch wie medial weggedrückt, jeder der es anspricht als Nazi plattgemacht und nach der Wahl bestimmt eine kleine Gruppe wer Deutscher ist. Daraus ergibt sich im Volk erst recht eine Art Blutrecht. Wenn kein Unterschied zwischen integrierten Ausländern und Taliban gemacht wird, und das wird nicht gemacht, dann sehen die Leute Pässe als Plastikkarten ohne Bedeutung. Dann zählt Abstammung. Deutsche oder europäische Abstammung wird dann als "wir" andere als "Fremde" gesehen. Politikern ist das egal, Hauptsache man wird gewählt. Dann fehlt allerdings eventuell bei einer Wahl der gewinnenden Partei die Legitimation. Bei knappen Wahlausgängen ist das durchaus möglich. Was daraus entstehen kann ist nichts gutes.

  • W
    wassja

    Die Frage, warum solche nationalistischen Trends auch beim Thema Staatsbürgerschaft wieder aufwachen, wird -ich hatte nichts anderes erwartet- natürlich wieder mit keinem Wort angesprochen.

    Das ius soli ist eine schöne Sache, solange sein dahinterstehender Gedanke durch neue gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Entwicklungen nicht ad absurdum geführt wird.

    Einige zehntausend beruflich qualifizierte Menschen, die jährlich ins Land einwandern, Arbeit finden, sich integrieren- deren dann im Lande geborene Kinder sollen dann auch Staatsbürger dieses Landes sein.

    Anders sieht die Sache schon aus, wenn Hunderttausende Armutsflüchtlinge ohne Qualifikation ins Land fluten, die mitsamt ihren gezeugten Nachkommen absehbar auf Jahrzehnte von Sozialtransfers des Aufnahmelandes abhängig bleiben werden.

    Diese dann als Staatsbürger mit allen Rechten und Ansprüchen gleichzustellen, würde den gesellschaftlichen Frieden jedes Landes dauerhaft untergraben.

    Insofern macht man es sich mit dieser Bewertung -hier das reaktionäre ius sanguinis, dort das fortschrittliche ius solis- viel zu einfach.

    Im übrigen sollte man vielleicht noch erwähnen, dass auch in der Türkei das Prinzip der ius sanguinis Grundlage für die dortige Staatsbürgerschaft ist.

  • G
    Gast

    In 18 von 28 EU Staaten gilt

    Jus Sanguinis ...........,darunter

    Dänemark,Schweden,Finnland...,

    wollen Sie die auch in die Naziecke schieben ?

  • R
    richtigbissig

    Es gibt die doppelte Staatsbürgerschaft schon lange.

     

    Wenn ein Deutscher oder eine Deutsche einen Ausländer heiratet, kann er/sie selbstverständlich den Deutschen Pass behalten und die Staatsangehörigkeit des Ehepartners. Umgekehrt gilt in der liberalsten, freiheitlichsten und ausländerfreundlichsten Republik der Welt das Recht selbstverständlich nicht - will der Ehepartner Deutscher werden MUSS er seine zweite Staatsangehörigkeit abgeben - das ist weder Gleichbehandlung noch sonstwas.

     

    Im Prinzip wäre ich persönliche für eine europäische Staatsbürgerschaft, aber das ist wohl ein ferner Traum

  • Vielleicht soll man Staatsangehörigkeiten abschaffen und nur noch ein Art Einwohnermeldeamt führen. Und dann Wahlrecht für alle.

  • D
    D.J.

    Gegen die doppelte Staatsbürgerschaft hätte ich keine Einwände (es funktioniert ja mit den meisten Staaten auch reibungslos) - gäbe es da keinen Ministerpräsidenten, der ganz offen ultranationalistische und neoosmanische Träume hegt ("Europa mit türkischer Kultur impfen"; "die Fahne des Islam gen Wesen tragen"). Klar, dass dies mit der Verhinderung eines Aufgehens in einem "Schmelztiegel" einhergehen soll - und sei dies noch in der vierten, fünften Generation. In diesem Zusammenhang wäre die doppelte Staatsbürgerschaft als Normalfall bedenklich. Man sollte übrigens einmal die Gründe thematisieren, warum der Behalt der türkischen für viele so wichtig ist. Liegt nicht zuletzt am skandalösen, da Nichtstaasbürger massiv benachteiligenden türkischen Erbrecht.

