Scheidende Flüchtlingsbeauftragte Fanny Dethloff: „Willkommenskultur fehlt“
Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche gibt ihr Amt auf. Ein Gespräch über eine Arbeit zwischen allen Stühlen.
taz: Mit welchen Gefühlen beenden Sie Ihre Arbeit als Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Frau Dethloff?
Fanny Dethloff: Ich bin sehr froh, dass dieses Thema, das doch ein sehr schwieriges war, tagesaktuell, aber auch in allen Neujahrsansprachen von Bischöfinnen und Bischöfen vorkommt. Außerdem gibt es viele Anfragen von Gemeinden.
In der Pressestelle der evangelische Nordkirche hat man mir versichert, dass Ihre Amtsaufgabe nichts mit aktuellen Entwicklungen zu tun habe – dabei hatte ich gar nicht danach gefragt.
Ich bin sehr froh, dass es so viel Unterstützung für die Lampedusa-Flüchtlinge gibt und wie sehr Kirche da in vielen Gemeinden engagiert ist. Natürlich ist es ein Wahnsinnsjob gewesen, weil es nicht nur Hamburg zu bedienen gibt, sondern auch Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Da merkt man auch, dass zwölf Jahre genug sind. Auch wenn ich weder ausgebrannt noch frustriert bin.
Wie groß war Ihr Spielraum bei der Arbeit?
Das Gute ist, dass es viele Akteure im kirchlichen Bereich gibt, die sehr gut eingearbeitet sind. Wir sind trotzdem noch zu wenige. Es ist gut, dass wir sagen können, was wir denken – das ist eine große Freiheit, die im staatlichen Bereich nicht immer gegeben ist.
Es gab Spekulationen, dass die St.-Pauli-Gemeinde, die viele Lampedusa-Flüchtlinge aufnahm, von der Kirchenleitung gedrängt wurde, die Flüchtlinge zur Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde zu bewegen.
Da fragen Sie mit mir die Falsche, da ich das ein ernsthaftes Angebot finde. Ich glaube, dass die, die sich in die Verfahren begeben, hier bleiben werden, während diejenigen im irregulären Aufenthalt nach Italien zurückgehen werden müssen, wenn die Bewegung abbröckelt. Da bin ich eher realpolitisch eingestellt.
54, war zwölf Jahre lang Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Nordkirche. Sie ist Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche".
Haben sich Ihre Arbeitsbedingungen über die Jahre geändert?
Ich habe in der Schill-Ära angefangen, als ganz viele Selbsthilfeorganisationen und Institutionen wegbrachen. Ich erinnere an den Hamburger Einspruch – diese Stadt ist schon mehrmals aufgestanden und hat gesagt: „Diese Art der Flüchtlingspolitik wollen wir nicht.“ Wir wollen, dass etwas geregelt wird, aber nicht diese Härte und Margen der Art, dass 2.500 Menschen pro Jahr abgeschoben werden müssen. Das ist zum Glück vorbei.
Trotzdem klingt es so, als würden Sie immer wieder bei null anfangen: darf diese Familie, dieses Paar bleiben ...
Das ist etwas, was Sie in der Flüchtlingsarbeit von vorne herein sehen müssen. Ich weiß nicht, wie viele Bleiberechtsforderungen wir schon gestellt haben. In den Gemeinden, in denen die Flüchtlinge unterkommen, ist immer wieder die gleiche Alphabetisierung nötig: „Warum sind die Menschen da?“, wird gefragt – „Ihr seht doch Fernsehen, ihr wisst es, jetzt macht mal die Türen auf“, sagen wir. Da ist immer wieder Willkommenskultur anzuregen.
Macht das nicht müde?
Nein. Spiritualität und Humor sind in dieser Arbeit unabdingbar, damit man nicht verbiestert, sich radikalisiert oder es deprimiert stecken lässt. Es geht darum, eine Haltung zu bewahren und immer wieder Ohnmachten auszuhalten. Ich habe in der Abschiebehaft angefangen, ich gehe dort immer wieder hin. Es gibt nicht immer nur Happy Ends.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie immer wieder solche Orte der Ohnmacht aufgesucht haben.
Ich war in Malta in Flüchtlingslagern, wo frisch Angekommene aus dem Boot stiegen, die Tote über Bord haben geben müssen. Da verbietet es sich, irgendetwas dazu zu sagen. Da muss ich nur zuhören und danach Zeuge sein: menschenrechtlich und biblisch. Inzwischen gibt es Liturgien für die Toten an den EU-Außengrenzen, die ich angeregt habe.
Sitzen Sie nicht oft zwischen den Stühlen: den politischen Aktivisten zu lau, den Gemeinden zu sehr politisch engagiert?
Da zwischen den Stühlen zu sitzen, ist der richtige Ort. Und wenn ich den Respekt von beiden Seiten habe – bei den Konservatien dafür, dass ich eine klare Frömmigkeit vertrete, und bei den politischen Kräften dafür, dass ich eine Menschenrechtsverfolgerin bin –, dann sitze ich richtig.
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