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Ökonom über Klimaschutz„Geld verdienen mit Emissionen“

Ottmar Edenhofer fordert höhere CO2-Preise. Damit will der Wirtschaftswissenschaftler die Blockade bei den Verhandlungen zum Klimawandel durchbrechen.

Folge extremer Klimaphänomene: vollkommen vertrocknete Erde Bild: dpa
Bernhard Pötter
Interview von Bernhard Pötter

Herr Edenhofer, in Warschau gab es wieder keinen Durchbruch. Dabei mahnen Ökonomen immer wieder, dass sich Klimaschutz rentiert. Können Politiker nicht rechnen?

Ottmar Edenhofer: Diese Perspektive nimmt die Zwänge der Politiker nicht ernst. Die Regierungen befürchten, dass Verpflichtungen zum Klimaschutz mit konkreten Zielen und Fahrplänen ihre Wirtschaft strangulieren. In Warschau saßen ja die Umweltminister. Die bekommen zu Hause Druck von ihren Wirtschafts- und Finanzministern, die mit den konkreten Interessen der heimischen Kohle-, Öl- und Gaswirtschaft fertigwerden müssen.

Also: Was rät der Ökonom?

Wir brauchen einen stabilen Preis für CO2, am Anfang etwa 20 bis 30 Euro, und einen funktionierenden Emissionshandel. Das ist das A und O.

Die EU versucht das jetzt seit acht Jahren. Und es funktioniert nicht.

Weil es noch keine vernünftige Zielvorgabe für 2030 gibt. Darauf reagieren die Investoren. Hinzu kommt: Schwache Konjunktur, zu viele CDM-Zertifikate, nicht alle Sektoren sind einbezogen, Erneuerbare drücken den Preis. Bei einem ehrgeizigen Ziel würden die Investoren steigende Preise erwarten. Diese Reparatur ist eine Bringschuld Europas.

Wir müssen der Welt zeigen, dass der Emissionshandel funktionieren kann. Ein moderater Preis wäre für Unternehmen auch kein Nachteil im internationalen Wettbewerb. Denn das brächte dringend benötigte Investitionen. Und es gibt in der Wirtschaft durchaus Akteure mit einem längeren Horizont, etwa Pensionsfonds, die sehr besorgt sind über die ökonomischen Konsequenzen des Klimawandels.

Aber warum soll der Emissionshandel ein Vorbild für die Welt sein – ein System, das in Europa bis heute nicht funktioniert?

Bisher wird der CO2-Preis ausschließlich als Instrument der Umweltpolitik betrachtet. Er soll die Kosten des Klimawandels langfristig internalisieren. Das ist natürlich richtig, aber für Politiker nicht attraktiv. Aber die CO2-Bepreisung ist auch dann interessant, wenn man nicht vor allem klimapolitische, sondern finanzpolitische Interessen hat. Man kann Geld einnehmen, indem man etwas Schädliches, also Emissionen, besteuert statt etwas Nützlichem, nämlich Kapital oder Arbeit.

Klimaschutz soll im Finanzministerium stattfinden?

Wir können CO2-Bepreisung und Klimapolitik nutzen, um die Finanzkrise zu lindern. So merken Finanzpolitiker, dass Klimapolitik nicht die Wirtschaft stranguliert, sondern Wachstumspotenziale freisetzen kann. Bisher begründen wir Klimapolitik doch mit dem Bedrohungsszenario eines gefährlichen Klimawandels. Aber Politiker suchen zu Recht einen Einstieg, der schnellen Erfolg verspricht.

Wenn sie lernen, dass eine Bepreisung von CO2 nicht dazu führt, dass die Wirtschaft abschmiert, sondern dass damit etwas sehr Sinnvolles getan werden kann, dann erleichtert das die nationalen Entscheidungen und die internationalen Verhandlungen. Denn da steht ja immer die Angst der Schwellenländer im Raum: Dass sie durch Emissionsminderungen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung dauerhaft behindert werden. Sie bestehen aber verständlicherweise darauf, möglichst viele Menschen aus der Armut zu befreien, und sehen nicht, wie das ohne höhere Emissionen möglich sein soll. Für diese realen Befürchtungen muss man jetzt eine Lösung finden.

dpa
Im Interview: Ottmar Gottfried Edenhofer

ist Professor für Ökonomie des Klimawandels an der TU Berlin. Der 52 Jährige leitet die Arbeitsgruppe III des Weltklimarats IPCC, die sich mit Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels befasst.

Und die besteht in höheren Steuern oder Abgaben auf CO2?

Für einen CO2-Preis kann man die Menge oder den Preis festsetzen – also als Emissionshandel oder als Steuer. Die negativen Wirkungen können abgemildert werden, wenn man dafür die Lohnsteuern oder die Kapitaleinkommensteuern senkt – oder wenn man das Geld in die Infrastruktur investiert. Nicht nur in Brücken und Fabriken, sondern auch in Bildung, Gesundheit und Forschung. Mit Geschick kann man eine Dreifachdividende einfahren: Senkung der CO2-Emissionen, Einnahmen für den Staat, und Investitionen in Infrastruktur für zukunftsfähiges Wirtschaftswachstum.

