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Friedensbemühungen in IsraelTausche Häftlinge gegen Siedlungen

Die Regierung in Jerusalem lässt 26 Gefangene frei. Gleichzeitig will sie aber 1.400 neue Wohneinheiten in Siedlungen bauen.

Vorfreude in der Westbank: Das Wohnhaus und die Straße eines aus dem Knast kommenden Palästinensers werden geschmückt. Bild: reuters

JERUSALEM taz | Die israelische Regierung hat über das Wochenende die Freilassung von weiteren 26 palästinensischen Gefangenen bestätigt. Es ist die dritte Gruppe von insgesamt 104 Häftlingen, die Israel im Rahmen der neuerlichen Friedensbemühungen mit den Palästinensern freilässt.

Die Männer, die Montagnacht freikommen sollen, sitzen zwischen 19 und 28 Jahren im Gefängnis. Sie wurden alle bereits vor dem Oslo-Abkommen 1993 inhaftiert und wegen der Tötung von Israelis zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die letzte Gruppe von Gefangenen soll im März 2014 freigelassen werden.

Gleichzeitig kündigte die Regierung den Bau von weiteren Wohnungen in Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem an. Laut israelischen Medienberichten wird die Regierung in den nächsten Tagen den Bau von 1.400 Wohneinheiten bekanntgeben. Demnach sollen 600 Häuser in einer jüdischen Enklave in Ostjerusalem gebaut werden und rund 800 weitere im Westjordanland. Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat kritisierte den geplanten Siedlungsbau scharf. Dies werde den Friedensprozess zerstören und könne zu Vergeltung führen, sagte Erekat.

Trotz des neuen Anlaufs zu Friedensgesprächen haben die Spannungen zwischen beiden Seiten wieder zugenommen. In der vergangenen Woche schlugen mehrere aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen in Israel ein. Ein palästinensischer Scharfschütze feuerte tödliche Schüsse auf einen israelischen Arbeiter ab, der mit Reparaturarbeiten am Grenzzaun beschäftigt war. Die israelische Armee flog erstmals seit zwei Jahren wieder Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen. Dabei wurden ein knapp dreijähriges Mädchen und eine weitere Person getötet.

Kerry kommt mal wieder zu Besuch

Nach palästinensischen Angaben sind seit Beginn der Gespräche Ende Juli 29 Palästinenser getötet worden. Zudem habe Israel 29 Häuser zerstört und in den seit 1967 besetzten Gebieten den Bau von 5.992 neuen Wohneinheiten in Siedlungen angekündigt.

Die USA und die Europäische Union haben den israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu mehrfach aufgefordert, den Siedlungsbau zu stoppen. Der EU-Botschafter in Israel, Lars Faaborg-Andersen, nannte die jüngste Ankündigung eine große Gefahr für die Friedensgespräche, wie die Tageszeitung Jedioth Ahronot am Sonntag berichtete. Israel werde für die Krise verantwortlich gemacht.

Am Neujahrstag wird der amerikanische Außenminister John Kerry zu seinem zehnten Besuch in Jerusalem und Ramallah seit März in Israel erwartet. Kerry wird mit Netanjahu und dem palästinensischen Präsident Mahmud Abbas zusammentreffen. Bis zum 29. April kommenden Jahres will Kerry ein Rahmenabkommen über die Grenzen zwischen Israel und einem künftigen palästinensischen Staat, die Flüchtlinge und den Status von Jerusalem erzielen.

Im Gegenzug für die Freilassung der 104 Gefangenen haben die Palästinenser ihre Bemühungen um Anerkennung eines unabhängigen Staats bei den Vereinten Nationen auf Eis gelegt. Laut einem Bericht der Tageszeitung al-Kuds hat Saeb Erekat jetzt erklärt, die Autonomiebehörde werde die Aufnahme in 63 internationale Organisationen beantragen, sollte Israel tatsächlich neue Siedlungen bauen.

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10 Kommentare

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  • es wird zeit, dass der bereits anerkannte staat die aufnahme in alle unterorganisationen der UN beantragt - und aufgenommen wird. und die EU sollte ihre guidelines ab 1.1.14 vollumfänglich umsetzen. wie überhaupt BDS ausgeweitet werden sollte.

    schließlich hat Israel überhaupt nicht (immer noch nicht!) die absicht, zwischen sich und Jordanien einen weiteren nicht-jüdischen staat entstehen zu lassen, wie man unschwer aus http://mondoweiss.net/2013/12/israeli-ministers-committee.html lesen kann. es muß daher im interesse Israels alles getan werden, was nur getan werden kann, um zu verhindern, dass der konflikt mit militärischer gewalt gelöst werden muß.

