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Kolumne Liebeserklärung an ...... den Görlitzer Park

Ines Kappert
Kolumne
von Ines Kappert

Wie geht Deutschland mit Flüchtlingen um? Der Streit dauert an, zum Glück. Doch einige Einheimische haben ganz andere Probleme.

Männer, die sich im Park noch wohl fühlen können. Bild: dpa

Ich kann nachts nicht mehr durch den Park fahren!“, tönt es dieser Tage empört aus Berliner Stuben und Redaktionen. Dem schwarzen Mann sei Dank. Er lehrt die Weißen nicht nur das Fürchten, das wäre ja nichts Neues. Diesmal hat er seine weißen Geschlechtsgenossen auf ein lange ignoriertes Problem aufmerksam gemacht. Die Rede ist vom ältesten Grünflächengewerbe der Menschheit: dem Handel mit bösen Suchtmitteln.

Für die meisten Frauen und Schwule ist es eine Selbstverständlichkeit, schattiges Grün zu umgehen. Das ist nicht schön, aber es gibt Wichtigeres. Für die sich bedroht fühlende weiße Männer-Spezies indessen drängt das Problem neu auf die Agenda.

Weswegen sie, so liberal sie sind, nach der Ordnungskraft rufen. Der Park muss gesäubert werden, und das mit dem illegalen Flüchtlingscamp auf dem nahe gelegenen Berliner Oranienplatz muss auch aufhören. Wir wollen unseren Park wieder und unsere Plätze, tagsüber und auch nachts. Wird die Bewegungsfreiheit des Normsubjekts eingeschränkt, hört der Spaß auf.

Ob wir diese Herren glücklich machen können, wenn wir die Leute, denen das Asylgesetz das Arbeiten verbieten, wieder in die Heime sperren? Ob dann der Park wieder nur von Frauen und Schwulen umfahren werden muss, wenn’s schattig wird – also alles wieder normal ist? Ob dann die vielen Touristen keine Drogen mehr kaufen, sondern sich am O-Saft erfreuen? Ich wäre da unsicher.

Natürlich besteht Handlungsbedarf, denn es gibt ein Problem und auch ein Leiden in Deutschland – ja, auch im Görlitzer Park. Den weißen Mittelschichtsmann betrifft es nicht. Aber der hätte jetzt die prima Gelegenheit, nicht nur buchstäblich, sondern auch im übertragenen Sinn neue Wege zu gehen und sich in Empathie zu üben. Der Kreuzberger Bürgermeisterin und dem schwarzen Mann sei Dank.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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5 Kommentare

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  • ch steige noch am Görlitzer Bahnhof ein, meine Freundin ungern ohne Begleitung. Die Frage stellt sich, welchen Chauvinismus diese Tatsache bestätigt, oder ob sie nicht doch auf den Sexismus zurückzuführen ist, den die jungen Männer dort praktizieren.

     

    Wie Sie wissen, ist unsere Gegend eher taz-Gebiet, die Zahl der reaktionären Leute hält sich nach meinem Dafürhalten einigermaßen in Grenzen.

    Zu ihrem Artikel würde es in der –(allerdings: Weissen Mittelstands-) Schule heißen: "Thema verfehlt."

     

    Freundliche Grüße vom Görli.

     

    Ihr

    Sven Kolaschke

  • Das Dealen von harten Sachen und an Kinder (ich sehe vor meinem Fenster sehr oft, wie 11-, 12jährige sich etwas kaufen) ist eine gefährliche Straftat, und ob die Dealer auf Ghana oder Haselhorst kommen, ändert nichts am Tatbestand.

    Dass die Situation für viele Flüchtlinge nervenzermürbend sein muss, wird jeder nachvollziehen können. Die Lage am Görlitzer Park den Schwarzen allein in die Schuhe zu schieben ist ebenso eine Vereinfachung, wie ihre Argumentation, dies sei ein gefundenes Fressen für die weissen männlichen Anwohner.

     

    Dass Frauen sich aus gegebenem Anlass an manchen Orten weniger ungern aufhalten, ist eine traurige Tatsache. Den momentanen Zustand am Görlitzer Park und Bahnhof eine Lehre für den chauvinistischen Mittelstandsweißen zu nennen, ist ein rhetorisch interessanter Kniff und ziemlich absurd.

  • Am zahlenstärksten und sichtbarsten sind vielleicht die Afrikaner, aber es gibt jede Menge Berliner Teenager, die sich jetzt auch mal ausprobieren wollen. Und die benehmen sich, natürlich, viel dreister als die Afrikaner, sind sie doch nicht von der Abschiebung bedroht, sprechen deutsch, und sind auch nicht auf den Drogenhandel "angewiesen", um in der gängigen Apologetik zu bleiben.

    Sie spielen Gangster. Sie bieten aggressiv Gras direkt am Bahnhof an, Frauen werden sexuell belästigt - nicht handgreiflich, sondern meistens verbal, im Vorbeigehen. Weil es eben "geht", praktisch im Windschatten des Gesamtschauplatzes.

    Passantinnen werden zum Sex "in den Büschen" (O-Ton) aufgefordert, am Sonntagmittag. Wer Paroli bietet, kann sich warm anziehen, dann wird die Einschüchterungskarte gespielt. Von Leuten, die legal nicht mal eine Flasche Schnaps kaufen dürfen.

  • Liebe Frau Kappert,

     

    Vielen Dank für Ihre Denkschrift.

    Die Diskussion allerdings geht für meine Belange, der direkt am Görlitzer Bahnhof wohnt, etwas am Konflikt vorbei. Sicher hat die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule einen Anteil an der Drogenproblematik im Park, um Park und um Park herum. Die Anwohner sind aber zumeist durchschnittliche Kreuzberger, sie rufen also nicht sofort die Polizei, wenn ein Paar Leute ein bißchen dealen. Sie sind aber sauer, wenn ihre Freiheiten beschnitten werden, sich nämlich unbelästigt oder unüberfallen durch ihren Kiez zu bewegen. Kaum einer, der in diesem Bezirk wohnt, sucht insgeheim nach Gründen, Schwarzen den, nun ja, schwarzen Peter zuzuschieben. Das, liebe Frau Kappert, ist glaube ich nicht der Fall.

    Die Leute, die hier wohnen, wollen Samstags abends sich einfach nicht zweimal überlegen müssen, ob sie den Park oder den Bahnhof meiden.

    Die momentane Situation am Görlitzer Park und zunehmend auch direkt am Bahnhof lädt aber viele junge Berliner Trittbrettfahrer ein, die jetzt auch mitdealen wollen, oder vielleicht einfach Lust haben auf Action.

    Warum wird ständig über die Hautfarbe geredet bei der Diskussion um den Drogenhandel? Die Dealerei gab es vorher auch schon, der Markt ist nun übersättigt.

  • Der Drogenhandel im Görlitzer Park ist ein hierachisches, rassistisches und zynisches System an dessen untereren Ende die afrikanischen Flüchtlinge als bloße Handlanger agieren. Die krininellen Hintermänne nutzen die Schwäche der Flüchtlinge aus und die Kohle geht in ihre Tasche.

    Man kann als Mann durch den Park gehen, mache ich ich täglich zu allen möglichen Uhrzeiten. Nicht das „Normobjekt“ ist von den Zuständen betroffen, sondern Frauen, Kinder und Jugendliche und Migranten. Die Partytouristen fühlen sich weiterhin wohl.

    Die Autorin fordert Empathie, ich sehe bei ihr aber nur Selbstgerechtigkeit und Ignorieren der Fakten.