Nachruf auf Maria Lassnig: Sieh mich an oder es knallt
Gegenständliches und Abstraktes fanden aus dem Gestus des Tastens in ihre Bilder: zum Tod der Malerin Maria Lassnig.
Vor fünf Jahren warb in Wien ein Plakat für eine Ausstellung, die das Museum Moderner Kunst zum 90. Geburtstag der österreichischen Malerin Maria Lassnig zeigte. Das Plakat reproduzierte ihr Bild „Du und ich“ von 2005. Mit zwei Pistolen in den Händen, die eine an den eigenen Schädel gehalten, die andere auf den Betrachter gerichtet, hatte sie sich selbst porträtiert, noch dazu als Akt.
Sieh mich an oder es knallt!, schien das Plakat zu rufen; bedrohlich und finster einerseits, aber auch mit einer irritierenden Spur von etwas anderem. Womöglich von Humor? Denn machte sich die Malerin nicht auch lustig über das Regime der Blicke? Oder die Erwartung, als Künstlerin möge sie bitte ihr Innerstes preisgeben?
Maria Lassnig, die am Dienstag mit 94 Jahren in Wien gestorben ist, war äußerst gewitzt. Ihre Malerei kehrte das Innerste nach außen, aber nicht im Sinne der seelischen Entäußerung, sondern indem sie sich an Körperempfindungen orientierte. Gegenständliches und Abstraktes fanden so beide aus dem Gestus des Tastens in ihre Bilder.
Ihre Malweise, kontrastreich auf stets hellem Grund, ließ auch die Bewegung des Pinsels als eine körperliche Aktion begreifen.
Punk, Freiheitsstatue, Femme fatale
1980 kehrte sie mit sechzig Jahren aus New York, wo sie seit 1968 gelebt und mit Animationsfilmen begonnen hatte, nach Wien zurück und wurde zur ersten Professorin für Malerei im deutschsprachigen Raum. Ihre Bekanntheit nahm im Alter zu, derzeit ist sie im Museum of Modern Art in New York ausgestellt.
In einem biografischen Film von 1972 erzählte sie singend ihre Lebensgeschichte, kostümiert unter anderem als Punk, Freiheitsstatue und Femme fatale. Man erhält den beruhigenden Eindruck, sie konnte es doch genießen, ihr Leben als Künstlerin.
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