Flüchtlinge sterben vor griechischer Küste: Mit Absicht zum Kentern gebracht?
Drei Frauen und neun Kinder ertrinken in der Ägäis. Die Flüchtlinge stammen aus Syrien und Afghanistan. Die Überlebenden erheben schwere Vorwürfe.
BERLIN taz | Ein mit 25 afghanischen und drei syrischen Flüchtlingen besetztes Boot ist in der Nacht zum Montag nahe der griechischen Insel Farmakonisi gekentert und gesunken. Drei Frauen und neun Kinder starben bei dem Zwischenfall. Überlebende berichten, der Unfall habe sich ereignet, als die griechische Küstenwache das Boot mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Türkei zurückschleppte.
Die griechische Hafenbehörde wies diese Schilderung zurück. Sie erklärte, das Boot sei manövrierunfähig gewesen, weshalb die Küstenwache es in Schlepptau genommen und in Richtung der – unbewohnten – griechischen Insel Farmakonisi gezogen habe. Das Boot sei gekentert, weil zu viele der Insassen auf einer Seite gewesen seien. Die Überlebenden wurden in den Hafen der Insel Leros gebracht.
Dorthin reisten am Dienstag Mitarbeiter des UN-Flüchtlingswerks UNHCR, um die Überlebenden zum Unfallhergang zu befragen. Den Überlebenden zufolge hat das Schiff der Küstenwache ihr Boot in Schlepptau genommen und ist dann bei stürmischer See mit hoher Geschwindigkeit in Richtung türkische Küste gerast. Bevor ihr Boot kenterte, hätten die Flüchtlinge in Panik um Hilfe geschrien und auf die an Bord befindlichen Kinder hingewiesen.
„Dieser Aktion der griechischen Küstenwache war mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Rettungsaktion, sondern eine Push-back-Operation“, so Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl. Offenbar mussten diese zwölf Flüchtlinge sterben, weil die griechische Küstenwache unverändert an ihrer menschenverachtenden Praktik der Zurückweisung von Flüchtlingsbooten festhält.
Seit einiger Zeit arbeiten die Türkei und Griechenland in Sachen Grenzsicherung wieder enger zusammen. Wiederholt hatten Flüchtlinge berichtet, auf dem Weg nach Griechenland aufgehalten und zurück in Richtung Türkei geschleppt worden zu sein. Erst im November hatte Pro Asyl entsprechende Zeugenaussagen von über 90 meist syrischen und afghanischen Flüchtlingen aus der Türkei präsentiert. Weil es sich bei Syrern und Afghanen um Schützbedürftige im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention handelt, verstoßen direkte Zurückweisungen ohne Prüfung eines Asylantrags gegen europäisches Recht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke