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Mord an Tunesiens OppositionellenAus dem Zentrum der Macht?

Gehen die Morde an Belaïd und Brahmi auf das Konto der Staatsischerheit? Ein Gutachten ist verschwunden, Regierungschef Laarayedh gerät unter Druck.

Trauerzug für Chokri Belaid im Februrar 2013. Bild: dpa

MADRID taz | Die beiden tunesischen Oppositionellen Chokri Belaïd und Mohammed Brahmi wurden nicht nur mit derselben Waffe ermordet, wie das Innenministerium bereits vor Monaten bekannt gab, sondern es handelt sich dabei auch um eine Beretta 9 mm aus belgischer Produktion.

Diese Pistole wird in Tunesien ausschließlich von hohen Funktionären der Staatssicherheit benutzt. Das gaben am Donnerstag die Anwälte der Initiative zur Wahrheitsfindung über die Morde (IRVA) auf einer Pressekonferenz in Tunis bekannt.

Der Anwalt Mokhtar Trifi, der die Witwe von Belaïd, Basma Khalfaoui, vertritt, wirft dem Innenministerium vor, ein entsprechendes in den Niederlanden erstelltes ballistisches Gutachten seit dem 26. Mai geheim zu halten. Eine Delegation des Innenministeriums sei eigens in die Niederlande gereist, um den Bericht in fünffacher Ausfertigung entgegenzunehmen. Bis heute behauptet das Ministerium jedoch, kein Gutachten erhalten zu haben.

Die IRVA sowie die Angehörigen der beiden linken Politiker sowie Gewerkschafter wollen jetzt Klage gegen die zuständigen Beamten im Innenministerium wegen „Verheimlichung von Beweismitteln“ einreichen. Außerdem fordern die Anwälte eine „ernsthafte Untersuchung“ über die Verstrickung der Direktion für Staatssicherheit in die beiden Mordfälle.

Die Vorwürfe gegen die Staatssicherheit treffen ganz direkt den tunesischen Regierungschef Ali Laarayedh. Der Islamist stand dem Innenministerium vor, als Chokri Belaïd am 6. Februar dieses Jahres erschossen wurde. Die politische Krise, die der Anschlag auslöste, führte zu einem Rücktritt des damaligen Regierungschefs Hamadi Jebali. Laarayedh rückte nach.

Nach dem Mord an Mohammed Brahmi am 25. Juli 2013 kam es erneut zu Massendemonstrationen, deren Teilnehmer nunmehr den Rücktritt Laarayedhs forderten. Dieser stimmte mittlerweile zu, sein Amt zugunsten einer neuen Technokratenregierung niederzulegen. Diese soll im Rahmen eines „Nationalen Dialogs“ zwischen der Koalitionsregierung unter Laarayedh und der Opposition ausgehandelt werden. Die Gespräche scheiterten Anfang der Woche.

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