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Kolumne AnstoßpunktHauen, Stechen, Vermöbeln

Kolumne
von HG Butzko

Wenn sich der HSV schon einen Bonsai-Oligarchen ans Bein bindet, dann wenigstens richtig. Alle anderen kann man getrost nach Bremen schicken.

Das „S“ für Sport im HSV? War auf dem Rasen vor Mirco Slomka überhaupt nicht zu sehen. Spielmacher Rafael van der Vaart Bild: dpa

W ürde Charles Darwin dieser Tage noch leben, er könnte mit Freuden sehen, wie sehr der Fußball eine evolutionäre Angelegenheit geworden ist. Eine Sache für Alpha-Männchen. Wer sich unterbuttern lässt, wird aussortiert. Elf Freunde müsst ihr sein? Drauf geschissen. Behauptungspotenzial, Durchsetzungskraft und der unbedingte Wille zur Macht, das ist es, was es braucht. Ein Hauen, Stechen und Vermöbeln, oder abgekürzt: HSV.

Dass das „V“ dabei ursprünglich mal für den Begriff „Verein“ stand, ist an der Alster nicht mal mehr rudimentär zu erkennen. Dort hat sich dieser Begriff im Zusammenhang mit dem Begriff „Hamburg“ so weit von den Begriffen „Vereinigung“, geschweige denn „Einigkeit“ weg entwickelt, dass man dafür nur noch den Begriff „Oxymoron“ verwenden kann.

Und dass das „S“ dabei für Sport stehen soll, war auf dem Rasen vor Mirko Slomka überhaupt nicht mehr zu sehen, auf der Funktionärsebene allerdings auch seitdem noch nicht. Denn was sich hinter den Kulissen an Abseitsfallen und grobem Foulspiel abzeichnet, braucht nur noch einen Funken, und leider nicht an Verstand, und die handelnden Personen würden ein Gemetzel veranstalten, wogegen dasjenige letzten Dezember im Schanzenviertel rund um die rote Flora eine E-Jugend-Begegnung war.

Wäre es kein Fußballverein, könnte man glatt glauben, es handelt sich um die deutsche Bundesregierung. Denn was haben der HSV und die Große Koalition gemeinsam? Leute, die alle lediglich ihr eigenes Süppchen kochen wollen und sich abgrundtief misstrauen, müssen miteinander an einem Strang ziehen. Was ist dabei der Unterschied? In der Großen Koalition liegt dieser Strang immer nur um den Hals einzelner Personen, wie etwa Hans-Peter Friedrich. In Hamburg würgt man lieber gleich den ganzen Betrieb ab.

16 Trainer in 17 Jahren ist doch auch Kontinuität

Dabei den Vorwurf in den Ring zu werfen, beim HSV mangele es an Kontinuität, kann nur einer mangelnden Kenntnis der hanseatischen Sichtweise geschuldet sein, denn dort kann man entgegenhalten, dass 16 Trainer in 17 Jahren schließlich eine Kontinuität sei, die in der Bundesliga ihresgleichen sucht. Und allein deren Abfindungssummen von insgesamt rund 12 Millionen Euro sind doch geradezu ein Paradebeispiel für hanseatische Kaufmannsehre.

Weswegen man sich ja auch mit Klaus-Michael Kühne einen Bonsai-Oligarchen ans Bein band, dessen Millionen für einen klaren Kurs sorgten, allerdings für einen in den Abgrund. Woraus wir lernen: Einen Oligarchen bindet man sich nicht ans Bein, sondern holt ihn richtig zu sich ins Boot.

Bei Schalke 04 überließ man schließlich einem Clemens Tönnies auch gleich den Vorsitz des Aufsichtsrats, und dessen Kontakte zu Gazprom und Wladimir Putin machen auch den entscheidenden Unterschied gegenüber popeligen Provinzpatriarchen aus. Kühne im Aufsichtsrat, das ist die Lösung für den HSV. Alle anderen kann man getrost nach Bremen schicken.

Selbst bei der Berliner Hertha hat man sich einen kapitalschweren Investor geangelt, allerdings einen externen. Weswegen einige Hertha-Fans jetzt schon klammheimlich nach München schielen, was auch tatsächlich die korrekte Himmelsrichtung ist, jedoch weniger zu den Bayern, als vielmehr zu den Löwen. Die können nämlich gerne mal Anschauungsunterricht erteilen, wie man mit Millionen aus dem Ausland so richtig gewinnbringend umgehen kann.

Die Hamburger hingegen sollten sich lieber in Duisburg erkundigen, wie man mit internen Intrigen einen Traditionsverein in die Amateurliga katapultiert. Sogar Fusionspläne könnten dabei diskutiert werden. Denn was passiert, wenn man HSV & MSV kombiniert? Richtig: H&M SV. Wobei SV in diesem Fall bekanntlich für Schlussverkauf steht. Und darauf läuft‘s ja wohl in der Evolution hinaus. Ein Verein, der sich selber stets als Dino bezeichnet hat, hätte einfach nicht vergessen dürfen, welches Schicksal diese Urzeitreptilien am Ende ereilt hat. Darwin – wie gesagt – würde zur Zeit seine helle Freude haben.

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Kabarettist, Kleinkunstpreisträger und im Nebenberuf fußballbekloppt.
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1 Kommentar

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  • D
    dschidschi

    nicht schlecht,lôst der artikel bei mir einiges schmunzeln aus