Union und SPD verhandeln Finanzfragen: Das Milliarden-Euro-Spiel
Was für ein Dilemma: Höhere Steuern lehnte die Union ab. Nun fehlt ihr das Geld für teure Wahlversprechen. Eine AG soll Lösungen finden.
BERLIN taz | Die Arbeitsgruppe, die sich am Mittwochvormittag im Finanzministerium traf, muss die schwierigste Aufgabe der Koalitionsverhandlungen lösen. Unter der Leitung von Hausherr Wolfgang Schäuble (CDU) und Olaf Scholz (SPD), Hamburgs Erstem Bürgermeister, suchen die Verhandler der „AG Finanzen und Haushalt“ nach Finanzierungen für die teure Wunschliste der künftigen Koalition.
Bisher arbeitet die Runde geräuschlos vor sich hin, weder Schäuble noch Scholz betreiben offensiv Öffentlichkeitsarbeit. Beide haben sich verständigt, Vorschläge erst intern zu kommunizieren, damit nicht jedes Gedankenspiel parteipolitisch instrumentalisiert werden könne. Gestern einigten sich Union und SPD darauf, an den Zielen zum Defizitabbau festzuhalten. So soll der Bund ab 2015 ohne neue Schulden auskommen.
Die „substanziellen Fragen der Finanzierung“ würden allerdings erst nächste Woche beantwortet, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß – und nicht durch die Arbeitsgruppe. Denn das Geld erweist sich mehr und mehr als Knackpunkt des Koalitionsvertrages, der in gut einer Woche fertig sein soll.
Die 16 Arbeitsgruppen, in denen fast 300 Politiker sitzen, haben diverse Ideen gesammelt, ohne sich groß um die Gegenfinanzierung zu scheren. Schon seit zwei Wochen werden deshalb alle finanzrelevanten Entscheidungen auf einer „F-Liste“ notiert – auf Anweisung der drei ParteichefInnen Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel. Sie sollen, so der Plan, nächste Woche in Sechs-Augen-Gesprächen der Vorsitzenden entschieden werden.
Diese Liste der ungelösten Punkte wird länger und länger. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach schon von „einer Quadratur des Kreises“, um alle Wünsche in einem Finanzrahmen zu vereinen.
Union in selbst gebauter Falle
Vor allem die Union steckt in einer selbst gebauten Falle. Sie lehnt es strikt ab, dem Staat über Steuererhöhungen neue Einnahmequellen zu erschließen, pocht auf Haushaltskonsolidierung, braucht aber gleichzeitig riesige Summen für ihre Wahlversprechen.
Beispiel Mütterrente: CDU und CSU wollen die Renten für Mütter oder Väter erhöhen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Diese werden im Moment schlechter gestellt als Eltern mit jüngeren Kindern. Das Projekt kostet gut 6 Milliarden Euro im Jahr, die Union möchte es aus der gut gefüllten Rentenkasse finanzieren. Dies würde auf Dauer zu höheren Rentenbeiträgen für Arbeitnehmer und -geber führen. Die SPD möchte das Projekt deshalb aus Steuern finanzieren.
Ähnlich schwierig ist die Gefechtslage bei anderen teuren Wünschen. Die Union hat etwa vor der Wahl versprochen, die kalte Progression abzuschaffen. Die Steuertarife werden derzeit nicht an die Inflation angepasst. Arbeitnehmer können deshalb durch Lohnerhöhungen in einen höheren Tarif rutschen, ohne real mehr zu verdienen.
Dies zu ändern, würde 4 Milliarden Euro im Jahr kosten. Auch hier fehlt eine Gegenfinanzierung. Von der im Wahlkampf versprochenen Kindergelderhöhung um 35 Euro im Monat hat sich die Union inzwischen wohl verabschiedet.
In der Union wurde bereits erwogen, wichtige Punkte eines Koalitionsvertrags unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Dagegen sperren sich jedoch die Sozialdemokraten.
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