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Flügelkampf um FlüchtlingsthemaGrüne zoffen sich ums Camp

Bei den Berliner Grünen bricht der interne Streit über den richtigen Umgang mit dem Kreuzberger Flüchtlingscamp jetzt offen aus. Anlass ist Kritik der Fraktionsvorsitzenden Ramona Pop an dem grünen Bezirk

Reine Bezirkssache oder Verantwortung Aller? Zelte auf dem Oranienplatz Bild: DPA

Die Zukunft des Flüchtlingscamps und der von Flüchtlingen bewohnten Schule in Kreuzberg sorgt bei den Grünen für Zwist. Ramona Pop, Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, kritisierte am Montag in der Berliner Zeitung den Umgang des von ihrer eigenen Partei regierten Bezirks mit den „nicht haltbaren“ Zuständen in der Schule. Man könne „die Menschen dort mit ihren Problemen nicht sich selber überlassen“, so Pop. „Der Bezirk hat eine Verantwortung.“ Es müsse etwa „klare Maßnahmen“ geben, um die Sicherheitslage zu verbessern. Alle Beteiligten müssten sich „konstruktiv an einer Lösung beteiligen“, so die Fraktionsvorsitzende. Es sei „keine Unterstützung, wenn man Flüchtlinge dazu veranlasst, aus politischen Gründen jetzt im Winter auf dem kalten Oranienplatz zu nächtigen“.

Das dürfte zwar Innensenator Frank Henkel (CDU) freuen, der sich mit der grünen Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann einen erbitterten Streit über die von ihm gewollte und von jener abgelehnte Räumung des Camps geliefert hatte. Aus ihrer eigenen Fraktion erntet Pop dagegen heftige Kritik. Ihre Äußerungen seien „nicht Linie der Fraktion“, sagt ihre Fraktionskollegin, die Flüchtlingspolitikerin Canan Bayram: „Mit dieser Sichtweise steht sie ziemlich allein da.“ Es sei zudem „nicht hilfreich, den konstruktiven Dialogprozess zwischen den Flüchtlingen und den tatsächlich Verantwortlichen in Senat und Bezirk durch unsinnige Äußerungen zu stören“, so Bayram.

Das sieht ihr Fraktionskollege Benedikt Lux ganz anders. Weder habe Pop „Geheimnisse verraten“, noch kann der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion in den Äußerungen der Fraktionsvorsitzenden Kritik an der grünen Bezirksbürgermeisterin erkennen. Pop habe auf die Verantwortung des Bezirks verwiesen, „der dieser sich ja auch annimmt“, so Lux. Auch Monika Herrmann wolle „mit konstruktiven Gesprächen zu einer Lösung kommen“ und sei dabei „auf einem guten Weg“. Nicht die Grünen seien mit Pops Äußerungen auf Koalitionslinie, sondern die Koalition, die sich erst auf Druck der SPD gegen eine Räumung des Camps entschieden hatte, sei auf Grünen-Linie umgeschwenkt.

Unterstützung bekommt Bayram dagegen vom Fraktionskollegen Dirk Behrendt. „Am schönsten“ seien immer „unerbetene Ratschläge aus der dritten Reihe“, twitterte der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion – und bestätigt auf Nachfrage, dass sich das auf seine Fraktionsvorsitzende Ramona Pop bezieht. Die werde „bald in der letzten Reihe sitzen“, wenn sie so weitermache, bollert der Jurist. Denn der Umgang mit dem Camp sei „Bezirkssache“, so Behrendt, der wie Bayram aus Friedrichshain-Kreuzberg kommt: „Es ist üblich, dass sich die Landesebene da raushält.“

Bürgermeisterin Herrmann bleibt gelassen. Es sollte Pop „eigentlich bekannt sein, dass wir das, was sie fordert, längst tun“. Irritierend sei deshalb, wie sie sich jetzt äußere. „Auch mir geht das alles manchmal zu langsam“, sagt Herrmann. „Aber jetzt Druck zu machen hat keinen Sinn.“

Heftigen Streit zwischen linkem und rechtem Parteiflügel hatten die Grünen zuletzt nach der Berlinwahl 2011, als Renate Künast ein Ergebnis einfuhr, das unter den Prognosen lag. Gegner damals: Dirk Behrendt und Ramona Pop.

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7 Kommentare

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  • CL
    Christoph Lang

    Was mich beunruhigt, sind diese Untertöne, als gäbe es eine Verschwörung im Hintergrund, die die Geflüchteten vom Oranienplatz vom fersteuere. Oder wie soll ich die Äußerung von Frau Pop verstehen, es es sei „keine Unterstützung, wenn man Flüchtlinge dazu veranlasst, aus politischen Gründen jetzt im Winter auf dem kalten Oranienplatz zu nächtigen“? Ich bin Nachbar des Camps und schaue regelmäßig vorbei. Ich weiß, dass eine Gruppe von Flüchtlingen sich entschieden hat, nach einer Serie von Selbstmorden in verschiedenen Asyl-"Heimen" das Camp und auch den Hungerstreik als Aktionsform zu wählen, um auf ihre durch unsere Gesetze verursachte verzweifelte Lage aufmerksam zu machen. Dieser Protest gehört in die Öffentlichkeit, und die Geflüchteten, die sich entschieden haben, trotz der widrigen Verhältnisse weiterhin öffentlich zu campieren, verdienen Anerkennung als politische Akteurinnen und Akteure. Sie als arme und fremdgesteuerte Leidende zu adressieren verstehe ich als eine perfide Art, sie weiter mundtot zu halten als Versuch, im Hinblick auf den deprimierenden Zustand der deutschen Flüchtlings- und Asylpolitik alles beim alten zu lassen.

  • Wenn die Einstellung der Belieferung der Flüchtlinge durch die Tafel mit Lebensmitteln ein nicht haltbarer Zustand ist, dann muss man mit der Tafel reden.

  • Das Europäische Parlament, die UNO, Human Rights Watch haben zuletzt heftige Kritik betreffend des Umgangs mit Flüchtligen in Europa geäußert. Dass das Bezirk von Frau Herrmann, dass gleichzeitig die geografische Mitte und somit das Herz Berlins ist, beim Umgang mit Flüchtlingen den besonderen Wert auf Menschenrechte legt, ist Europaweit willkommen und erwünscht.

    • G
      Gaston
      @Stefan Mustermann:

      Ich denke, Sie werden sich wundern wenn bei der nächsten Wahl zum Ausdruck kommt, was europaweit tatsächlich "willkommen und erwünscht" ist.

  • „GEWALTENTEILUNG“ wurde in Deutschland legitimiert deswegen, damit keiner, wie Adolf H. (mit seiner NSDAP), nie wieder an die Macht gelangen und allein regieren könnte. Somit die Zuständigkeit des Bezirks ist allerseits erwünscht.

  • ...die Grünen twittern,glaubt man gar nicht..., haben jetzt auch schon internet...,

  • R
    Raushalten

    "Denn der Umgang mit dem Camp sei „Bezirkssache“, so Behrendt, der wie Bayram aus Friedrichshain-Kreuzberg kommt: „Es ist üblich, dass sich die Landesebene da raushält.“ "

     

    Aus der Berliner Verfassung kann ich das nicht herauslesen. Ist auch ein Widerpruch: Warum dann der Dialog mit dem Senat? Oder geht es hier nur um irgenwelche parteiinterne grüne Hobbies? Würde mich beruhigen.