piwik no script img

Koalitionsvertrag nur für ExpertenFür Bürger unverständlich

Wortungetüme und Fachwörter machen den Koalitionsvertrag für viele unlesbar. Vielleicht ist das Absicht, mutmaßt Hohenheimer Kommunikationsforscher.

„Schnellreaktionsmechanismus“ und „Thesaurierungsregelungen“: Was mag das wohl sein? Bild: dpa

STUTTGART dpa | Von wegen Bürgernähe: Der schwarz-rote Koalitionsvertrag ist nach einer wissenschaftlichen Untersuchung unverständlicher als so manche Doktorarbeit. „Die Verständlichkeit des Mammut-Werks lässt sehr zu wünschen übrig“, teilte der Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, Frank Brettschneider, am Dienstag in Stuttgart mit. Der Vertrag sei von Experten für Experten geschrieben worden.

Die Wissenschaftler hatten mit einer Software nach überlangen Sätzen, Fachbegriffen, Fremdwörtern und zusammengesetzten Wörtern gesucht.

Auf einer Skala von 0 (völlig unverständlich) bis 20 (sehr verständlich) erreichte das Regierungsprogramm von Union und SPD im Bund einen Wert von 3,48. Politikwissenschaftliche Doktorarbeiten lägen etwa bei 4,7 – die Wahlprogramme der Parteien bei 7,7.

Brettschneider prangerte Bandwurmsätze mit bis zu 86 Wörtern, Wortungetüme wie „Schnellreaktionsmechanismus“ und Fachbegriffe wie „Thesaurierungsregelungen“ an. Möglicherweise wollen die Koalitionäre aber auch gar nicht verstanden werden, sagt er.

„Immer wieder nutzen Parteien abstraktes Verwaltungsdeutsch auch, um unklare und unpopuläre Positionen absichtlich zu verschleiern.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • E
    Erklärer

    Das finde ich gelinde gesagt Unsinn. Natürlich gibt es in allen Politikbereichen Fachwörter. Die im Vertrag auch zu benennen anstatt nur zu umschreiben sorgt gerade für klare Verabredungen und eben nicht für Unklarheit. Und klar: Es ist ein Vertrag zwischen den Parteien. Den muss einfach nicht jeder verstehen. Wenn man es bürgerfreundlich haben will, muss man eben ein Erklärbuch dazu schreiben. Das wäre dann aber vermutlich auch dreimal so lang.

  • Jetzt soll also die Basis über die Politik, die in D. gemacht werden soll, abstimmen.

    Wieviel Prozent der Wähler_innen in D. sind das?

     

    Wenn die Parteien schon vor der Wahl ihre möglichen Koalitionspartner bekannt gegeben hätten, wie waäre die dann wohl ausgegangen!?

  • Z
    ZweiFell

    Gibt es nicht ein Gesetz das ein Vertragswerk allgemein verständlich sein muss ?

    Wenn ja könnte man dann nicht gegen den Koalitionsvertrag klagen? Gerade im Hinblick darauf das ja die Mitglieder der Spd darüber abstimmen sollen und wie können diese sich richtig entscheiden wenn sie nix verstehen.

  • K
    Klarsteller

    Wer nicht klar denkt, kann sich nicht klar ausdrücken. Eine Frage der Intelligenz.