Brandanschlag: Pöbel-Alarm im Parlament
Nach dem Brand in einer Unterkunft möchte die Linksfraktion die Sicherheit von Flüchtlingen debattieren. Der Rest der Bürgerschaft findet das geschmacklos.
HAMBURG taz | P – wie pietätlos? Peinlich? Oder doch P wie parlamentarisch? Darüber waren die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft am gestrigen Mittwoch ziemlich uneins. Aber allesamt hatten sie bei der Debatte über die Sicherheit von Flüchtlingen in Hamburg das P in den Augen. Den Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in der Eimsbüttler Straße hatte die Linke zum Anlass genommen, das Thema für die Aktuelle Stunde anzumelden. Bei dem Feuer kamen vor einer Woche eine Mutter und ihre zwei Kinder ums Leben, der Tat dringend verdächtig ist ein 13 Jahre alter Junge.
SPD, CDU und FDP nun empfanden dieses Vorgehen als „unerträgliche Instrumentalisierung“ einer Tragödie. Auch Antje Möller (Grüne) befand, die Themenwahl der Linken sei „schwierig“. Die Konsequenz: Die Abgeordneten lieferten nur kurze Beiträge zu parlamentarischen Stilfragen, streiften das eigentlich Thema aber kaum. Und so dauerte die Aktuelle Stunde zur Flüchtlingssicherheit gerade mal 39 Minuten.
Wichtige Fragen gestellt
Dabei nannte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider, durchaus wichtige Fakten und stellte zentrale Fragen zum Brandhaus: Dort seien selbst „minimale Sicherheitsstandards“ nicht eingehalten worden, so Schneider. HausbewohnerInnen hätten berichtet, dass sie sich mehrfach beim städtischen Träger „Fördern und Wohnen“ beschwert hätten – darüber, dass an der Haustür das Schloss seit vielen Wochen defekt gewesen sei.
„Flüchtlinge sind potenzielle Ziele rassistischer Anschläge und brauchen immer einen gewissen Schutz“, sagte Schneider. Wäre die Tür abschließbar gewesen, hätte der Brandstifter das Haus nicht unbemerkt betreten können: „Das Gebäude war jederzeit für jedermann zugänglich.“
Und dann fragte die Linken-Abgeordnete noch, „wer eigentlich die Sicherheitsbedingungen in Flüchtlingsunterkünften überprüft“. Eine Antwort bekam sie darauf nicht. Stattdessen erklärte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), es gebe „keinen Grund, die Sicherheit von Flüchtlingen in Hamburg in Frage zu stellen“. Seine Parteifreundin Ksenija Bekeris sagte, alle Wohnungen des Hauses seien mit Rauchmeldern ausgestattet gewesen.
„Unverschämte“ Anwürfe
Der Rest war Beschimpfung: „Unerträglich“ nannte es die CDU, „geschmacklos“ auch die FDP, „auf diesem Vorfall sein politisches Süppchen zu kochen“. Was wiederum der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch als „unverschämt“ zurückwies. Es sei „wichtig“, über die Standards der Unterbringung zu reden, versuchte Antje Möller die Wogen zu glätten – „aber das kann man nicht an diesem Unglücksfall aufhängen“.
Leser*innenkommentare
Linkwater
Gast
Wäre es um eine andere Bevölkerungsgruppe gegangen, z. B. Russlandaussiedler, wären Verbesserungsvorschläge zu deren Sicherheit auch in diesem Zusammenhang durchaus "sachlich" diskutiert und nicht u. a. als geschmacklos bezeichnet worden.
Rüdiger Bäcker
Es ist also unpassend, die Sicherheit von Menschen aus anderen Teilen der Welt in Hamburg zu hinterfragen? Dazu kann ich nur sagen: Die Rauchmelder haben bei 3 Toten und vielen Verletzten ja unheimlich viel gebracht? Warum der vorbeugende Brandschutz der Hamburger Feuerwehr die Brand fördernden Elemente in dem Gebäude übersah, darf doch wohl auch mal kritisch hinterfragt werden, oder? Wer sich also aufregt, sollte sich zuerst fragen: Sind 3 Tote nicht Anlaß genug, in der Bürgerschaft nachzuhaken, wenn schon die trutschige Hamburger Staatsanwaltschaft dazu viel zu feige ist? Aber ich vergaß, wir leben ja in Hamburg, wo nicht gefragt, sondern immer nur dieselbe Komödie aufgeführt wird: Bei uns ist alles in Ordnung. Scholz & Konsorten gelangen dabei über das Niveau von Schmierenkomödianten nicht hinaus. Denn das Publikum weiß: Es stinkt überall zum Himmel. Nichts ist in Ordnung. Und nun sind 3 Menschen tot.
Lachhaft
Gast
@Rüdiger Bäcker Drei Menschen sind gestorben durch das Zündeln eines Kindes. Was wollen Sie da hinterfragen? Es ist lächerlich.
Santa Pauli
Gast
Rüdiger Bäcker schreibt jeden Tag über alles und jeden seine Meinung hier runter.
Ich sage, einfach so hinnehmen und sich seinen Teil denken, auch wenn er mit seiner ständigen Besserwisserei, seinen Belehrungen und dem fehldenden Hintergrundwissen ziemlich nervt.
Dafür sind die Leserkommentare halt da, auch bizarren Thesen wird somit ein Forum geschaffen und der Bürger hat das Gefühl, gehört zu werden.
Für einige sehr wichtig!
Rüdiger Bäcker
@Santa Pauli Danke für die aufmunternden Worte. Ich scheine da einen Freund fürs Leben gewonnen zu haben. Das ist schön.*freu*
breakbreak
Gast
@Lachhaft 3 tote Menschen sind also lächerlich. Gut zu wissen, aus welcher Ecke die Kommentare hier wehen.
Gast
Gast
Chr. Schneiders Beitrag finde ich in diesem Moment ebenfalls sehr unpassend. In diesem Fall hätte es jedes andere Haus treffen können. Eine Aktuelle Stunde zum Thema : Was können wir in Hamburg für psychisch kranke Kinder tun? wäre hier z.B. ein passenderes Thema gewesen.
Das selbst kleinste Zündeleien in ihrer Gefahr oft unterschätzt werden könnte eine Lehre für Alle aus dieser tragischen Tat sein.