    • @christine rölke-sommer:

      „Ein weiterer nicht-jüdischer Staat“ ist die Neusprech-Version für „Terror- und Rückeroberungsbasis“, für Gaza 2.0, dem feuchten Tagtraum von palästinensischen Hardlinern und BDS. Wobei die flankierende EU ihre Rolle als Hort der Doppelmoral auch hier wieder sehr gut spielt. Die selbstherrliche Clique in Brüssel soll doch bitte mal erklären, warum sie Israel zur Selbstaufgabe drängt, während Marokko beim Thema Westsahara und die Türkei beim Thema Zypern in Ruhe gelassen werden. Bislang halten sich Ashton & Co. zu dieser Frage auffallend bedeckt.

       

      Was diesen anderen Sumpf betrifft, den Sie als Druckmittel ins Spiel bringen, die Boycott, Divestment and Sanctions-Bewegung, wäre zu fragen, wer die Hintermänner und Geldgeber dieser Kampagne sind und was sie wirklich denken. Ein gewisser Nimer Sultany beispielsweise hat die für den Westen eingefädelte schmetterlinghafte Metamorphose des pal-arabischen Terrors zur BDS-Bewegung sehr schön dargelegt:

      „Given its apparent failure to achieve its declared objective, armed struggle has given way to nonviolence, which has become more fashionable today since it resonates with Western perspectives.“

      Mit anderen Worten: die westlichen Gutmenschen lassen sich mit „Friedliche Mittel“-Blabla leichter für die geplante Zerstörung Israels einzuspannen. BDS ist demnach alter Wein in neuen Schläuchen, Terror mit neuem Etikett.

      • @Senckbley:

        so wie es aussieht, muß niemand mehr Israels zerstörung planen. die besorgt es selbst.

        keine bange! als staat wird es bestehen bleiben. aber als ort, an dem mensch gern leben möchte, wird es verschwinden.

        man sieht es an den gut 20.000 vorwiegend jungen israelinnen, die lieber in Berlin als in der inneren emigration in Tel Aviv leben, beispielsweise. die israelische diaspora in NY dürfte um noch einiges größer sein.

        ich kenne so einige, die das risiko, keine wiederausreiseerlaubnis zu erhalten, nicht mehr eingehen. papa und mama können schließlich auch zu besuch nach Berlin kommen oder man trifft sich irgendwo in der mitte.

         

        die haben keinen bock mehr darauf, sich für eine siedler- und theokratenbewegung verheizen zu lassen. und da juden auch anderswo demokratisch teilhabend leben können, wählen sie das leben in anderswo. statt in einem Israel, in dem man nicht bereit ist, die eine oder andere lehre aus über hundert jahren geschichte des praktisch-politischen zionismus zu ziehen.in dem es stattdessen immer totalitärer zugeht.

         

        im übrigen ist fakt: wenn die EU ernst macht, dann kann Israel in zukunft die besatzung selber finanzieren. mal sehen, wielange es den Israelis dann noch gefällt, zusätzlich zu den kosten der besiedlung auch die der besatzung zu wuppen. da werden dann noch mehr vorziehen, anderswo demokratisch teilhabend zu leben.

        und wenn der eine oder andere könig zu noch mehr vernunft kommt, dann gründen die auf ihrem territorium vielleicht ein, zwei jüdische bundesstaaten, wer weiß. als alternative für mizrachim, die es nicht so unbedingt in den westen zieht.

        • @christine rölke-sommer:

          Israel „totalitär“? Unter den gegebenen Bedingungen sehe ich ein Land, das Freiheit mit Würde und Selbstachtung verbindet und dabei nicht-feindliche Minderheiten respektiert – ganz im Gegensatz zu den benachbarten Ländern. Ansatzweise totalitär ist dagegen, was die Herrschaften in Brüssel uns reindrücken, angefangen beim Euro über das Eurabien-Projekt bis hin zum Israel-bashing. Das Seilbahnengesetz für Mecklenburg-Vorpommern nicht zu vergessen, „demokratisch teilhabend“, natürlich.

