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Scheidende Flüchtlingsbeauftragte Fanny Dethloff„Willkommenskultur fehlt“

Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche gibt ihr Amt auf. Ein Gespräch über eine Arbeit zwischen allen Stühlen.

Sagt, sie sei nicht frustriert: Fanny Dethloff. Bild: Privat
Friederike Gräff
Interview von Friederike Gräff

taz: Mit welchen Gefühlen beenden Sie Ihre Arbeit als Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Frau Dethloff?

Fanny Dethloff: Ich bin sehr froh, dass dieses Thema, das doch ein sehr schwieriges war, tagesaktuell, aber auch in allen Neujahrsansprachen von Bischöfinnen und Bischöfen vorkommt. Außerdem gibt es viele Anfragen von Gemeinden.

In der Pressestelle der evangelische Nordkirche hat man mir versichert, dass Ihre Amtsaufgabe nichts mit aktuellen Entwicklungen zu tun habe – dabei hatte ich gar nicht danach gefragt.

Ich bin sehr froh, dass es so viel Unterstützung für die Lampedusa-Flüchtlinge gibt und wie sehr Kirche da in vielen Gemeinden engagiert ist. Natürlich ist es ein Wahnsinnsjob gewesen, weil es nicht nur Hamburg zu bedienen gibt, sondern auch Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Da merkt man auch, dass zwölf Jahre genug sind. Auch wenn ich weder ausgebrannt noch frustriert bin.

Wie groß war Ihr Spielraum bei der Arbeit?

Das Gute ist, dass es viele Akteure im kirchlichen Bereich gibt, die sehr gut eingearbeitet sind. Wir sind trotzdem noch zu wenige. Es ist gut, dass wir sagen können, was wir denken – das ist eine große Freiheit, die im staatlichen Bereich nicht immer gegeben ist.

Es gab Spekulationen, dass die St.-Pauli-Gemeinde, die viele Lampedusa-Flüchtlinge aufnahm, von der Kirchenleitung gedrängt wurde, die Flüchtlinge zur Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde zu bewegen.

Da fragen Sie mit mir die Falsche, da ich das ein ernsthaftes Angebot finde. Ich glaube, dass die, die sich in die Verfahren begeben, hier bleiben werden, während diejenigen im irregulären Aufenthalt nach Italien zurückgehen werden müssen, wenn die Bewegung abbröckelt. Da bin ich eher realpolitisch eingestellt.

Im Interview: Fanny Dethloff

54, war zwölf Jahre lang Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Nordkirche. Sie ist Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche".

Haben sich Ihre Arbeitsbedingungen über die Jahre geändert?

Ich habe in der Schill-Ära angefangen, als ganz viele Selbsthilfeorganisationen und Institutionen wegbrachen. Ich erinnere an den Hamburger Einspruch – diese Stadt ist schon mehrmals aufgestanden und hat gesagt: „Diese Art der Flüchtlingspolitik wollen wir nicht.“ Wir wollen, dass etwas geregelt wird, aber nicht diese Härte und Margen der Art, dass 2.500 Menschen pro Jahr abgeschoben werden müssen. Das ist zum Glück vorbei.

Trotzdem klingt es so, als würden Sie immer wieder bei null anfangen: darf diese Familie, dieses Paar bleiben ...

Das ist etwas, was Sie in der Flüchtlingsarbeit von vorne herein sehen müssen. Ich weiß nicht, wie viele Bleiberechtsforderungen wir schon gestellt haben. In den Gemeinden, in denen die Flüchtlinge unterkommen, ist immer wieder die gleiche Alphabetisierung nötig: „Warum sind die Menschen da?“, wird gefragt – „Ihr seht doch Fernsehen, ihr wisst es, jetzt macht mal die Türen auf“, sagen wir. Da ist immer wieder Willkommenskultur anzuregen.

Macht das nicht müde?

Nein. Spiritualität und Humor sind in dieser Arbeit unabdingbar, damit man nicht verbiestert, sich radikalisiert oder es deprimiert stecken lässt. Es geht darum, eine Haltung zu bewahren und immer wieder Ohnmachten auszuhalten. Ich habe in der Abschiebehaft angefangen, ich gehe dort immer wieder hin. Es gibt nicht immer nur Happy Ends.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie immer wieder solche Orte der Ohnmacht aufgesucht haben.

Ich war in Malta in Flüchtlingslagern, wo frisch Angekommene aus dem Boot stiegen, die Tote über Bord haben geben müssen. Da verbietet es sich, irgendetwas dazu zu sagen. Da muss ich nur zuhören und danach Zeuge sein: menschenrechtlich und biblisch. Inzwischen gibt es Liturgien für die Toten an den EU-Außengrenzen, die ich angeregt habe.