  • G
    genova

    Die neuen nationalistischen Tendenzen gibt es in allen europäischen Ländern. Das hängt mit der seit gefühlten Ewigkeiten praktizierten neoliberalen Politik zusammen, die aus Mitmenschen Konkurrenten macht. Es ist völlig normal, dass dann rechte Bewegungen Zulauf bekommen. Das sieht Walther offenbar nicht, er bleibt bei der bloßen Zustandsbeschreibung hängen. Ohne einen Begriff wie Kapitalismus zu verwenden, versteht man das Problem eh nicht.

     

    Solange Menschen systemisch entsolidarisiert werden, sollte man sich keine Hoffnung auf Besserung machen.

  • L
    lowandorder

    er nu wieder;-))

     

    "…gegenstandsverzehrende Abschmelzungsprozesse…"

    (welch fernes Rufen aus der Kategorie: Vertriebenenrecht!)

     

    Im Ernst - paßt diese Formel so wunderbar zu dem Herrn Bundeskanzler der Einigung,

    dem Herrn Verfassungsbrecher

    Dr. Helmut Kohl, und dem dabei von ihm verfolgten Kalkül:

     

    wie er selbst ja auch nichts vom Abschmelzen hielt,

    breitete er nachwendisch

    nochmals wohlfeil die Arme, ja den Mantel aus:

    "kommt heim ins Reich, ihr Mühseligen und Beladenen hybriden "Rußlanddeutschen " - hört mich,

    all ihr Abrufdeutschen.":

     

    so - hat er's all den vaterlandslosen Gesellen

    noch mal fein reingerieben;

    " entscheidend ist, was hintern rauskommt!" - Jawoll!

     

    ( der gärtnerde weißhaarige Vater:

    " nu - ich wär ja nich gegangen:

    was soll ich hier? - aber die Kinder

    - na, ob sie's hier besser ham werden?

    wer weiß des scho?)

     

    ps: Der grausame Umgang

    mit diesen Volksgruppen in der UdSSR

    auf Geheiß des paranoiden Stalin

    soll damit nicht beschönigt werden.

  • B
    Beobachter

    aha, das Blutsrecht ist also ueberholt. Aber, wie schreibt Charlotte Knobloch heute in der Sueddeutschen:"Ich wünsche mir, dass die jungen Menschen in unserem Land begreifen, was in deutschem Namen geschehen konnte und dass daraus auch ihnen eine Verantwortung für heute erwächst". Welchen jungen Leuten - denen mit deutschem Blut? Oder mit deutschem pass - erwirbt man mit dem deutschen pass Verantwortung fuer die deutsche Vergangenheit? Und was ist mit denen mit Doppelpass - halbe Verantwortung? Ich glaube das ist alles nicht so einfach wie in dem Artikel dargestellt...

  • Ein Mensch, eine Stimme pro Ebene. Das hat nichts mit Nationalismus zu tun. Das hat was mit der Gleichwertigkeit der Menschen zu tun.

     

    Wenn ein Mensch in 2 Ländern abstimmen darf, dann ist sein Gewicht mehr wert.

     

    Was würden Sie als in Berlin lebender Berliner sagen wenn sowohl zugezogene Baden-Württemberger (so viel Klischee muss sein) in Berlin bei AGH-Wahlen wählen dürfen (ihre Stimme im Ländle bei Landtagswahlen verlieren Sie nicht) und auch Berliner die nach Brandenburg ziehen, weiterhin bei AGH-Wahlen wählen dürfen (Was Sie natürlich nicht davon abhält beim BB-Landtag mitzustimmen)?

     

    Sie würden wahrscheinlich nicht so viel davon halten.

     

    Und warum sollte das bei Staatsbürgerschaften anderes sein?