Sie fordern ja eigentlich eine Fortentwicklung der Ökosteuer. Die ist groß gestartet und dann unter dem Druck einer Kampagne auf halbem Weg steckengeblieben. Wie wollen Sie den Aufschrei vermeiden: Keine neuen Steuern!?

Nationalstaaten geraten zunehmend unter Druck wegen sinkender Finanzierungsspielräume. Entweder senken sie die Ausgaben oder steigern die Steuern auf Kapital oder Arbeit, oder sie erhöhen die Verschuldung. Das haben Finanzpolitiker im Auge. Die Zukunft besteht aber darin, Klimaschutz und Finanzpolitik zusammenzubringen: die Knappheit der Atmosphäre in den Preis einzubeziehen und die Einnahmen sinnvoll zu nutzen. Man kann Ungleichheiten nicht nur durch Umverteilung ausgleichen, sondern auch durch Investitionen in Bildung und Gesundheit.

Sie sagen, unser Begriff des Kapitals ist zu eng. Warum?

In der Marktwirtschaft müssen Knappheiten in den Preisen zum Ausdruck kommen. Aber die Knappheit des Deponieraums in der Atmosphäre wird von den Investoren nicht in ihre Kalkulation miteinbezogen. Wir leben also von der Substanz des natürlichen Kapitals und investieren dort zu wenig, ebenso wie in Bildung, in Forschung und Entwicklung.

Wir vernachlässigen auch andere Bereiche der Infrastruktur, die vor allem für die Armen in den Entwicklungs- und Schwellenländern von großer Bedeutung sind. Dabei könnten wir dort mit relativ geringen Mitteln relativ große Wirkungen erzielen. Investitionen in bessere Wasserversorgung oder Malariabekämpfung sind eben keine Alternative zur Klimapolitik, sondern sie können durch Klimapolitik finanziert werden.

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5 Kommentare

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  • U
    Udo

    Schade, dass es sich noch nicht bis zu Herrn Edenhofer herumgesprochen hat, dass CO2 das Klima gar nicht beeinflusst.

    • JS
      Johan Steunenberg
      @Udo:

      ?? woher stammt diese Weisheitdann jetzt wieder. Rauchen ist gesund, oder? Und Blei im Benzin hat keinem geschadet. (Zusammenhang: es sind teilweise die gleiche Lobbyisten - in Persona - die diese drei industriefreundliche 'Fakten' im Laufe der Geschichte propagiert haben.)

  • JS
    Johan Steunenberg

    @Tim Leuthner: die Kosten für die Zertifikate sind u.A. so gering, weil das EEG so'n Erfolg ist. Auch hier hat der Emissionshandel sein Ziel völlig verfehlt, weil es die Erfolge anderer Maßnahmen kannibalisiert hat. Im Spiegel wurde das öfters thematisiert, leider mit der falschen Schlussfolgerung, dass das EEG überflüssig sei. Der Emissionshandel gehört auf der großen Müllhalde der neoliberalen Wirtschaftswissenschaftsgeschichte.

  • JS
    Johan Steunenberg

    Mi dem Emissionshandel wird es keinen festen Preisen geben. Niemals. Wenn wir stabile Preise brauchen, dann ist CO2-Steuer der angewiesene Mechanismus. Hier empfehlen sich die Ideen von Steve Stoft (arbonomics). Persönlich verstehe ich immer noch nicht, warum wir den CO2-Ausstoß nicht Ordnungsrechtlich regeln. In Kyoto haben die NGOs zähneknirschend ein Marktmechanismus akzeptiert, weil die USA ansonsten nicht mitmachen würden. Die USA hat trotzdem nicht mitgemacht und keienr denkt mehr über Alternativen nach.

  • Wir haben in der EU an die zugesagten Emissionsziele gekoppelte Mengen an erlaubten CO2 Ausstoß. Daraus folgt der Preis. Die Erneuerbaren Energien werden gesondert gefördert. Dies Verursacht Kosten für die Menschen, stellt aber Strom zur Verfügung der keine CO2 Emissionen erzeugt. Nun zu fordern der CO2 Preis sollte noch höher sein, die Kosten der EE Förderung aber bestehen bleiben ist doppelt gemoppelt. Wenn die Emissionsminderungen durch EE Strom nicht zählen sollen, wozu sind dann die EE überhaupt gut? Das ist doch hirnrissig.

     

    Und wer glaubt das hohe Kosten für CO2 Zertifikate bei Welthandel und Gratis-CO2 Emissionen außerhalb der EU kein "Wettbewerbsnachteil" sind, der sollte sich fragen ob er "Wirtschaftswissenschaftler" ist. Die Rolle im IPCC scheint mittlerweile den Wissenschaftler ersetzt zu haben. In China sind Sie ja am ende noch so frech und wollen uns die CO2 Emissionen zuschreiben die durch die Produktion entstehen die Sie mit unter anderem geringerem Klimaschutz uns im Wettbewerb abgerungen haben.