Sitzen Sie nicht oft zwischen den Stühlen: den politischen Aktivisten zu lau, den Gemeinden zu sehr politisch engagiert?

Da zwischen den Stühlen zu sitzen, ist der richtige Ort. Und wenn ich den Respekt von beiden Seiten habe – bei den Konservatien dafür, dass ich eine klare Frömmigkeit vertrete, und bei den politischen Kräften dafür, dass ich eine Menschenrechtsverfolgerin bin –, dann sitze ich richtig.

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7 Kommentare

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  • RB
    Rüdiger Bäcker

    Es sind solche Interviews, die mir verdeutlichen, dass wir keine Willkommenskultur, sondern eine Vertrauenskultur im Umgang mit Zuwanderern schaffen müssen. Vertrauen ist keine Einbahnstraße. Ist es einmal verloren, wird es wohl für immer ein Verlust bleiben. Das könnte auch für die Lampedusa Gruppe gelten: Fast jeder hat versucht, sie vor den eigenen Karren zu spannen, auch die frömmelnden Nordelbischen mitsamt eines alimentierten Pastors. Im Ergebnis werden sie zwar noch geduldet, aber ohne Namensnennung wird eben nicht mehr daraus werden, zumal der Staat nun ein Glaubwürdigkeitsproblem zu bewältigen hat. Ist das die Schuld der Flüchtlinge? Wohl kaum, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass diese von Anfang an eine kohärente Strategie verfolgt haben. Sie sind den zahlreichen Einflüsterungen erlegen, die auch aus dem Bereich der Nordelbischen in Form eklatanter Falschberatung induziert wurden. Früher oder später werden diese Menschen daher die Eitelkeiten anderer ausbaden und gehen müssen. Das ist schade.

  • T
    Thea

    Die -verdienstvolle- Arbeit der kirchlichen Flüchtlingshilfe-Organisationen gerät genau dann an ihre Grenzen, wenn "illegale" Migranten (wie die "Lampedusa-Gruppe")ihre Forderungen öffentlich, kollektiv und hartnäckig vertreten. Die kirchlichen Beratungsstellen sind eingestellt auf die stille, professionelle und individuelle Hilfe, die den juristischen Rahmen der Asylgesetzgebung im Sinne ihrer Klientel optimal ausnutzen will. Folgerichtig fordert Fanny Dethleff die "Lampedusaflüchtlinge" auf, das Prozedere der Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde zu akzeptieren - dann erst könne die Unterstützung der kirchlichen Hilfsorganisationen wirksam werden.In einer Situation, in der der Hamburger Senat bis heute grundsätzlich ein Bleiberecht für die aus Italien kommenden Flüchtlinge ablehnt, kommt es aber gerade darauf an, die "stille Hilfe" für Migranten mit dem gesellschaftlichen Druck auf das Hamburger Abschieberegime zu verbinden und zu verstärken. Das sollte auch für viele Helfer aus dem kirchlichen Bereich eine Frage der Glaubwürdigkeit sein.

    • SC
      Sozi & Christ
      @Thea:

      Für ernsthafte politische Debatten ist es wichtig, auch Begriffe ernsthaft und nicht reißerisch zu gebrauchen. Mit Verlaub: Es gibt in Hamburgs Flüchtlingspolitik sicher viele Entscheidungen, über die man mit guten Gründen streiten kann - aber es gibt kein "Abschieberegime". Es gibt aktuell vielmehr über 10.000 Flüchtlinge in Hamburg, die versorgt, untergebracht, beraten werden und deren Perspektiven in fairen, rechtsstaatlich genau definierten Verfahren geklärt werden.

      Und was die sog. "Lampedusa"-Flüchtlinge angeht, lehnt der Senat ein Bleiberecht gerade nicht grundsätzlich ab, sondern bittet um die Klärung im Einzelfall, die jeweils selbstverständlich auch ein Bleiberecht zum Ergebnis haben kann, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind.

  • L
    Lars

    Ach Fanny, du meinst es ja sicher gut und christlich. Das Grundproblem ist und bleibt aber, dass breite Mehrheiten - nicht nur in unserem Land - keine Zuwanderung sondern ASbwanderung wollen. Und es ist immer schwer, gegen Mehrheiten Politik zu machen.

    • G
      gerstenmeyer
      @Lars:

      aber es funktioniert-zu sehen in D

  • EW
    Entschuldigung, wie bitte ist das gemeint?

    "Es ist gut, dass wir sagen können, was wir denken – das ist eine große Freiheit, die im staatlichen Bereich nicht immer gegeben ist."

    • G
      gerstenmeyer
      @Entschuldigung, wie bitte ist das gemeint?:

      da muss ich der dame recht geben-auch im medialen bereich nicht