Reaktion auf Hitzlsperger-Kritik: Wut, Trotz und Solidarität
Ein Sprecher von Antenne Bayern ist genervt von der Kritik an Hitzlspergers spätem Coming-Out – und outet sich mitten in den Radio-News.
Endlich outet sich ein Fußballspieler als schwul, und gleich muss er Kritik einstecken. Radiosprecher Tom Nütten war schwer genervt und outete sich kurzerhand selbst – mitten in der 16 Uhr-Nachrichtensendung des Chartradiosenders Antenne Bayern.
Zuvor hatte Nütten eine News-Meldung mit Kritik am Zeitpunkt von Hitzlspergers Coming-Out verlesen: Der Chef des Deutschen Olympischen Sportbunds Michael Vesper hatte gesagt, die Wirkung wäre größer gewesen, wenn sich ein aktiver Fußballer geoutet hätte. Und stern.de-Kommentator Jens Maier hatte die Frage gestellt, wie mutig es überhaupt sei, sich erst nach Karriereende zu outen.
An dieser Stelle stockt der Sprecher kurz und fährt dann fort: „So, ich glaube also, an dieser Stelle ist es wirklich der richtige Moment und auch der richtige Tag, Ihnen als Antenne-Bayern-Hörern etwas zu sagen. Ich stehe mitten im Berufsleben, und auch ich bin schwul. [Pause] Die weiteren Meldungen...“
Es ist ein Coming-Out aus Wut und Trotz, aus Genervtsein über die Ansprüche an den Mensch Thomas Hitzlsperger. Und in Solidarität: Fraglos ist es ein mutiger Schritt, sich in der Macho-Welt Herrenfußball (zu der Hitzlsperger auch nach seinem Karriereende irgendwie noch gehört) als schwul zu outen. Trotz des Candy-Storms aus Medien und Verwaltung ist es ja ziemlich deutlich, wie wenige Fußballerkollegen sich geäußert haben – nur Lukas Podolski (via Twitter) und Arne Friedrich (via //twitter.com/arnefriedrich/statuses/420903155707412480:Twitter und auf zeit.de). Aus Angst, bei zu viel Solidarität selbst in der Verdacht zu kommen, schwul zu sein?
Wobei ja auch Thomas Hitzlsperger in seinen öffentlichen Äußerungen das Wort „schwul“ auffällig meidet. „Ich äußere mich zu meiner Homosexualität“, sagt er, und spricht später schwammig von „Gefühlen für Männer“. Nachrichtensprecher Tom Nütten ist da mehr Medienprofi, ihm genügen dankenswerterweise vier klare Worte: „Auch ich bin schwul.“
Bei den Hörern von Antenne Bayern kam das Coming-Out ihres Sprechers jedenfalls gut an. Auf Facebook gab es zahlreiche positive Kommentare, nur eine Userin fragt, warum Schwule „mit ihrer Sexualität so hausieren gehen“ müssten. Unter dem Video auf Youtube gibt es bislang auch nur einen negativen Kommentar – ausgerechnet von dem User, der das Video eingestellt hat. Womöglich, um eine Diskussion anzuregen. Die Trolle kommen bestimmt noch. Wie immer.
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