           

          Mag ja sein, dass junge Israelis glauben, sie wären in Berlin dem Hexenkessel des Nahen Ostens entflohen, aber es steigt auch die Zahl der Juden, die sich in Europa nicht mehr sicher fühlen. 48% der ungarischen Juden, 46% der französischen und 40% der belgischen gaben an, sich in Europa nicht mehr sicher zu fühlen. Ganz zu schweigen von Malmö, einem Vorort von Berlin. Vielleicht hatte der Herr Herzl doch nicht ganz unrecht? Wobei er sicher nicht ahnen konnte, dass sich Perfidie und Dummheit europäischer Politiker eines Tages so blendend ergänzen.

          • @Senckbley:

            der herr Herzl? der hatte nicht so ganz den durchblick. sonst hätte er nicht geglaubt, mit der gründung eines judenstaates die "sociale Frage" zu lösen.

             

            im übrigen können Sie mit % um sich werfen wie Sie wollen: die auswanderung übersteigt die einwanderung. da helfen auch alle birthright-kampagnen nicht.

            • @christine rölke-sommer:

              Deshalb sprach ich ja von Malmö als einem Vorort Berlins. Was sich da in Schweden seit ein paar Jahren unter den nicht sehen wollenden Augen der europäischen Öffentlichkeit abspielt, ist leider ein Vorgeschmack der Zustände, die in allen Zentren Europas kommen werden. Es ist ja die Utopie der EU, die „Umma“ in Europa heimisch zu machen, Israel zu drangsalieren und die Länder nördlich und südlich des Mittelmeers zu verzahnen. Ihre geliebten Arabisch-Kurse sind Teil dieser Utopie, die schulterzuckende Hinnahme von Sharia und Judenhass deren Kehrseite. Besten Dank, ich gehöre zur wachsenden Minderheit derer, die hiermit nicht einverstanden sind.

              • @Senckbley:

                nu, es ist ja kein geheimnis, dass mir antimuslimismus am laufenden meter ziemlich am allerwertesten vorbeigeht.

                eine sprache ist eine sprache ist eine sprache wie beispielsweise arabisch oder hebräisch - beides kann mensch lernen, hebräisch kann ich besser. und shari'a ist (mindestens) ein rechtssystem, mit dem ich so umgehe, wie mit anderen rechtssystemen auch. nämlich rational. also das glatte gegenteil von angst-machen vor muslimas.

                und wenn Sie damit nicht einverstanden sind, dass der islam seit über tausend jahren zu europa gehört - tja, dann müssen Sie wohl auswandern. denn diese geschichte wird europa nun mal nicht los.

                genug OT.

                was meinen Sie? wann steigt Zipi aus der koalition aus?

                • @christine rölke-sommer:

                  Wenn Sie mit der Sharia rational umgehen, müssten Sie sie ja ablehnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie die Halbrechte von Frauen als rational hinnehmen. Bundespräsidenten-Irrtümer („Der Islam gehört zu Europa“) wiederholen sie dagegen zur Gänze.

                  Bei meinem nächsten Besuch in der Kathedrale von St. Denis werde ich am Sarkophag Karl Martells, des Opas von Karl dem Großen, eine Rose niederlegen, solche Gesten sind dringend notwendig.

                  Leider muss ich Ihnen auch sagen, dass Arabisch-Lehrgänge nicht aus neutraler kultureller Aufgeschlossenheit angeboten werden, sondern um den Verrat an europäischen Idealen schmackhafter zu machen.

                   

                  Und Tzipi Livni? Keine Ahnung. Wahrscheinlich wird sie am 29. April termingerecht Abbitte leisten und die Bühne verlassen.

                  • @Senckbley:

                    na, vor allem muß ich dabei immer mit dem kopf denken. weshalb ich keinen bundespräsidenten brauche, um mir den einen oder anderen gedanken über europas geschichte/n zu machen.

                    sprachkurse werden im allgemeinen angeboten, auf dass wer den gebrauch einer fremden sprache erwerbe, sei es aus langeweile, sei es als teil einer ausbildung, sei es zur befriedigung eines interesses - es entscheidet letztlich die erwerberin, was sie damit anfängt. ich z.b. lese gedichte von Jossi Alfi genausogern wie aufsätze von Ilan Pappe oder seder mo'ed.

                     

                    wofür soll Zipi denn abbitte leisten?

  • Lars Faaborg-Andersen und die Brüsseler Bürokraten werden Israel natürlich immer verantwortlich machen, egal für was. Schließlich wollen sie mit arabischen Staaten Geschäfte machen.