Umstrittenes Kraftwerk in Datteln: Neue Chance für Kohlemeiler
EON freut sich, der BUND übt Kritik an den Grünen: Das Steinkohlekraftwerk Datteln IV im Ruhrgebiet kann vielleicht doch zu Ende gebaut werden.
BERLIN taz | Das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln bekommt eine neue Chance: Der zuständige Regionalverband Ruhr (RVR) hat am Freitag die notwendige Änderung des Regionalplans mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP abgesegnet. Die Stadt Datteln kann auf dieser Grundlage nun den Bebauungsplan ändern und der Meiler fertig gebaut werden. Dem Energiekonzern EON würde dies Investitionen in Milliardenhöhe retten.
EON hatte 2007 mit dem Bau des Kraftwerks rund fünf Kilometer entfernt vom eigentlich vorgesehenen Standort begonnen. Seit 2009 gilt deshalb ein Baustopp für das Projekt. Anfang Dezember hatte die rot-grüne Landesregierung den Weg für die Entscheidung des RVR geebnet. Der BUND kritisiert die Grünen dafür scharf.
„Keine politische Entscheidung, sondern eine Verfahrensfrage“ sehen die Grünen in ihrer Zustimmung zu dem sogenannten Zielabweichungsverfahren; damit kann ein Bauvorhaben genehmigt werden, das den Zielen der Raumordnung eigentlich entgegensteht. Man habe sich im Koalitionsvertrag mit der SPD 2010 darauf geeinigt, ein für alle Seiten korrektes Verfahren zu ermöglichen und so die Interessen von Anwohnern und EON gleichermaßen zu wahren, so die Grünen aus NRW.
Ganz anders sieht das der BUND: „Das ist Augenwischerei. Ob ein Zielabweichungsverfahren genehmigt wird, ist ein Abwägungsprozess und damit eine politische Entscheidung. Die grünen Minister hätten ihr Veto einlegen können“, so Dirk Jansen, Geschäftsleiter in Nordrhein-Westfalen.
Ob der Meiler kommt, ist unklar
Mit den beiden Entscheidungen hat Datteln IV zwar wichtige Hürden genommen, dennoch ist das Projekt noch nicht in trockenen Tüchern: „Ob Datteln IV jemals ans Netz geht, ist nicht sicher“, betonen die Grünen in ihrer Stellungnahme. „Letztendlich gehen wir davon aus, dass die Frage, ob es eine Inbetriebnahme geben kann, die Gerichte entscheiden werden“.
Zu einfach machen es sich die Grünen damit nach Ansicht des BUND: „Das ist politisch feige“, so Dirk Jansen. Die Partei habe die Entscheidung in der Hand gehabt und hoffe nun auf gerichtliche Einwendungen von Umweltverbänden und Anwohnern.
Gegen das Zielabweichungsverfahren und die Änderung im Regionalplan können keine Rechtsmittel eingelegt werden. Dies ist frühestens dann wieder möglich, wenn EON eine neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Kraftwerksweiterbau beantragt.
Der BUND hatte 2009 vor Gericht einen Baustopp erwirkt, da der fast fertige Kohlemeiler nur 500 Meter statt der eigentlich vorgesehenen 1,5 Kilometer vom nächsten Wohngebiet entfernt gebaut wurde. Im Juni 2012 hat das Oberverwaltungsgericht der Klage der Naturschutzorganisation gegen den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für das Kraftwerk endgültig stattgegeben.
Ein Antrag auf Revision von Eon wurde abgelehnt. Im Juli diesen Jahres hatte eine Allianz aus SPD, CDU und FDP im RVR die Einleitung des Verfahrens zur nachträglichen Legalisierung des Kraftwerksbaus in die Wege geleitet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes