Italiens Demokraten brauchen Berlusconi: Silvio wird der Sieger sein
Parteichef Matteo Renzi sieht nur eine Möglichkeit, die Wahlrechtsreform umzusetzen – mit dem abgehalfterten Berlusconi. Der ergreift die Chance.
ROM taz | Silvio Berlusconi ist wieder da. Ausgerechnet sein wichtigster politischer Gegner, der neue Vorsitzende der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) Matteo Renzi, lud den Vorbestraften am Wochenende zu einem Spitzentreffen über Wahlrechts- und Verfassungsreformen.
Herzlich egal war es da Berlusconi, dass draußen vor dem Parteisitz der PD Dutzende Menschen wütend protestierten, als er vorfuhr, dass dazu noch Eier auf sein Auto flogen. Wichtiger war ihm, dass Renzi ausgerechnet ihn zum strategischen Partner für die anstehenden Reformen macht.
Auf der anschließenden Pressekonferenz verkündete der junge PD-Vorsitzende, zwischen ihm und Berlusconi herrsche „tiefe Übereinstimmung“. Beide wollen ein neues Wahlrecht nach spanischem Vorbild, beide wollen den Senat – bisher die völlig gleichberechtigte zweite Kammer des Parlaments – in Anlehnung an den deutschen Bundesrat in eine Kammer der Regionen umbauen.
Berlusconi ließ seinerseits verlauten, er habe nun beste Chancen, doch noch zum „Vater des Vaterlandes“ aufzusteigen. Eine fürwahr bizarre Wendung: Erst am 1. August 2013 war er letztinstanzlich wegen Steuerbetrug zu vier Jahren Haft verurteilt worden; drei Jahre gelten dank eines allgemeinen Straferlasses zwar als abgegolten, das letzte Jahr aber muss Berlusconi demnächst mit Sozialstunden oder Hausarrest abbüßen. Zudem hatte er im letzten November infolge des Urteils sein Senatsmandat verloren.
Damit stand der 77-Jährige scheinbar endgültig im politischen Abseits, auch weil Berlusconis Partei sich gespalten hatte. 30 Abgeordnete und 30 Senatoren – unter ihnen die fünf Minister der Berlusconi-Rechten gründeten die Partei „Nuovo Centro-Destra“ (NCD – Neues Mitte-Rechts-Lager) und sorgten dafür, dass die Regierung weiterhin eine Mehrheit im Parlament hat.
In dieser Situation wurde der 39-jährige Renzi in einer Urwahl, an der sich drei Millionen Bürger beteiligten, im Dezember triumphal zum neuen PD-Vorsitzenden gewählt. Renzi hat allerdings das Problem, dass er seinen Worten vom neuen Aufbruch nun Taten folgen lassen muss, wenn er seine hohe Popularität nicht schnell einbüßen will.
Gefahr der Unregierbarkeit
Erste Priorität genießt für Renzi die Wahlrechtsreform, denn das Verfassungsgericht hatte vor wenigen Wochen das bisherige Wahlrecht verworfen. Die Folge: Würde jetzt gewählt, so würden die Sitze rein nach Proporz vergeben. Italien wäre damit auf Dauer unregierbar, da der gemäßigten Linken nicht nur die weiter starke Berlusconi-Rechte, sondern auch die Protestbewegung Movimento5Stelle (M5S) gegenüber stehen.
Renzi sieht deshalb keinen anderen Weg, als mit dem Vorbestraften zu verhandeln – M5S nämlich verweigert sich bisher jedem Kompromiss. Und damit steht der Sieger der anstehenden Reformdebatte schon fest: Berlusconi. Entweder realisiert er gemeinsam mit Renzi die Reformen und steht damit als neuer Verfassungsvater da; oder aber er lässt Renzi auflaufen – und der wäre damit desavouiert, weil er Berlusconi aus dem politischen Abseits geholt hätte.
Leser*innenkommentare
Layla N.
Können Sie bitte mal alle Fakten in ihrem Artikel auf den Tisch bringen??
Das M5S verweigert nicht jeglichen Kompromiss. Sie haben selber schon einen Vorschlag zur Wahlrechtsreform eingereicht, der aber "seltsamer Weise" von der Regierung gar nicht näher in Betracht gezogen und abgelehnt wurde....
Was die Verhandlungen mit Renzi betrifft, ist zu spezifizieren, dass das M5S sich lediglich dagegen gewährt hat, AUSSERHALB des Parlamentes in Räumen der Parteizentrale, mit einem in erster Instanz verurteilten Parteichef Gesetze auszuklüngeln, um die sich eigentlich das Parlament kümmern müsste.
Sie sind jeder Zeit bereit in den entsprechenden Komissionen mit den jeweils Verantwortlichen das Gesetz zu verhandeln!!
So, wie sich das als ehrliche, demokratische und verfassungskonforme Bürger im politischen Auftrag gehört.... oder nicht??
Vittorio Benzinman
Gast
Als Italiener werde ich selbsverständlich Berlusconi wählen - ganz einfach weil ich gegen Merkel und ihre Milchbrüder bin. So einfach ist das -
Abbi verstandi?
Dr. rer. nat. Harald Wenk
wahlrechhts- und verfassungsreform!! die postdemokratie, ausschsaltung des volkes, des wähers, scheint weiter ihren lauf zu nehmen.
Sondermann
Burlesconi hat mal wieder Nebelkerzen geworfen - und Renzi wird am Ende der Depp sein. Selbst schuld!
gast
Gast
Um einen vorbestraften Verhandlungspartner käme Renzi auch dann nicht umhin, wenn sich die M5S nicht verweigerte: Grillo ist wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Berlusconi II
Gast
man kann nur hoffen, dass Italien "unregierbar" wird oder eben Berlusconi an die Macht kommt!
Damit hätte Merkel wirklich ein Problem.
Delphina Jorns
Das Problem ist weniger Berlusconi als vor allem seine Wähler die nach wie vor zu ihm halten. Demokratie ist eine manchmal sehr ärgerliche Regierungsform. Aber hier gilt wirklich: there is no alternative.
Lowandorder
Gast
Lese grad die Duscorsi - vom Flohmarkt;
aber selbst dieser hardboiled italien
würde sich die Augen reiben.
11
Gast
das kann doch alles nicht wahr sein. wie können die italiener berlusconi all diese sachen durchgehen lassen? der mann gehört hinter schwedische gardinen und nicht aufs politische parkett. eigentlich kein wunder, daß in einem land mit einer politisch derart lethargischen bevölkerung auch der mafia nicht der garaus gemacht werden kann.