Unwort des Jahres „Sozialtourismus“: Das trifft den Zeitgeist
Unser Wirtschaftssystem baut im Grunde auf „sozial“ und Tourismus auf. Ab jetzt nur nicht mehr in Kombination verwenden, bitte.
Trommelwirbel. Das Unwort des Jahres ist Sozialtourismus. Hochaktuell auch 2014, schließlich brennt in Bayern wieder ein Flüchtlingsheim, in Berlin die Diskussion um die „Eisfabrik-Bewohner“ und in Europa die Frage nach Sozialleistungen für erwünschte und unerwünschte Nutzer der neuen Freizügigkeitsregelung – jetzt neu auch für Bulgaren und Rumänen.
Das Unwort des Jahres trifft also den Zeitgeist und mahnt zum sensiblen Umgang mit Sprache, so die unabhängige, sprachkritische Jury. Ab jetzt wird darum gebeten, den Sieger des Wettbewerbs im aktiven Sprachgebrauch zu meiden, bitte. Politisch korrekt.
Problemlos zu benutzen sind dessen ungeachtet die einzelnen Bestandteile des zusammengesetzten Substantivs. Unser Wirtschaftssystem baut ja im Grunde auch auf diesen Begrifflichkeiten auf: sozial (soziale Marktwirtschaft) und Tourismus (wichtiger Wirtschaftssektor). Ab jetzt nur nicht mehr in Kombination, bitte.
Begründung der Jury: „Das Grundwort ‘Tourismus‘ suggeriert [...] eine dem Vergnügen und der Erholung dienende Reisetätigkeit.“ Andererseits sollte man genau das doch jedem von Herzen gönnen. Ohne Neid. Das ist eine, leider nur noch selten anzutreffende Emotion, welche oft durch Missgunst ersetzt wird. Und das macht das Unwort des Jahres auch so, nunja, kritisch.
Laut Duden ist die unter Punkt eins angeführte Definition von Sozialtourismus nämlich folgende: „Bemühung, besonders einkommensschwachen Schichten der Bevölkerung die Möglichkeit einer Fernreise zu bieten.“ Das trifft erst den Zeitgeist.
Lidl-Reisen beispielsweise - „einfach urlaubiger“ – bietet für die beschriebene Zielgruppe eine Möglichkeit: günstige Fernreisen. Ihr Tipp ist ein achttägiger All-inclusive Urlaub nach Bulgarien. Die politisch korrekte Version von Sozialtourismus.
Leser*innenkommentare
Lenny R.
Gast
meine unworte des jahres sind staatsterrorismus, geschichtsfälschung, staatsblindheit.
übrigens: vor wenigen jahren war das unwort "döner morde". dass es bei den NSU morden verbindungen zu mafiösen strukturen und geheimdiensten gab, und statt dessen deutsche zivilisten als alleintäter umso besser gebrandmarkt werden konnten, hat der aufklärung der morde nicht gerade geholfen.
heute schreibt die mainstream presse hauptsächlich über die frisur und die bekleidung von frau zschäpe, aber die viele hinweise darauf, daß die beiden uwe's sich nciht selbst umgebracht haben, weiß kaum ein mensch.
Peter Haller
Gast
Ich werde versuchen, meinen nächsten Sozial-Urlaub irgendwo in Bayern zu verbringen. Sozial-Schmarotzertum natürlich inclusive. Das wird ne Gaudi !