Altersversorgung in Deutschland: Hysterie um die Frühverrentung
Angeblich befördert die Rente mit 63 die Frühverrentung. Deswegen arbeitet die Regierung an Details – die neue Ungerechtigkeiten schaffen könnten.
BERLIN taz | Jetzt geht es um die Details: In der Großen Koalition diskutiert man weiter darüber, wie eine angeblich drohende Welle von Frühverrentungen durch die Rente mit 63 verhindert werden kann. Das Bundesarbeitsministerin sei aber „zuversichtlich“, dass es zum „verabredeten Zeitplan“ zu einer Regelung komme, sagte ein Sprecher. Am 23. Mai soll das Rentenpaket inklusive der Mütterrente im Bundestag verabschiedet werden.
Um die abschlagsfreie Rente mit 63 zu bekommen, muss man zuvor 45 Jahre gearbeitet haben, inklusive der Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld I. Das heißt, ein Beschäftigter, der 43 Jahre lang gearbeitet hat und im Alter von 61 Jahren noch zwei Jahre in die Arbeitslosigkeit geht, erfüllt die Bedingungen und kann dann mit 63 in eine abschlagsfreie Rente wechseln.
Vor genau dieser Form der „Frühverrentung“, also dem faktischen Berufsaustritt mit 61, warnen die Arbeitgeber und Unionspolitiker, weil diese angeblich den Fachkräftemangel in den Betrieben verstärke.
In den Fraktionen diskutiert man deshalb jetzt über den „rollierenden Stichtag“. Danach würden bei der Rente mit 63 die Zeiten der Arbeitslosigkeit nur noch bis maximal zwei Jahre vor dem Wechsel in die frühe Rente angerechnet, ein Ausscheiden via Arbeitslosengeld wäre damit so nicht möglich.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht mit einzubeziehen sei aber verfassungsrechtlich bedenklich, warnte der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth. Schließlich gebe es auch langjährig Beschäftigte, die mit 61 unfreiwillig ihre Arbeit verlören. Diese dürfe man nicht „hinten runterfallen“ lassen.
Auch die SPD-Fraktionsvizechefin Carola Reimann erklärte, es dürfe mit einer Regelung gegen die unerwünschte Frühverrentung nicht zu einer „Benachteiligung von Arbeitnehmern kommen, die kurz vor Renteneintritt ganz unfreiwillig arbeitslos werden, etwa durch die Insolvenz ihres Betriebes“. Das wäre möglicherweise auch verfassungsrechtlich problematisch.
Die Debatte in der Bundesregierung betrifft aber nur die künftige abschlagsfreie Rente mit 63 und deren Voraussetzungen. Viele Beschäftigte werden bisher schon arbeitslos, bevor sie in eine Rente mit Abschlägen wechseln. Das durchschnittliche sogenannte Erwerbsaustrittsalter liegt bei 61 Jahren, geht aus Zahlen des IAQ-Instituts in Duisburg-Essen hervor.
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